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Hochwasser in Deutschland: Was leisten die Versicherer wirklich?

11.06.2013 17:04 Uhr
Hauner
Oliver Hauner, Leiter des Bereiches Sachversicherung und Schadenverhütung im GDV
© Foto: GDV

Die derzeitige Flutkatastrophe fordert Politik und Wirtschaft verstärkt. Auch die Versicherungswirtschaft rückt mehr in den Fokus der Bürger. Für die Betroffenen stellt sich dabei elementar auch die Frage nach dem Versicherungsschutz.

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Das aktuelle Hochwasser in Deutschland ist für die Betroffenen eine emotionale, materielle und finanzielle Belastung. Politik und Wirtschaft stehen im Fokus, gerade aber auch die Versicherungswirtschaft.

Der in den vergangenen Tagen häufig erhobene Vorwurf gegenüber den Versicherungsunternehmen: Sie würden nur die schützen, die weit weg von den Überschwemmungsgebieten wohnen und nicht die, die einen Versicherungsschutz am nötigsten hätten. Fakt sei laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): "99 Prozent aller Gebäude in Deutschland sind gegen Hochwasser versicherbar." 

Das schließe jedoch nicht aus, dass einzelne Gebäude nicht wirtschaftlich sinnvoll versichert werden können. Warum das so ist, erklärte Oliver Hauner vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), dort zuständig für den Bereich Sachversicherung und Schadenverhütung, im nachfolgenden Interview:

"Von Rosinenpickerei kann keine Rede sein"

Herr Hauner, was ist dran am Vorwurf, die Unternehmen würden diejenigen nicht richtig schützen, die es eigentlich am nötigsten hätten?
O. Hauner: "Das ist nicht richtig. Wir können heute für mehr als 99 Prozent aller Risiken in Deutschland Versicherungsschutz anbieten. Lediglich bei einem Prozent der Gebäude muss eine individuelle Besichtigung stattfinden beispielsweise, und auch da gibt es Versicherungsschutz in der Breite."

Trotzdem wird Ihnen auch immer wieder unterstellt, dass Sie sich nur die Rosinen herauspicken, also sozusagen nur die Häuser auf dem Berg versichern würden…
O. Hauner: "Wir haben mit zahlreichen Bundesländern Elementarschadenkampagnen gemacht, wo wir genau dieses Thema angegangen sind. Wir haben beispielsweise in Sachsen in den letzten zwei Jahren sechseinhalb Prozent zusätzliche Risiken versichert mit aufgenommen, sind in der Fläche unterwegs gewesen – also von Rosinenpickerei kann keine Rede sein."

Mangelndes Risikobewusstsein

Knapp ein Drittel der Haushalte in Deutschland hat eine sogenannte Elementarschadenversicherung abgeschlossen, die Hochwasserschäden übernimmt – mehr als zwei Drittel aber nicht: Sind das diejenigen, die an den Flussläufen wohnen?
O. Hauner: "Nein, ganz gewiss nicht. An den Flussläufen wohnt nur ein geringer Anteil. Der größte Teil der Versicherungsnehmer hat für sich, glaube ich, das Risiko noch nicht erkannt. Wenn Sie die Medien verfolgen, ist der häufigste Satz, der gerade genannt wird: 'Also, so etwas wie 2002, dass das noch mal wiederkommt, das konnte ich mir gar nicht vorstellen.' Aber das ist genau das Problem: Die Leute glauben einfach nicht, dass diese Schäden eintreten, und es ist einfach mangelndes Risikobewusstsein, was man hier hat. Wie gesagt: Wir bieten Verischerungsschutz in der Fläche an."

