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Tempolimit: Koalition steuert auf Streit zu

27.12.2019 12:14 Uhr
Tempolimit 130 TV
In der Koalition bahnt sich ein Streit ums Tempolimit an.
© Foto: picture alliance / Zoonar | DesignIt

Das Thema lässt die wenigsten kalt: Sollte es auf Autobahnen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 Kilometern pro Stunde geben? Die SPD meint: ja. Vom Verkehrsminister kommt eine Abfuhr - und von seinem Ministerium ein nicht ganz treffsicherer Tweet.

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In der großen Koalition zeichnet sich neuer Streit über eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen ab. "Ein Tempolimit auf unseren Autobahnen ist gut für den Klimaschutz, dient der Sicherheit und schont die Nerven der Autofahrer", sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. "Und deshalb werden wir darüber auch im neuen Jahr wieder sprechen." Außerhalb Deutschlands sei ein Tempolimit der Normalfall. "Nur die CSU macht noch so einen unbegreiflichen Bohei draus."

Zuvor hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer vor einer neuen Debatte in der großen Koalition über ein Tempolimit gewarnt. "Wir haben weit herausragendere Aufgaben, als dieses hoch emotionale Thema wieder und immer wieder ins Schaufenster zu stellen - für das es gar keine Mehrheiten gibt", sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe ein funktionierendes System der Richtgeschwindigkeit. Rund ein Drittel der Autobahnen habe schon Tempo-Beschränkungen. Die meisten Unfälle passierten auf Landstraßen.

Sein Ministerium schaltete sich auf Twitter mit einem Scheuer-Zitat ein, wonach der Verkehr in Deutschland "bestmöglich fließen" solle. Bei Lesern löste das reichlich Spott aus - denn das beigefügte Foto zeigte die Autobahnausfahrt im schweizerischen Thalwil. Auf Schweizer Autobahnen gilt indes ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern.

"Einfacher Beitrag zum Klimaschutz"

Der schleswig-holsteinische SPD-Fraktionschef Ralf Stegner appellierte an die CSU und Scheuer, "ihre bockige Blockadehaltung" aufzugeben. Der frühere Partei-Vize sagte dem 'Handelsblatt', dies wäre ein "kleiner, aber denkbar einfacher Beitrag zum Klimaschutz". Ein Tempolimit erhöhe zudem erheblich die Verkehrssicherheit und verbessere den Verkehrsfluss. "Ganz Europa und fast alle zivilisierten Staaten haben ein Tempolimit."

Die SPD hat eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 Kilometern pro Stunde als eines der Themen für zusätzliche Vorhaben genannt, über das sie nun mit der Union sprechen will. Scheuer hatte betont: "Der Bundestag hat vor ein paar Wochen abgestimmt und ein Tempolimit mit überwältigender Mehrheit abgelehnt." Er fügte hinzu: "Wir sollten intelligent steuern. Es geht um bessere Verkehrsbeeinflussung und Verkehrslenkung durch digitale Systeme." Damit könne man den Verkehr an neuralgischen Stellen punktgenau steuern. "Es ist ein Unterschied, ob nachts die Strecke frei ist oder man am Freitagnachmittag kurz vor Weihnachten auf einem hoch belasteten Abschnitt fährt."

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Thomas Bareiß (CDU), wandte sich ebenfalls gegen ein Tempolimit. "Ich sehe weder den fachlichen noch den politischen Sinn dieser Debatte", sagte er dem 'Handelsblatt'. "Deshalb ist das generelle Tempolimit mit CDU und CSU auch nicht zu machen."

"CO2-Limit statt Tempolimit"

Unterstützung bekam der Verkehrsminister von FDP-Chef Christian Lindner. "Ich bin gegen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen", sagte er der dpa. "Verbote sollten nur da ausgesprochen werden, wo sie auch tatsächlich gebraucht werden." Dort, wo es in Deutschland die Verkehrssicherheit erfordere, würden schon heute Geschwindigkeitsbeschränkungen verhängt. "Der Beitrag eines generellen Tempolimits zur globalen CO2-Einsparung wäre zudem marginal", sagte Lindner. "Statt eines Tempolimits brauchen wir ein CO2-Limit für Deutschland. Das würde dazu führen, dass Wasserstoff oder andere klimafreundliche Treibstoffe in Zukunft Benzin und Diesel ersetzen können."

Die Koalition hatte im Zuge der Klimaschutz-Beratungen bereits über ein Tempolimit diskutiert, die Union erteilte dem aber eine Absage. Erst im Oktober scheiterten die Grünen im Bundestag mit einem Vorstoß zur Einführung von Tempo 130. Dafür positionierten sich 126 Abgeordnete, dagegen 498, sieben enthielten sich. Auch die meisten SPD-Abgeordneten stimmten dagegen, wie es in Koalitionen bei Oppositionsanträgen allerdings üblich ist. SPD-Politiker machten aber damals schon deutlich, dass das Thema im neuen Jahr wieder auf die Agenda soll.

