Nexperia-Chipkrise: VW prüft bereits Kurzarbeit

22.10.2025 15:28 Uhr | Lesezeit: 4 min
Nexperia_Mitarbeiter_Reinraum_picture_alliance_dpa_David_Hammersen_HD
Mitarbeiter der Nexperia GmbH gehen durch die Reinräume des Halbleiterproduzenten.
© Foto: dpa/picture alliance/David Hammersen

Die Krise um den Chip-Zulieferer Nexperia spitzt sich zu. VW schließt kurzfristige Engpässe nicht mehr aus und prüft bereits mit der Arbeitsagentur eine mögliche Kurzarbeit für mehrere Zehntausend Mitarbeiter. Auch die Bundesregierung sucht nach Lösungen.

Der Autokonzern Volkswagen schließt wegen der Probleme beim niederländischen Chiphersteller Nexperia auch kurzfristige Einschränkungen in der Produktion nicht aus. "Derzeit ist die Produktion unbeeinträchtigt. Vor dem Hintergrund der dynamischen Lage können Auswirkungen auf die Produktion kurzfristig jedoch nicht ausgeschlossen werden", heißt es in einem Eintrag im Intranet des Konzerns, der der dpa vorliegt. Ein Sprecher bestätigte das auf Anfrage. Zuvor hatte "Bild" berichtet.

Mitarbeiter über Konsequenzen informiert

Dem Bericht zufolge ist Volkswagen bereits mit der Arbeitsagentur im Gespräch über mögliche Kurzarbeit für mehrere Zehntausend Mitarbeiter. Das Unternehmen wollte das auf Anfrage nicht kommentieren. Im VW-Intranet hieß es dazu nur: "Volkswagen steht in engem Kontakt mit allen relevanten Beteiligten vor dem Hintergrund der aktuellen Lage, um frühzeitig mögliche Risiken zu identifizieren und über entsprechend notwendige Maßnahmen entscheiden zu können." Über neue Entwicklungen werde informiert.

Herstellerverband VDA warnt vor möglichen Ausfällen 

Bei Nexperia gibt es Lieferprobleme, nachdem die niederländische Regierung die Kontrolle über die bisher von einer chinesischen Konzernmutter geführten Firma übernommen hatte. China stoppte daraufhin die Ausfuhr von Nexperia-Produkten wie Chips für die Autoindustrie. Der Herstellerverband VDA hatte bereits vor möglichen Ausfällen wegen der Probleme bei Nexperia gewarnt - bis hin zu Produktionsstopps.

Mercedes-Benz rechnet kurzfristig nicht mit Ausfällen wegen der Probleme. Dank guter Zusammenarbeit mit den Zulieferern und Lehren aus der Chipkrise "sind wir im Kurzfristzeitraum abgesichert", teilte der Autobauer auf Anfrage mit. "Wir arbeiten intensiv mit unseren Partnern daran, eventuell auftretende Lücken zu schließen." Mercedes beobachte die Entwicklung. Verlässliche Prognosen seien zum jetzigen Zeitpunkt aber nur schwer zu machen.

Alarmstimmung in der Branche

Lieferprobleme bei Halbleitern beschäftigen Autohersteller und die Bundesregierung. Nach dem Verband der Automobilindustrie (VDA) warnt auch der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) vor einer Krise. Sie halten Produktionsstopps für vorstellbar. Nach Branchenangaben hören sich Unternehmen nach alternativen Quellen um.

Der Vorsitzende der ZVEI-Geschäftsführung, Wolfgang Weber, sagte der Deutschen Presse-Agentur: Die Mitgliedsfirmen des Verbandes arbeiteten an Ersatzlösungen. Es gebe Signale, die Anlass zur Hoffnung gäben. "Ein Problem liegt jedoch in der notwendigen Qualifizierung der Ersatzbauteile - wir können also keine Entwarnung geben." Die Krise müsse schnell politisch gelöst werden.