Versicherungsschutz verweigern ist nicht Sinn und Zweck einer Assekuranz

Viele Deutsche stellen sich gerade die Frage: Was ist seit der letzten, der sogenannten Jahrhundertflut 2002, eigentlich geschehen? Herr Hauner, wenn man sich die Fernsehbilder jetzt gerade anschaut: Ist die Zeit stehengeblieben, oder wie ist Ihre Meinung?
O. Hauner: "Die Zeit ist nicht stehengeblieben, sowohl auf der Versichererseite, als auch, sagen wir mal auf der Seite der Öffentlichen Hand. Die Versicherer haben beispielsweise ihre Informationssysteme über Naturgefahren deutlich erweitert, sehr viele Möglichkeiten geschaffen, Risiken besser einzuschätzen, um damit einfach auch Versicherungsschutz in der Breite anzubieten. Denn: Es ist nun mal Sinn einer Versicherungsgesellschaft, Versicherungsschutz anzubieten und gerade nicht, den Versicherungsschutz sozusagen zu verweigern. Das ist nicht Sinn und Zweck eines Geschäftsbetriebes. Die Frage letztendlich, was auf Seiten der Öffentlichen Hand passiert ist, die muss man an die entsprechenden staatlichen Stellen richten. Also wir haben schon wahrgenommen, dass auch massiv in den Hochwasserschutz investiert worden ist. Aber ob das alles in der richtigen Zeit, am richtigen Ort geschehen ist, das vermag ich nicht zu sagen."

Was läuft Ihrer Meinung nach noch nicht so rund? In welchen Bereichen gibt es Defizite?
O. Hauner: "Defizite gibt es auf jeden Fall im Bereich der Risikovorsorge und der Prävention. Hier ist bei jedem Einzelnen auch noch einmal der Blick ums eigene Haus notwendig. Es sollte auch weiter aufgeklärt werden – gerade über die Naturgefahren. Viele von uns haben eine Feuerversicherung. Feuer ist ja eine Urangst, die uns schon von Kindesbeinen an beigebracht wurde. Aber Angst vor Wasser: Wer hat da schon das entsprechende Feeling, dass das Wasser auch gefährlich sein kann? Wie die bedauerlichen Todesfälle der vergangenen Tage aber zeigen, ist das ein Gefahr, die meistens unterschätzt wird." 

Klassischerweise nur die Gefahren 'Feuer', 'Leitungswasser' und 'Sturm' versichert

Wie können Mieter und Hausbesitzer eigentlich erfahren, ob sie gefährdet sind und beziehungsweise, ob sie dort, wo sie wohnen, Versicherungsschutz bekommen?
O. Hauner: "Zunächst einmal kam man natürlich ganz einfach bei seinem Versicherer nachfragen und dort bitten, eine Risikoeinschätzung zu bekommen. Darüber hinaus kann man sich selbstverständlich auch zum Beispiel an die Wasserbehörden wenden und dort Informationen über die lokale Gefährdung bekommen."

Was sollten Hausbesitzer konkret unternehmen?
O. Hauner: "Hausbesitzer sollten ganz konkret prüfen, ob sie in ihrer bestehenden Versicherungspolice die sogenannten Elementargefahren eingeschlossen haben. Viele Verträge haben klassischerweise nur die Gefahren 'Feuer', 'Leitungswasser' und 'Sturm' enthalten. Gefahren wir beispiesweise 'Starkregen' oder 'Schneedruck' müssen extra abgeschlossen werden. Das ist zu prüfen. Wenn man sieht, dass man hier eine Lücke hat, bitte mit dem Versicherer in Verbindung setzen."

Öffentliches Gefahrendatensystem "ZÜRS public" stark frequentiert

Die Versicherer besitzen ein Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen, auch kurz ZÜRS genannt. Damit können die Versicherer erkennen, welche Regionen in Deutschland hochwassergefährdet sind. Können darauf auch Hausbesitzer zugreifen?
O. Hauner: "Wir haben ein öffentliches Informationssystem eingerichtet, das sich ZÜRS public nennt, es ist unter www.zuers-public.de erreichbar. Dort haben wir bis jetzt Gefahrendaten für die Länder Sachsen und Niedersachsen hinterlegt. Zehntausende von Zugriffen in den letzten Tagen zeigen auch, wie notwendig ein solches System ist. Der weitere Ausbau des Systems hängt davon ab, ob uns die Länder ihre Gefahrendaten für die entsprechenden Regionen zur Verfügung stellen." (wkp/lk)

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