Er hat zweifelsohne die wohl bemerkenswerteste Vita aller bisherigen Referenten im Rahmen des AUTOHAUS-Schadenforums aufzuweisen: Nach seinem Lehramtsstudium in Hamburg ging Willi Lemke in die Politik und agierte als SPD-Politiker und – man lese und staune – Doppelagent. Einer breiten Öffentlichkeit wurde der gebürtige Stettiner jedoch sicherlich als langjähriger Manager des Fußballbundesligisten Werder Bremen bekannt, der an der Seite von Trainerlegende Otto Rehagel die goldene Ära an der Weser entscheidend prägte: Der Europapokal der Pokalsieger, zwei Meisterschalen und drei DFB-Pokale stehen nach Ende der 17 Jahre in den Vitrinen der Grün-Weißen.
Doch auch während und nach seiner sportlichen Karriere, die er Ende 2016 als Aufsichtsratsvorsitzender von Werder Bremen beendete, war Lemke stets auf mehreren Bühnen unterwegs. So amtierte er mehrere Jahre als Senator für Bildung und Wissenschaft bzw. Inneres und Sport, war Sonderbeauftragter für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung unter UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, engagiert sich für Frauen und Behinderte.
Millionengeschäft Fußball
Entsprechend hoch waren die Erwartungen im Publikum, als der 73-Jährige die Bühne betrat, und Lemke sollte sie "eine Halbzeit lang" nicht enttäuschen. Schon nach den ersten Sätzen wurde allen im Saal klar, dass hier eine echte Persönlichkeit referierte: "Seit meiner Zeit hat sich im Fußball viel verändert. In den 1980er Jahren saß Otto Rehagel mit falschem Schnurrbart und Schlapphut auf der Tribüne, um Spieler anderer Vereine zu beobachten. Seine Frau Beate achtete darauf, dass das persönliche Umfeld des Nachwuchses stimmte. Heute verdienen sogenannte Spielerberater pro Jahr über 150 Millionen Euro mit Transfers und das sind nur die offiziellen Summen. Fans werden drei verschiedene TV-Abonnements zugemutet, um ihre Lieblingsmannschaft verfolgen zu können."
Im Folgenden zeichnete Lemke ein scharfes, aber auch sehr amüsantes Bild aus seiner Zeit als Fußballmanager, berichtete von handgeschriebenen Verträgen und dem unbedingten Willen, im Zweikampf mit Bayern München und seinem großen Gegenspieler Uli Hoeneß, "unser Briefpapier zu verändern" – sprich: Titel zu holen.
Ein Lächeln kostet nichts
Aufbauend auf dem Vortrag von Andreas Keller betonte auch Lemke die Notwendigkeit der richtigen "Mitarbeiterführung": "Schon eine Einladung zum Probetraining ist für 14-, 15-jährige Jungs ein echter Ritterschlag. Wir achten darauf, die Spieler nicht zu früh von ihren Familien zu trennen, und bringen ihnen die deutsche Sprache bei, um sie schnell und erfolgreich zu integrieren." Nur aufs Geld käme es in Sachen Mannschaftsgeist nicht an, viel wichtiger seien dabei Rituale: "Zu Anfang der Saison gab es einen Empfangsabend mit allen Neuzugängen. Dort musste jeder von seinem ersten Mal und dem bisherigen beruflichen Werdegang berichten, ehe es feucht-fröhlich wurde. Die Spieler haben sich wahnsinnig auf solche Veranstaltungen gefreut – auch auf die gemeinsame Weihnachtsfeier mit ihren Familien." Nur wer sich mit dem Verein identifiziert, wird gemeinsam erfolgreich sein.
Wichtig ist dabei auch das Verhalten der Führungsebene: "Versprechen Sie nur, was Sie auch halten können. Nur so sichern Sie sich die Loyalität Ihrer Angestellten, wenn es einmal schwierig wird", riet Lemke. Auch in Zeiten von Digitalisierung und Prozess-Automatisierung wirke freundliche Ansprache manchmal Wunder: "Wenn die erste Überraschung überwunden ist, freuen sich die Leute. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Kunden sich von Beginn an willkommen fühlen. Ein Lächeln kostet nichts“, so der Sportfunktionär und Politiker.
Wie Willi Lemke die Chancengleichheit in Deutschland einschätzt und welche positive Botschaft er den Besuchern des 15. AUTOHAUS Schadenforums mit auf den Weg geben lesen Sie in der kommenden Ausgabe von Schadenbusiness, die am 20. Dezember gemeinsam mit AUTOHAUS 23/24 erscheinen wird. (kt)