Deutschland und Niederlande suchen Kontakt zu China 

Die Bundesregierung sucht nach Lösungen. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte in Berlin, man sei besorgt und mit den verschiedenen Beteiligten in engem Austausch - auch mit der chinesischen Regierung.

Zur Krise bei Nexperia sollte es am Abend eine Schalte des Bundeswirtschaftsministeriums mit Verbänden und Unternehmen aus der Automobil- und Elektronik-Industrie gebeb, wie dpa von Beteiligten erfuhr. Nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sollten auch Unternehmen aus dem Maschinenbau, Fabrikausrüster und Spezialisten für Automatisierungstechnik sowie Pharma- und Chemieunternehmen teilnehmen.

Am Dienstag hatte der geschäftsführende niederländische Wirtschaftsminister, Vincent Karremans, nach eigenen Angaben mit seinem chinesischen Kollegen Wang Wentao telefoniert.

Nexperia verfügt über internationale Lieferkette 

Nexperia mit Sitz im niederländischen Nijmegen ist ein wichtiger Anbieter sogenannter diskreter Halbleiter. Das sind eher einfache Bauteile, die aber für die Wirtschaft unverzichtbar sind. Bei einzelnen Bauteilen ist Nexperia nach eigenen Angaben Weltmarktführer. Zu den Kunden zählten Stand August Automobilhersteller wie Tesla und Zulieferer wie Bosch. Nexperia hat Fabriken in Hamburg und Manchester und Montagezentren in Asien

Nach Angaben des ZVEI übernehmen diskrete Bauteile viele Funktionen - nicht allein im Auto: Sie verarbeiten zum Beispiel Signale in Steuergeräten, regeln und stabilisieren die Spannung und binden Sensoren an. Wie viele diskrete Halbleiter in einem Auto verbaut werden, hängt laut ZVEI vom Einzelfall ab. 

Experte: Suche nach Ersatzlieferanten schwierig

Auf den ersten Blick handele es sich dabei um Massenware, sagte Peter Fintl, Automobilexperte des IT-Dienstleisters Capgemini. Allerdings seien sie oft sehr speziell angepasst und daher nicht so leicht zu ersetzen. "Für bestimmte Bauteile kann man nicht ohne weiteres auf andere Hersteller umswitchen." 

Das mache die Suche nach Ersatzlieferanten kompliziert und langwierig. "Darin liegen nun die Herausforderungen." Änderungen der Lieferketten seien zwar grundsätzlich möglich. "Allerdings spricht man hier nicht von Tagen oder Wochen, sondern von Monaten oder Quartalen." 

Druck aus den USA auf Den Haag

Der niederländische Minister Karremans hatte dem chinesischen Eigentümer von Nexperia per Beschluss des Amsterdamer Wirtschaftsgerichts die Kontrolle entziehen lassen. Zuvor erklärte er, dass der Handelsstreit zwischen den USA und China nichts mit dem Konflikt um Nexperia zu tun habe. Doch aus Gerichtsakten geht hervor, dass die USA Den Haag zu dem Schritt gedrängt hatten.

HASHTAG


#Chipmangel

MEISTGELESEN


STELLENANGEBOTE


KOMMENTARE

SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

WEITERLESEN



NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Auto News für die Automobilbranche: AUTOHAUS ist eine unabhängige Abo-Fachzeitschrift für die Automobilbranche und ein tagesaktuelles B2B-Online-Portal. AUTOHAUS bietet Auto News, Wirtschaftsnachrichten, Kommentare, Bilder und Videos zu Automodellen, Automarken und Autoherstellern, Automobilhandel und Werkstätten sowie Branchendienstleistern für die gesamte Automobilbranche. Neben den Auto News gibt es auch Interviews, Hintergrundberichte, Marktdaten und Zulassungszahlen, Analysen, Management-Informationen sowie Beiträge aus den Themenbereichen Steuern, Finanzen und Recht. AUTOHAUS bietet Auto News für die Automobilbranche.