Man mag es kaum glauben: Mehr als 5 Monate, nachdem ein Prüfingenieur der Mini-Überwachungsorganisation GTS (Gesellschaft für Technische Sicherheitsprüfungen mbH & Co. KG, Karlsruhe) bei der Zuteilung frischer HU-Plaketten an nachweislich verkehrsunsichere Fahrzeuge zusammen mit 100.000 Euro bei sich geführtem Bargeld aus seiner "Prüftätigkeit" erwischt und inhaftiert wurde, gab die "Technische Leitung" der GTS (das ist in Person der im deutschen Prüfwesen bestens bekannte Dr. Paul Philipps) am vergangenen Freitag, dem 7. September 2012, eine erste "Pressemitteilung" heraus.
GTS sieht sich selbst als "Opfer" des gesamten Skandals
Unklar geblieben ist allerdings, an wen diese vermeintlich offizielle Erklärung de facto gegangen ist, da sie beispielsweise AUTOHAUS nicht durch die GTS, sondern über andere Informationskanäle zugespielt wurde. Unbenommen davon hat es die Meldung in sich, sprich, sie enthält neuen Sprengstoff und versucht aufzuzeigen, dass die GTS selbst sich nichts zu schulden hat kommen lassen und eigentlich eher ein unfreiwilliges "Opfer" in dem von ihr ausgelösten Skandal ist!
Kein einziges Wort des Bedauerns
Obwohl zwischenzeitlich alle großen Tagesmedien Baden-Württembergs und auch bundesweite Nachrichtendienste im Anschluss an die offensive und investigative Berichterstattung von AUTOHAUS diesen "in seiner Dimension wohl einmaligen Skandal" (Stuttgarter Nachrichten v. 30. August 2012) ebenfalls aufgegriffen und unzählige weitere Details mit eingebracht haben, obwohl der 58-jährige GTS-Prüfer S. aus Reutlingen eindeutig überführt ist und Staatsanwaltschaft Stuttgart, Kripo Esslingen sowie das baden-württembergische Verkehrsministerium weiter ermitteln, obwohl der TÜV SÜD als Technische Prüfstelle des Landes derzeit 8.500 von der GTS geprüfte Fahrzeuge nachuntersucht und sich auch der ADAC mit eingeschaltet hat, enthält die Pressemitteilung der "Technischen Leitung" kein einziges Wort des Bedauerns.
Philipps-Drohungen haben anscheinend System
Im Gegenteil: Dr. Philipps holt gleich noch zum Frontalangriff gegen Kripo, Verkehrsministerium sowie die weiter "beteiligten Polizei- und Verwaltungsbehörden" aus! "Das hat er vom Grundsatz schon immer so gemacht", sagten gegenüber der AUTOHAUS-Schaden§manager-Redaktion in dieser Woche übereinstimmend die Verantwortlichen aller übrigen Prüforganisationen, die nach eigenem Bekenntnis in den zurückliegenden 20 Jahren "eigene und nachhaltige Erfahrungen" mit der GTS und Dr. Paul Philipps gemacht haben. "Immer, wenn es für ihn eng wurde, hat er Strafanzeigen angedroht oder direkt gestellt, um andere einzuschüchtern (...) und hat sich auf diese Weise irgendwie im Markt gehalten", hieß es hierzu von seinen langjährigen Kennern und teilweise auch ehemaligen Vorgesetzten bei anderen Organisationen, in denen er vor seiner GTS-Zeit beschäftigt war.
Haupt-Gegenvorwurf heißt "pflichtwidrige Unterlassung"
Der Hauptvorwurf in der GTS-Pressemitteilung vom 7. September, in der Bernhard Jaksch und Marianne Philipps als Geschäftsführer der GTS klein im Seitenabspann mit ausgewiesen werden: "Pflichtwidrige Unterlassung" einer rechtzeitigen Information an die Zulassungsstellen und an die GTS zu den "nicht vorschriftskonformen Untersuchungen" und der Zuteilung von Prüfplaketten "in angeblich größerem Umfang".
Neben der 150-Euro-HU soll es auch eine 50-Euro-Dumpingvariante geben
Bemerkenswert: Die "Technische Leitung" spricht nur von einem einzigen, "angeblich" abtrünnigen Prüfer. Und das, obgleich seit Monaten von weiteren GTS-Prüfern über "150-Euro-HU-Bargeld-Blindprüfungen", aber auch von HU/AU-Dumpingpreis-Prüfungen für 50 Euro (Komplettpreis!) in Zusammenhang mit Fahrzeugen aus dem Bischöflichen Ordinariat Rottenburg berichtet wird. Auch die Namen dieser Prüfer mitsamt involvierter Werkstätten werden längst relativ offen in der Prüfbranche "gehandelt"!
"Hätte man uns rechtzeitig informiert..."
Tenor des Technischen Leiters Dr. Paul Philipps: Hätte die GTS von allem frühzeitig gewusst, wäre "eventuell sogar allen Fahrzeughaltern (...) die Nachuntersuchung (...) erspart geblieben."
Dr. Philipps spricht von "eigenem QM-System"
Während der deutsche Prüfmarkt übereinstimmend aussagt, dass die GTS (HU-Marktanteil mit ca. 80.000 bis 85.000 Prüfungen im Jahr bei rund 0,5 Prozent) sich keiner freiwilligen Überwachung und Qualitätskontrolle unterzieht, beharrt die "Technische Leitung" der GTS in ihrer Meldung darauf, "sehr wohl ein eigenes Qualitätsmanagementsystem" zu unterhalten.
Endkampf gegen Exekutive und Legislative?