VDA gegen generelles Tempolimit

Der Autoverband VDA lehnt ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ab. "Es hilft weder der Umwelt, der Sicherheit noch dem Autofahrer, diese Symboldebatte immer wieder neu zu aktivieren", sagte VDA-Präsident Bernhard Mattes am Freitag. Ein erheblicher Teil der Autobahnen umfasse bereits heute Tempobeschränkungen. Zudem seien deutsche Autobahnen die sichersten Straßen. "Starre Vorgaben werden vom Bürger nicht wirklich akzeptiert", betonte Mattes. "Intelligente, flexible, je nach Wetter-, Witterungs- und Verkehrsbedingungen ausgestaltete Verkehrsleitmaßnahmen jedoch durchaus."

Auch klimapolitisch bringe ein starres Tempolimit auf Autobahnen so gut wie nichts. "Wir reden hier über eine CO2-Einsparung im Straßenverkehr von 1,5 Prozent. Wenn wir Klimaschutz wirklich ernst nehmen, muss Deutschland jetzt vor allem rasch und flächendeckend die Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität ausbauen."

70 Prozent der Autobahnen ohne Tempolimit

Auf dem Großteil der Autobahnen gilt nach wie vor freie Fahrt. Ohne Tempolimit sind 70 Prozent des Netzes. Dauerhaft oder zeitweise geltende Beschränkungen mit Schildern gibt es auf 20,8 Prozent des Netzes, wie aktuelle Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen für 2015 zeigen - am häufigsten sind Tempo 120 (7,8 Prozent) und Tempo 100 (5,6 Prozent). Dazu kommen variable Verkehrslenkungsanzeigen.

Unabhängig davon gilt seit mehr als 40 Jahren eine empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130. Schaut man sich eine EU-Karte an, ist Deutschland ein "weißer Fleck" - überall sonst gibt es nach einer Übersicht des Autofahrerclubs ADAC Tempo-Beschränkungen. (dpa)

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KOMMENTARE


Nostradamus

27.12.2019 - 22:55 Uhr

Anstatt sich mit gründlichen Problemen der Zivilisation zu beschäftigen, unsere Politiker bewegen sich immer am Rande des Problems und machen ein Fehler nach dem anderen. Und so weiter bis die Eisbären aussterben! Und wir auch. Schluss mit „Politismus“ (Begriff der bedeutet viel zu reden und nix zu tun) und mit „Verbotskreativität“ - liebe Gott, wir brauchen die Lösungen! Konkret zu Thema: Das Tempolimit nimmt uns viel und bringt uns fast gar nichts, mit CO2 neutrale Energie absolut nichts! Die richtige Aktion, die mehr als 50% CO2 Reduzierung in Straßenverkehr in einmal bringen kann, wird der Güterverkehr von den Straßen auf die Schienen zu bringen. Die Effizienz der Eisenbahn ist unschlagbar, spricht, Energieverbrauch pro eine Tonne und ein Kilometer. Die Lkw-s werden dann nur für die letzten 100 km benutzt und dann macht Sinn sie zu elektrifizieren. Das wird technisch und finanziell eine gewaltige Aktion, die bringt uns aber eine überlebenswichtige nachhaltige Lösung.


Rudi

30.12.2019 - 14:03 Uhr

Durch die geplante sogenannte CO2-Steuer wird Kraftstoff doch demnächst sowieso extrem im Preis steigen. Das dürfte für sehr viele schon ausreichend sein, freiwillig das Tempo zu drosseln. Es muss nicht immer mit Verboten gearbeitet werden. Dann noch die Strafen für Drängeln, rechts überholen und Mittel-/Linke Spur-Blockierer drastisch erhöhen (und natürlich auch entsprechende Kontrollen verstärken) und der Verkehrsfluss wird sich erhöhen.Und liebe Saskia Esken: Wenn es Ihre Nerven schont, wenn andere Autofahrer nicht so schnell fahren, dann fahren Sie doch einfach auf der Landstraße. Wer als langsam Fahrender auf der Autobahn umsichtig unterwegs ist, der hat auch keinen Stress durch schnell fahrende.Im Übrigen: Diejenigen Schnellfahrer, die wirklich gefährlich unterwegs sind, werden sich nicht durch ein Tempolimit aufhalten lassen. Raser, also Fahrer, die mit unangepasst hoher Geschwindigkeit unterwegs sind, gab es immer und wird es leider auch immer geben.


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