Mit ihrer klaren Ausrichtung in Sachen Kfz-Geschäft und mehr als zwölf Millionen Versicherungsverträgen dürfte die HUK-Coburg die Auswirkungen der Corona-Krise mit am deutlichsten zu spüren bekommen haben – sowohl, was das geänderte Mobilitätsverhalten der eigenen Kunden als auch temporär sinkende Unfallzahlen angeht: Während des ersten Lockdowns sanken die gesteuerten Schäden in der Spitze um mehr als 40 Prozent gegenüber der Vorjahreswoche. Dem trotz der Normalisierung des Straßenverkehrs ab Mai für das Gesamtjahr zu erwartenden Rückgang der Schadenaufwendungen stand jedoch auch Mehraufwand gegenüber. So bedeutete nicht nur die Umstellung der eigenen Mitarbeiter auf Homeoffice eine gewaltige Kraftanstrengung für den oberfränkischen Versicherungskonzern, um den gewohnten Servicelevel zu halten.
Auch an anderer Stelle waren Reaktionsschnelligkeit und Verantwortungsbewusstsein gefragt: Als einer der größten Schadensteuerer der Bundesrepublik mit einem Netz von mehr als 1.600 Partnerwerkstätten reagierte die HUK-Coburg früh und im Laufe des Sommers mehrfach mit Hilfsmaßnahmen auf die wirtschaftlichen Resultate der Pandemie. Trotzdem sah sich der Marktführer in Sachen Kfz-Versicherung einmal mehr kritischen Stimmen ausgesetzt. Thomas Geck, Leiter Schaden-/Prozessmanagement der HUK-Coburg, zog im Gespräch mit AUTOHAUS deshalb ein differenziertes Fazit für das Geschäftsjahr 2020 und die daraus resultierenden Herausforderungen für die künftige Abwicklung von Unfallschäden.
Mehrstufiges Hilfspaket
AH: Herr Geck, als eine der ersten Kfz-Versicherungen haben Sie bereits Ende März Sofortunterstützung für Ihre Partnerwerkstätten geleistet. Wie bewerten Sie den Erfolg dieser Maßnahmen?
T. Geck: Es war unser Ziel, die Reparaturbetriebe zu unterstützen, noch bevor die staatlichen Hilfen spürbar bei ihnen ankommen. In Rücksprache mit unseren Kooperationspartnern, den Verbänden und unserem Werkstattbeirat gab es eine Unterstützungspauschale für Mehraufwand in Höhe von 45 Euro. Bestand der Kunde auf einer Abholung seines Fahrzeuges, wurde ein Hol- und Bringservice außerhalb des sonst üblichen Radius von 15 Kilometern organisiert und bezahlt. Bis Mitte Juni wurde eine Transportkostenpauschale von 9,50 Euro gezahlt, um die erhöhten Kosten zu decken. Zusätzlich haben wir das Kostenrisiko für Ersatzfahrzeuge im Falle von Reparaturverzögerungen übernommen. Glücklicherweise ist der zu Beginn der Pandemie prophezeite Engpass in der Ersatzteilversorgung nicht im anfangs befürchteten Ausmaß entstanden. Um die Partnerwerkstätten liquide zu halten, hat die HUK-Coburg nach Eingang eines Kostenvoranschlags einen Vorschuss in Höhe von 50 Prozent des Reparaturaufwands gewährt – von Mitte März bis Mitte Juli summierte sich dieser Betrag auf 36 Millionen Euro.Von Werkstattseite wurde diese Unterstützung auch durchaus wahrgenommen und gelobt.
Steuerungsquoten schnell normalisiert
Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Kritik aus dem Markt in Sachen Nichteinhaltung des vereinbarten Steuerungsvolumens und die Forderung nach einer erneuten Übernahme der Corona-bezogenen Mehraufwände im Herbst?