Kurzum: Die Mini-ÜO ist dabei, sich mit dieser Art ihres schon fast als "blindwütig" zu bezeichnenden Gegenaktionismus die letzten (vielleicht) noch vorhandenen "Pluspunkte" zu verspielen und endgültig auch Exekutive und Judikative gegen sich aufzubringen. Bei den Medien und den Kfz-Haltern hat die GTS inzwischen längst verspielt, wie den vielfältigen aktuellen Medienberichten vor allem aus Baden-Württemberg zu entnehmen ist.
Offensichtlich auch Zulassung in Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern
Der Skandal reicht bis in die Anfangsjahre der 1994 zunächst in Baden-Württemberg zugelassenen GTS zurück, wie in diesem Bundesland praktisch jeder Wettbewerber zu berichten weiß. Erst in dieser Woche wurde AUTOHAUS darüber informiert, dass die GTS in der jüngeren Vergangenheit auch weitere Zulassungen als Prüforganisation in Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern erhalten hat.
Fragen an die Aufsichtsbehörden werden kommen
Zwar sei die Mini-ÜO in diesen beiden Bundesländern lediglich mit einem bzw. höchstens drei Prüfern "relativ einsam" unterwegs. Die Fragen darüber allerdings, wie es "angesichts der weithin bekannten Vorgeschichte der GTS" zu den weiteren Zulassungen kommen konnte, werden bereits gestellt. Die Fragen werden künftig zweifelsfrei auch die zuständigen Aufsichtsbehörden erreichen.
Warum hat eigentlich Hessen "Nein" zur GTS gesagt?
Und nicht zuletzt wird zu klären sein, warum beispielsweise Dipl.-Ing. Andreas Fleischhauer, zuständiger "Kontrolleur" für allgemeine Verkehrsangelegenheiten im Regierungspräsidium Darmstadt, gerade eben keine Zulassungsgenehmigung für die GTS im Land Hessen erteilt hat.
Noch vor 18 Jahren soll Dr. Philipps den Prüfingenieuren einer anderen Überwachungsorganisation, die er zum Zwecke der GTS-Gründung verlassen hatte, versprochen haben, "in kürzester Zeit in allen Bundesländern eine Zulassung zu erhalten". Dazu soll es auch entsprechende schriftliche Info- und Akquise-Unterlagen geben, die der Redaktion von AUTOHAUS-Schaden§manager zur Übersendung bereits zugesagt wurden.
Missstände müssen aufgeklärt und abgestellt werden!
Mit Blick auf die verkehrsunsicheren bzw. mit schweren Mängeln behafteten und zu tausenden nicht aus dem Verkehr gezogenen Fahrzeuge sowie die sich daraus massenhaft potenzierte Gefahr für Leib und Leben auf den Straßen liegt es nunmehr unabdingbar an den Aufsichtsbehörden der Länder, an der Polizei und den Staatsanwaltschaften bzw. Richtern, diese Missstände ein für allemal abzustellen. Alles andere wäre genauso unverantwortlich und unentschuldbar wie das Verhalten der betreffenden GTS-Prüfer, die ihre Plaketten "blind" und gegen "Bares" massenhaft verteilt haben.
Wie wichtig deshalb Qualitätskontrollen in der technischen Überwachung sind, denen sich mit Ausnahme der GTS alle anderen Organisationen stellen, zeigt der über mehr als 15 Jahre andauernde Skandal um die GTS in bezeichnender Weise auf: Deren in der aktuellen Pressemitteilung behauptetes "eigenes QM-System" hat laut allen befragten Brancheninsidern nie funktioniert – oder sollte es möglicherweise auch gar nicht.
Jahrelang keine FSD-Abgaben entrichtet
Dass zudem an allen branchenweit üblichen Abgaben wie zum Beispiel der 1-Euro-Abführung pro HU an die FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH gespart wurde, wäre schon wieder ein weiteres Thema. Zwar sollen die GTS-Geschäftsführer Bernhard Jaksch und Marianne Philipps zusammen mit dem Technischen Leiter Dr. Paul Philipps inzwischen diese HU-Abgabe zur FSD nach Dresden tatsächlich entrichten, die Jahre zuvor habe man sich aber rund 80.000 bis 85.000 Euro (für die entsprechend gleiche Anzahl an HU-Prüfungen) jährlich gespart. Zum Vergleich dazu führte etwa die GTÜ 2,1 Millionen Euro bereits im ersten Halbjahr 2012 (für ihre entsprechend 2,1 Mio. HU-Prüfungen) an die FSD nach Dresden ab.
Überwachung und Kontrolle auch Thema beim 8. AUTOHAUS-Schadenforum
Die technische Fahrzeugüberwachung nach § 29 StVZO (HU) wird aus gegebenem Anlass auch eines der aktuellen Brandthemen auf dem 8. AUTOHAUS-Schadenforum sein, das am 29. und 30. Oktober 2012 mit rund 600 Teilnehmern und bis zu 60 Fachausstellern erneut der Top-Kongress des Jahres sein wird und wie immer im Hotel Dorint Sanssouci in Potsdam stattfindet.
(wkp)
Plakettenbetrug: "Opfer" GTS holt zum Keulenschlag gegen Kripo und Behörden aus
Mehr als 5 Monate, nachdem die Kripo mit dem 58-jährigen Prüfingenieur S. den ersten Skandal-Plakettenprüfer der GTS festgenommen hatte, gab die "Technische Leitung" der Karlsruher Prüforganisation vergangenen Freitag eine vierseitige "Pressemitteilung" heraus: Im Kern ist es eine Provokation gegen Polizei und staatliche Behörden.