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Politischer Klärungsbedarf: Interview mit Fritz Güntzler

31.10.2022 09:17 Uhr | Lesezeit: 3 min
Politischer Klärungsbedarf: Interview mit Fritz Güntzler
Interview mit Fritz Güntzler.
© Foto: Prof. Hannes Brachat

Fritz Güntzler ist Mitglied im Deutschen Bundestag und maßgeblicher Steuerexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach mit ihm über die aktuelle Finanzpolitik.

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AH: Welche Aufgaben nehmen Sie für die CDU in der 20. Wahlperiode seit September 2021 im Deutschen Bundestag wahr?

Fritz Güntzler: Ich bin seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages, aktuell ordentliches Mitglied im Finanzausschuss sowie im Sportausschuss und Obmann für die CDU/CSU Bundestagsfraktion. Dann bin ich noch Mitglied im Bundesfinanzierungsgremium. Das hat Bedeutung, weil wir parlamentarisch den ganzen Wirtschaftsstabilierungsfonds (WSF) gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie begleiten, der eigentlich ausgelaufen wäre, aber jetzt verlängert wird.

Mittelständisches Stützungspaket

Die Gaspreisbremse und die einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro ist das eine, wo aber bleibt das mittelständische Stützungspaket? 2023 werden die Energiepreisentwicklung, die Inflation, verteuerte Rohstoffe beim Bauen und höhere Zinsen für zahlreiche Mittelstandbetriebe zum Problem werden?

F. Güntzler: Die drei bisher vorliegenden Entlastungspakete der Ampelkoalition kranken zum einen daran, dass die Gelder nach Gießkannenprinzip verteilt werden. Jeder bekommt es, ob er es braucht oder nicht. Nehmen Sie die eben genannten 300 Euro. Sie sind für die einen erschwinglich, für andere Bürger aber viel Geld. Sie bräuchten 1.000 Euro. Das ist in dieser Machart wenig zielgerichtet. 

Zweiter Punkt. Es geht ferner um die Bürger, die soziale Transferleistungen bekommen. Um diese müssen wir uns auch kümmern. Dritter Punkt. Dann kommen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die jeden Morgen aufstehen und zur Arbeit gehen und mit 1.800 Euro netto oder weniger monatlich nach Hause kommen und eine Familie ernähren müssen. Wenn sie nun ihre neuen Bescheide über Gas- und Strompreise erhalten, wissen die nicht, wie es weitergehen soll. Da muss eine Antwort kommen! Da soll etwas kommen, aber viel zu spät. Die Ampelkoalition hat hier lange nicht gehandelt.

Nun zum Entlastungspaket für Mittelstand, Handwerk. Sie werden bislang nicht berücksichtigt. Ich sehe das in meinem Wahlkreis Göttingen, wo ich unterwegs bin, und zwar nicht nur in Bäckereien. Da herrschen größte Sorgen, ja Existenznöte bei der Frage, wie das einzelne Unternehmen seine Mitarbeiter bezahlen soll, wenn ein Großteil des Geldes für Energie drauf geht und nicht verfügbar ist. Bei Corona hatte jeder die Hoffnung, da kommt ein Impfstoff, die Läden öffnen sich in absehbarer Zeit wieder. Die Regierung versäumt es aktuell, diesen Unternehmern im Mittelstand Perspektive zu geben. Wir haben das als Opposition mehrfach beantragt. Es gilt da dringlich ein Signal für den Mittelstand zu setzen.

Wie sehen diese Vorschläge der Opposition aus?

F. Güntzler: Das beginnt damit, was durch die Gaspreiskommission angeregt wurde. Gaspreisdeckel. Es fehlt dazu aber immer noch der Vorschlag der Ampelkoalition. Es muss Planungssicherheit geschaffen werden, damit jeder weiß, mein Gas- oder Strompreis wird einen bestimmten Deckel nicht überschreiten. Wie viele Verträge können aufgrund dieser Unsicherheit aktuell nicht unterzeichnet werden?

Konjunkturperspektiven 2023

Wie sieht der CDU-Finanzpolitiker Güntzler die konjunkturellen Perspektiven 2023?

