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Dieselkrise: Die wichtigsten Antworten zur Grenzwert-Diskussion

01.02.2019 07:47 Uhr
Dieselkrise: Die wichtigsten Antworten zur Grenzwert-Diskussion
Die Diskussion um NO2-Grenzwerte reißt nicht ab - dafür sorgen auch kürzlich veröffentlichte Zahlen.
© Foto: picture alliance / Winfried Rothermel

Um Diesel-Abgas, Fahrverbote, Nachrüstungen und Grenzwerte streitet die Politik heftig. Neue veröffentlichte Zahlen lassen ahnen: Die Dieselkrise ist noch lange nicht vorbei. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

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Sie sollen die harte, messbare Währung sein in der hitzigen Debatte über Diesel-Abgase in deutschen Städten: Daten zur Luftbelastung mit Stickstoffdioxid (NO2), die mehr als 500 amtliche Messstellen quer durch die Republik jedes Jahr neu liefern. Jetzt liegen die ersten frischen Zahlen des Umweltbundesamts (UBA) für 2018 vor – und lassen noch einigen Spielraum für politische Diskussionen.

Wie hat sich die Luftverschmutzung entwickelt?

Es gibt einen Fortschritt: Bundesweit ist die Belastung im Mittel um zwei Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft gesunken. Das passt in den Trend: 2016 rissen noch 90 Städte den Grenzwert, 2017 waren es 65. Nun fehlen noch viele Zahlen, denn vorerst gibt es nur Ergebnisse von 399 automatische Messstationen – von 132 weiteren kommen sie wohl erst im Mai. Klar ist deswegen Stand jetzt: Mindestens 35 Städte lagen auch 2018 über dem Grenzwert. Und es wird nicht überall besser. Koblenz und Leipzig sind nun im roten Bereich. Zurück in den grünen schafften es Halle (Saale), Ludwigshafen, Regensburg und Solingen.

Gilt der Wert für die Luftqualität der gesamten Stadt? 

Nein - es geht erstens immer nur um die Luft rund um die Messstellen, zweitens wird meist nur der höchste Jahresmittelwert betrachtet. Ein paar Straßen weiter kann es wieder anders aussehen. Für die Frage, ob geltendes Recht eingehalten wird, ist das aber unerheblich. Die seit 2010 verbindliche EU-Regelung sieht vor, dass 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel an jeder Messstation einzuhalten sind. Sie gibt auch vor, wo gemessen werden muss. Nämlich nicht nur, aber auch in verkehrsreichen Gegenden, wo die Luftbelastung besonders groß ist.

Warum sind Grenzwert-Überschreitungen ein Problem?

Deutschland muss EU-Recht einhalten, wegen der Stickoxide gibt es ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren. Brüssel hat im Oktober bereits gegen Deutschland und andere Mitgliedsländer Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Einen Termin für eine Verhandlung gibt es noch nicht. Auf Basis des geltenden EU-Rechts hat die Deutsche Umwelthilfe aber bereits Fahrverbote vor Gericht eingeklagt. Denkbar wäre, dass Berlin vom EU-Gericht zu Strafzahlungen verdonnert wird. Außerdem dienen die Grenzwerte dem Schutz der Gesundheit. Sie wurden von den EU-Staaten festgelegt und beruhen auf einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Gibt es um die Grenzwerte nicht Streit?

Doch, eine Gruppe von rund 100 Lungenärzten hat ihren Sinn in Frage gestellt. Es gibt aber breiten Widerspruch von Kollegen. Zuletzt legte das Helmholtz-Zentrum München ein Papier zu NO2, Feinstaub und Ozon vor. "Gesichert ist, dass sich dadurch die Lebenszeit verkürzt und Lungenerkrankungen sowie Herzkreislauferkrankungen ausgelöst werden", heißt es da. Die Bundesregierung will die Nationale Akademie Leopoldina um Klärung bitten. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dringt ungeachtet dessen bei der EU-Kommission schon mal auf eine Überprüfung der Grenzwerte.

