Ein Reparaturbetrieb hat es heutzutage sehr schwer. Am Nervenkostüm zahreicher Werkstattbetreiber zupfen viele unliebsame Faktoren. So tragen zum Beispiel Diskussionen um Stundenverrechungssätze, Informationen zu den Reparaturvorgaben des Herstellers oder die Abrechnungspraxis mancher Assekuranzen nicht unbedingt dazu bei, zur Morgenstunde sorgenlos die Tore des Betriebs aufzusperren. Zudem sehen manche Branchenkenner eine neue Gefahr am Horizont aufziehen, die das Überleben vieler Reparaturbetriebe gefährdet: Werkstattketten. David Lingham, IBIS Conference Director und Director Orbis Worldwide, setzte sich genau mit diesem Thema auf dem 8. AUTOHAUS Schadenforum in Potsdam auseinander. Der Titel für das Referat "Werkstattketten auf dem weltweiten Vormarsch – warum?" machte bereits die künftige Entwicklung klar.
Zu viel Aufwand für Einzelkämpfer?
Lingham, dessen Blick auf die Szene international geprägt ist, listete zahlreiche Vorteile für ein Werkstattnetz auf. So gestalte sich ein zentraler Ansprechpartner in Sachen Service sowie für einheitliche IT-Systeme in Sachen Kompatibilität als zukunftsträchtig. Zudem sei die regelmäßige Messung durch deckungsgleiche Systeme der Kundenzufriedenheit sehr sinnvoll: "Einzelne Betriebe können sich solch einen Aufwand heutzutage gar nicht leisten." Aus Sicht der Versicherer bieten Netze ausreichende Kapazitäten und würden mit geringeren durchschnittlichen Reparaturkosten aufwarten. Zudem könnten durch zentrales Management und Services, beim Aufbau einer eigenen Marke und beim Marketing erhebliche Kosten eingespart werden.
Neue Geschäftsbereiche akquirieren
Ebenso vorteilhaft können Ketten im Gegensatz zu Einzelkämpfern durch bessere Beziehungen zu Lieferanten oder bei der Personalbeschaffung Zeit und Geld sparen.
Als negative Aspekte nennt Lingham mangelnde Flexibilität, ungenügende Prozesse und die fehlende Koordinierung des Personals. Für freie Werkstätten sieht der internationale Schadenexperte nicht zwangsläufig schwarz, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Demnach müssten sie neue Geschäftsbereiche akquirieren, sich als Marke in ihrer Region etablieren und in jedem Bereich bereit sein, zuverlässig und auf hohem Niveau konstant zu arbeiten. Der Tenor bei Lingham war eindeutig, dass die Zukunft – auch in Europa – den Werkstattnetzen gehört.
Segmentierung des Schadens
Der Referent zeigte anhand verschiedener internationaler Werkstattketten auf, mit welch unterschiedlichen Modellen dort operiert wird. Auch machte Lingham auf Entwicklungen aufmerksam, die zumindest aufhorchen lassen müssen: Einerseits scheinen sich in den USA nunmehr Finanzinvestoren mit Werkstattnetzen zu beschäftigen. Andererseits steht die Segmentierung in der Abwicklung von Schadensfällen. Lingham berichtete von einer australischen Werkstatt, die sich nur auf Kleinschäden spezialisiert hat. Bei Capital S.M.A.R.T Repairs werden Instandsetzungen abgearbeitet, die lediglich bis zu acht Arbeitsstunden dauern. Das Unternehmen wickle so durchschnittlich pro Woche 150 Autos ab und zwar bei einer sensationellen Kundenzufriedenheit. Eine ähnliche Entwicklung sei auch im Bereich Schwerstschäden festzustellen. Ob sich dieses Modell auch in Deutschland durchsetzen wird, bleibe hingegen abzuwarten. (ses)
Werkstattketten: Spiel, Satz, Netz
Zusammenschlüsse von Werkstätten werden künftig den Markt dominieren. "Der freie Reparaturbetrieb wird es dagegen schwer haben", sagte IBIS-Direktor David Lingham auf dem 8. AUTOHAUS-Schadenforum in Potsdam.