F. Güntzler: Die Herbstprognose der Bundesregierung geht 2023 von einer Rezession von minus 0,4 Prozent aus. Bei der letzten Steuerschätzung ging man noch von real 2,5 Prozent plus aus. Es wird ein Abschwung geben. Umso wichtiger ist es, die richtigen Maßnahmen zu treffen, damit die Unternehmen da möglichst schnell wieder rauskommen. Was man ja gar nicht denken darf, ist nach wie vor die Forderung, die Unternehmenssteuern zu senken. Und zwar für die Gewinne, die im Unternehmen bleiben, damit die Unternehmen die Möglichkeit haben, Innovationen voranzutreiben. Die Unternehmen haben in der Coronazeit Eigenkapital verloren und haben einen gigantischen Transformationsprozess vor sich, der finanziert werden muss. Also, die Gewinne müssen cashmäßig im Unternehmen bleiben. Es geht dabei nicht um die Gewinne, die der Unternehmer mit nach Hause nimmt.

Große Steuerreform

Bei unserem letzten Interview sprachen wir über eine grundsätzliche Steuerreform. Damals waren Sie noch Regierungspartei. Ist das bei der gegenwärtigen politischen Gesamtlage opportun anzusprechen?

F. Güntzler: Wir als CDU-/CSU-Bundestagsfraktion arbeiten gegenwärtig an diesem Konzept. Gerade in der Krise muss man dazu den Mut haben. Bundesfinanzminister Lindner hat im Rahmen der ELF-Tagung in Washington von der Unternehmenssteuersenkung gesprochen. Ich würde mir wünschen, er wäre hier aktiv in der Sache.

Mandantenempfehlung

Was empfehlen Sie als Wirtschaftsprüfer aktuell Ihren Mandanten?

F. Güntzler: Ruhe bewahren! Gewiss, das ist leichter gesagt als getan. Der Staat wird es sich aber nicht leisten können, Euch alleine zu lassen. Wir werden es aber nicht schaffen, alle Wohlstandsverluste, die durch diesen brutalen Angriffskrieg entstanden sind, auszugleichen. Der Staat wird Hilfe leisten, er kann aber nicht alles tun. Wir haben nun 13 Jahre Aufschwung gehabt. Damit verbunden sind gute Steuereinnahmen. Vor zehn Jahren lagen wir bei jährlichen Steuereinnahmen von 600 Mrd. Euro (Bund, Länder, Kommunen). Die neuen Steuerschätzungen gehen von 900 Mrd. Euro aus. Es geht weiter! Jeder Krieg hat bislang geendet. Bundestagspräsident Lammert sagte mal zur Eröffnung einer Bundestagssitzung früh am Morgen: "Meine Damen und Herren, wie schön, heute Morgen ist die Sonne wieder aufgegangen." Man muss die Hoffnung, die Zuversicht in sich tragen. Diese Perspektive vermisse ich bei unserem Bundeskanzler, das Gefühl zu vermitteln, dass er die Lage im Griff hat.

Sie meinen also der Doppel-Wums reicht nicht aus?

F. Güntzler: Man weiß ja gar nicht, was in diesem "Doppel-Wums" drinsteht. Wir haben die Kreditaufnahme über 200 Mrd. Euro für 2022 im Deutschen Bundestag beschlossen ohne zu wissen wofür? Es gibt keinen konkreten Maßnahmenplan. Ein Unternehmer plant eine Investition, macht eine Kostenschätzung und geht damit zur Bank, um Geld zu bekommen. Hier wird umgekehrt gehandelt. Wir stellen den Geldsack in den Keller und sehen dann, wie die Bundesregierung damit umgeht. Sie werden das Geld dann 2023 und 2024 ausgeben. Der Bundesrechnungshof hat das bereits beanstandet, dass dies haushaltsrechtlich wie verfassungsrechtlich nicht zulässig sei, weil das Prinzip der Jährlichkeit im Haushalt verletzt würde. Da kann man als Opposition darauf hinweisen. Doch Mehrheit ist Mehrheit!

Vielen Dank für das Interview!

 

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