Gibt es jetzt noch mehr Diesel-Fahrverbote?

Das ist - unabhängig von den neuen Zahlen - denkbar. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat Gerichtsverfahren zu 35 Städten angestoßen. Fahrverbots-Urteile zu Berlin und Stuttgart sind rechtskräftig, anderswo laufen Berufungen, teils wurde noch nicht verhandelt. Bisher hat die DUH recht bekommen. Aber Städte versuchen inzwischen, auf anderen Wegen gegenzusteuern. Gegen Halle (Saale) wurde eine Klage eingereicht. Die Stadt liegt 2018 im grünen Bereich – zurückziehen will die DUH aber erst mal nicht. Klagen gegen Leipzig und Koblenz seien zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht in Vorbereitung.

Was wird getan, um die NO2-Werte zu senken?

Über ein Programm "Saubere Luft" können Städte, die den Grenzwert überschreiten, Fördergeld beantragen – etwa für Elektrobusse oder digitale Verkehrsführung für weniger Staus. Auch Leipzig und Koblenz können also wohl bald Geld aus dem milliardenschweren Sondertopf des Bundes beantragen. 3,75 Millionen ältere Diesel haben inzwischen neue Abgas-Software bekommen. Mit Prämien wollen die deutschen Hersteller Autobesitzer zum Kauf saubererer Neu- oder Gebrauchtwagen bewegen. Laut UBA trägt auch all das dazu bei, dass die Lage sich bessert - welche Maßnahme zu welchem Teil, lasse sich aber nicht einfach sagen.

Wie sieht es bei den umstrittenen Hardware-Nachrüstungen aus?

Solche Nachrüstungen mit Katalysatoren könnten bald kommen, die rechtlichen Voraussetzungen hat der Bund geschaffen. Jetzt werden Nachrüst-Sets entwickelt und dann zugelassen. Allerdings haben bisher nur Daimler und VW zugesagt, Autobesitzern dafür bis zu 3.000 Euro zu zahlen – Volkswagen aber eher widerwillig. BMW ist bisher nicht an Bord, von ausländischen Herstellern ganz zu schweigen. Trotzdem wird der Ruf nach Hardware-Nachrüstungen lauter. Sonst dauere "es einfach zu lange, bis wir überall saubere Luft haben", mahnt UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. Die Hardware-Aktivitäten des Bundes zielen indes nur auf "Intensivstädte" mit mehr als 50 Mikrogramm NO2.

Wie sieht es in diesen "Intensivstädten" aus?

Bisher hat die Bundesregierung 15 Städte bestimmt, die Extra-Hilfen für saubere Luft bekommen sollen. Bemerkenswert ist die Entwicklung in München, das 2017 noch unrühmlicher NO2-Spitzenreiter war. An der Messstation an der vielbefahrenen Landshuter Allee ging der Wert von 78 nun auf 66 Mikrogramm zurück – die genauen Gründe sind Experten noch nicht ganz klar. Fest steht, dass sich in acht der 15 Städte die Luft verbesserte – in Kiel wurden dagegen vier Mikrogramm NO2 mehr gemessen. Neu über die Schwelle von 50 Mikrogramm gelangte Dortmund. (dpa)

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KOMMENTARE


A.Taler

04.02.2019 - 08:11 Uhr

Selten wurde eine politische Diskussion mit mehr Polemik und weniger Fachwissen geführt. Worum geht es eigentlich in der Sache. Das Wohl der Menschen ? Wohl kaum. Politische Reputation kann es auch nicht sein, da man hierfür ein festes Meinungsbild benötigt und dieses auch mit Fakten untermauern sollte. Also kann es sich nur um eine Klientelpolitik für die Automobilindustrie handeln welche nach dem Dieselskandal eine staatliche Hilfestellung wünscht. Das wiederrum erklärt auch die lange Hängepartie beim Thema Nachrüstung und die Versuche durch zweitklassige Gutachten das Thema auf hoher Ebene tot zu reden. Nur neue Fahrzeuge bringen wirklich Geld in die Kassen der Industrie.


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