T. Geck: Aus meiner Sicht greift sie in mehrfacher Hinsicht zu kurz. Klar ist, wenn in den Verträgen Volumenabsprachen getroffen sind und wir unseren Teil der Abmachung nicht erfüllen können, dann halten wir uns an die vereinbarten Vorgaben. Man sollte aber nicht vergessen, dass wir uns mit allen Kräften gegen die Folgen der Pandemie gestemmt haben. So wurden Schadenakten nach noch nicht reparierten Schäden – zum Beispiel Überhängen aus den Hagelstürmen des Jahres 2019 – durchforstet, im Grenzbereich zum wirtschaftlichen Totalschaden konnten wir die Reparaturquote deutlich steigern. Die Quote der vermittelten Schäden haben wir – wenn auch bei rückläufiger Schadenhäufigkeit – sogar leicht übertroffen. Dies wurde offensichtlich nicht überall registriert oder honoriert. Ich möchte an dieser Stelle aber ausdrücklich betonen, dass die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern und Verbänden in 2020 außergewöhnlich intensiv, vor allem aber konstruktiv verlaufen ist. An solch intensive Gespräche in dieser Häufigkeit kann ich mich jedenfalls nicht aktiv erinnern. Genau das ist in einer Situation wie derzeit gefragt: Konstruktiver Dialog statt Konfrontation.
SVS-Diskussion zu einseitig
Was sprechen Sie damit im Einzelnen an, Herr Geck?
T. Geck: Die Diskussion um Stundenverrechnungssätze ist sicherlich wichtig und richtig, stellt aber nur eine Seite der Medaille dar. Auch auf diesem Gebiet haben wir ja ein klares Zeichen gesetzt: Die für 2021 geplante Preisrunde wurde um einige Monate vorgezogen und ab August über Nacht per Update umgesetzt. Da diese Anhebung permanent gilt und deutlich über dem mittleren Niveau der Vorjahre liegt, ist sie auch kein Nullsummenspiel. Unsere ohnehin schnellen Prozesse haben den Reparaturkostenvorschuss auch aus Sicht der Partnerwerkstätten schon bald wieder überflüssig gemacht. Die angesprochene Pauschale wurde ab August nicht mehr bezahlt, das ist richtig – den kulanten Umgang mit Ersatzwagen sowie Hol- und Bringdienst haben wir allerdings aufrechterhalten. Auf Basis der jüngst veröffentlichten IFL-Studie wird eine Fortzahlung des Corona-bedingten Desinfektionsaufwandes übrigens aktuell geprüft. Unser Ziel war und ist, auch nach der Krise ein leistungsstarkes Netz von Partnerwerkstätten zu haben. Dies hängt aber nicht nur von der Höhe des Stundenverrechnungssatzes ab, auch wenn man in der öffentlichen Diskussion diesen Eindruck manchmal bekommen könnte.
Welche Aspekte kommen Ihnen zu kurz?
T. Geck: Natürlich ist die Erhöhung um 3,50 Euro bei Karosserie- und 4,50 Euro bei Lackierarbeiten ein wichtiges Signal an die Reparaturbetriebe. Entscheidend ist aber auch, das sich dadurch ergebende wirtschaftliche Potenzial voll auszuschöpfen. Lassen Sie mich ein Beispiel anführen: Die bereits angesprochene Corona-Pauschale in Höhe von 45 Euro hätten wir in 100 Prozent der Fälle ausbezahlt. Sie wurde aber längst nicht von allen Instandsetzungsbetrieben auch abgerufen, obwohl jeder Unternehmer eine entsprechende Benachrichtigung über unser Werkstattportal bekommen hat. Auf diesem Gebiet muss aus meiner Sicht ein Umdenken stattfinden, um nicht nur die immer gleichen Diskussionen um den letzten Euro zu führen. Die HUK-Coburg bietet ihren Partnerwerkstätten ein ebenso umfangreiches wie attraktives Gesamtpaket an, das eine wirtschaftliche Zusammenarbeit für beide Seiten ermöglicht. Anderenfalls hätten wir nicht viele Betriebe seit 20 Jahren in unserem Netzwerk!
Prozess-Pioniere
Welche Unterstützung bekommen die Partnerwerkstätten aus Coburg, damit dies auch so bleibt?
T. Geck: Wir haben bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass wir in Sachen Prozessgestaltung, Schulung und Werkstattausrüstung frühzeitig die Initiative ergreifen. Denken Sie an die Einführung der Multibrand-Testgeräte inklusive entsprechender Lehrgänge 2016. Heute dürfte die gesamte Branche darin übereinstimmen, dass diese Maßnahme rechtzeitig und wichtig war. In der Krise hat sich gezeigt, dass gestandene Betriebe mit einer gewissen Flexibilität die Herausforderungen gut meistern konnten. Probleme bekamen die Unternehmer, die kurz nach großen Investitionen mit einem signifikanten Auftragsrückgang zu kämpfen hatten. Hier ist innerhalb eines Partnernetzwerks künftig eine intelligente Auslastungssteuerung gefragt, um solche Betriebe gezielt zu unterstützen. Die notwendigen Hilfsmittel haben wir dank der Digitalisierung an der Hand – nur müssen sie auch konsequent genutzt werden. Künftig wird es eine Selbstverständichkeit werden, Aufträge mit speziellen Anforderungen in die entsprechend qualifizierten Betriebe zu steuern, wenn ich an Stichworte wie E-Mobilität oder Brennstoffzellentechnik denke. Es muss nicht jede Werkstatt alles können, aber das Netz als Ganzes muss leistungsfähig sein. Innerbetrieblich wird die übergeordnete Herausforderung darin bestehen, die eigenen Prozesse zu optimieren und seine Kapazitäten bestmöglich zu nutzen.
Mehr Produktivität
Wo sehen Sie auf diesem Gebiet noch Potenzial?
T. Geck: Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse unserer Kunden. Die Erwartungen sind hoch und wir werden an Unternehmen wie Amazon gemessen, was die Terminbuchung für Schadenerstaufnahmen oder automatisierte Bestätigungen per Smartphone angeht. Um solche Services leisten zu können, brauchen wir webbasierte Systeme, die in Echtzeit synchronisiert werden. Die Entwicklungen rund um Corona haben der Digitalisierung sicherlich noch mal Schub verliehen, daran arbeiten wir gemeinsam. Unser Ziel ist dabei ein volldigitalisierter Prozess ohne Brüche vom eigentlichen Unfall bis zur Übergabe des reparierten Fahrzeuges. Hier lässt sich noch einiges verbessern: Wenn wir von einer Online-Terminvereinbarung sprechen, meine ich keinen Webkalender mit einigen Dummy-Slots. Erfolgt die Beauftragung der Werkstatt elektronisch, darf sie im Nachgang keine Zeit durch mehrere Telefonanrufe beim Versicherungsnehmer verlieren. Gerade diese administrativen Aufgaben, die Mehraufwände, die berechtigterweise immer wieder kritisiert werden, gilt es durch durchgängige digitale Abläufe zu ersetzen. Nur so kommt die Entlastung am Ende auch dort an, wo sie eingefordert wird, bei den Mitarbeitern der Werkstatt.
Mit Ihrem Kooperationspartner Gudat führen Sie aktuell ein solches System im Markt ein. Wie ist der Stand der Dinge?
T. Geck: Wir stehen kurz vor Abschluss der Pilotphase und sind in enger Absprache mit den Pilotwerkstätten, was Funktionalitäten und Schnittstellen betrifft. Das Digitale Autohaus bietet eine offene Plattform mit einer Vielzahl von Möglichkeiten, die eine echte Arbeitserleichterung für die Partnerwerkstätten darstellen. Weder wollen wir über dieses elektronische Hilfsmittel Daten sammeln oder Einblick in die Unternehmenskennzahlen nehmen, noch andere Programme oder Systemanbieter ausgrenzen. Ganz im Gegenteil soll unsere Plattform auch anderen Schadensteuerern und Auftraggebern offen stehen, um die Vorteile der Digitalisierung aus Sicht der Werkstätten wirklich nutzen zu können. Sie muss dann nämlich nicht mehr für verschiedene Auftraggeber mehrere Plattformen parallel betreiben. Dies verbessert einerseits die Transparenz der aktuellen Leistungsfähigkeit der Betriebe, um Kapazitäten wie bereits angesprochen optimal steuern zu können. Werkstattintern geht es um automatisierte Prozesse, etwa bei einer Reparaturverzögerung: Das Digitale Autohaus ist in der Lage, Ersatzwagen umzudisponieren, Monteure anders zu verplanen und den Kunden zu informieren, ohne dass die Werkstatt administrativ aktiv werden muss und Zeit verliert. Solche Prozessverbesserungen schaffen Freikapazitäten und optimieren die eigene Produktivität, eine echte Chance für jeden, mehr Stunden zu verkaufen. Grundvoraussetzung ist aber auch hier die Akzeptanz im Markt, weswegen das Thema einen Schwerpunkt der anstehenden Jahresgespräche darstellen wird – es gilt, unberechtigte Berührungsängste beim Thema IT abzubauen.
Herr Geck, vielen Dank für das Gespräch. (kt)