Motul: "Ein Boost für unsere digitale Roadmap"

AH: Herr Bolch, wie hat Motul die Corona-Krise überstanden? A. Bolch: Natürlich sind wir genauso wie viele andere Unternehmen zu Beginn der Pandemie im März 2020 unsicher gewesen, was auf uns zukommen wird. Zum einem im privaten Umfeld und zum anderen aus wirtschaftlicher Sicht für Motul. Im April letzten Jahres hatten wir teilweise in erster Vorsicht Kurzarbeit angemeldet, die Gehälter für alle Mitarbeiter aufgestockt, aber sehr schnell erkannt, dass der Markt die Präsenz unserer Außendienstmitarbeiter benötigt. Betrachtet man die ersten sechs Monate in 2021, die nicht nur durch Covid-19 jedem Unternehmen und seinen Mitarbeitern viel Flexibilität abverlangt haben, wird dieses Jahr durch die sehr eingeschränkte Rohstoffversorgung noch extremer geprägt. Diese zieht Mangel in allen Bereichen nach sich - ob Rohöl, Additive, Kunststoffe, Holz oder Warenverkehr und Logistikkapazitäten. Das hat die Lieferperformance in Deutschland sowie in von uns betreuten Ländern wie Polen, England, Rumänien beeinflusst. Ich kann die Enttäuschung von Kunden sehr gut verstehen, die des Öfteren vertröstet werden mussten. Grundsätzlich hat sich in beiden Jahren 2020 und 2021 das Wachstum für Motul über unsere Erwartung entwickelt und liegt in den unterschiedlichsten Ländern zwischen zehn und 30 Prozent; wir haben eine grundsolide Basis. AH: Welche Weichen hat man in Richtung Zukunft während der Lockdowns gestellt? A. Bolch: Eine sehr interessante Frage, denn die unterschiedlichen Lockdowns haben uns gar nicht so viel Zeit gelassen, durchzuatmen, im Gegenteil ... Gerade im Freizeitbereich, insbesondere Motorrad, hat man einen ganz anderen Trend verspürt, dort ist die Nachfrage für Schmierstoffe und Pflegeartikel explodiert. Man darf jedoch sagen, dass diese Zeit für uns bei Motul ein Boost für unsere digitale Roadmap war. Wir haben an neuen Konzepten für unsere Kunden gearbeitet, um deren Margen zu sichern. Glauben Sie uns, der Kontakt zu unseren Kunden ist das Wichtigste und die beste Inspiration, die man bekommen kann. Das kann kein Online-Meeting ersetzen, auch wenn diese nicht mehr aus unserer täglichen Arbeitswelt wegzudenken sind. Schmierstoffgeschäft AH: Wie hat sich speziell das Schmierstoffgeschäft entwickelt? A. Bolch: Ich hatte bereits erwähnt, dass die Jahre 2020 und 2021 sehr erfolgreiche Jahre für Motul waren, und ich bin sicher, dass dieser Trend weiter anhält. Warum? Das ist eigentlich sehr einfach: Wir wachsen gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern oder unsere Kunden und Partner wachsen gemeinsam mit uns. Das Pkw-Werkstatt-Aftermarket-Geschäft hat deutlich zugenommen, ebenso die Industrie-Sparte. Wenn du Marktführer im Zweiradbereich bist, wie Motul es ist, liegt die Latte hoch, genauso wie die Erwartungen, egal ob bei der technischen Betreuung oder der Qualität der Hochleistungsschmierstoffe. Genau dort finden sich sehr große Unterschiede. Hier ist es durchaus spannend zu sehen, welche neuen Lieferanten in dieses Segment gehen und auch mit welchen Versprechungen und Aussagen. Moderne Produkte derselben Kategorie unterscheiden sich heutzutage durchaus sehr stark in der Technik, im Aufbau der Produkte und damit auch in der Performance und den Einsatzmöglichkeiten. AH: Wo sehen Sie hier noch Potenzial für Autohaus und Werkstatt? A. Bolch: Schmierstoffe sind eine wichtige Ertragssäule und werden es noch lange bleiben, das gilt für das Autohaus genauso wie die Werkstatt. Früher hat man es sich manchmal etwas einfach gemacht, da war der Fokus auf Motorenöle. Heute ist das etwas anders: Wichtig ist die Diversifizierung bei den Produkten. Eine deutlich größere Bedeutung haben weitere Produkte - nicht nur Schmierstoffe wie zum Beispiel Getriebeöle, Fette oder Bremsflüssigkeit, sondern auch Pflegeprodukte oder Additive. Klar gibt es die Klassiker Nachfüllöl sowie Beratungen, dabei wird es aber nicht bleiben. In der Zukunft wird es Dienstleistungen und Aktivitäten rund ums Öl für den Aftermarket geben, die weitläufiger angesiedelt sind. E-Mobilität und Classic Cars AH: Wie passen Schmierstoff und E-Mobilität zusammen? A. Bolch: Beides bewegt Menschen und bildet eine Einheit. Hybridöle haben in unserer Produktrange einen festen Platz, und die Nachfrage aus dem Markt wächst. E-Mobilität wird uns in vielen Teilen des täglichen Lebens herausfordern, umzudenken und neue Lösungen und Konzepte zu entwickeln. Dabei wird es sicherlich große Unterschiede in der regionalen Betrachtung geben, nicht nur in der Welt, sondern auch bei uns in Europa und Deutschland. Das Gleiche gilt auch für die Schmierstoffe oder Fette, an die völlig neue technische Anforderungen gestellt werden, zum Beispiel bei den Temperaturen oder elektronischen Spannungen. AH: Welche Bedeutung hat das Thema Youngtimer für Motul? A. Bolch: Der Klassik-Markt ist generell ein sehr wichtiger Markt für Motul, und der Bereich Youngtimer hat einen erheblichen Anteil daran. Wir sehen, dass sich dieses Segment noch weiter positiv im Markt entwickeln wird. Es ist ja etwas Schönes, die bezahlbare Möglichkeit zu haben, seine eigenen Kindheitsträume wahr werden zu lassen. AH: Warum soll man sich in der Werkstatt genau darauf konzentrieren? A. Bolch: Nun ja, klassische Fahrzeuge sind oft Spekulationsobjekte und von Seltenheit geprägt. Das Interesse der breiten Masse geht zunehmend auf die Youngtimer der Mainstream-Baureihen zu, mit steigender Nachfrage und Angebot, bezahlbar und millionenfach vorhanden. Autopflege AH: Welche Rolle spielt das Thema Pflegeprodukte? A. Bolch: Eine immer wichtigere. Um rund um das Auto die bestmöglichen Produkte anzubieten, haben wir dieses Jahr unsere Produktpalette um eine vollständige Autopflegeserie erweitert. Wir haben bekanntermaßen eine sehr starke Motorradpflegeserie, da lag dieser Schritt nahe. Hiermit ermöglichen wir nicht nur gute Zusatzerlöse für unsere Kunden und Partner im täglichen Werkstattgeschäft, sondern generieren auch noch mehr Markenbindung beim Endverbraucher. AH: Kann man mit Additiven (noch) Geld verdienen? A. Bolch: Absolut. Additive sind effektive und werkstattunabhängige Wellness-Kuren für das eigene Fahrzeug. Durch die Erweiterung unserer Additiv-Linie um Produkte, die konkret für den Verkauf an Endverbraucher konzipiert sind, hat vor allem die freie Werkstatt großes Potenzial für zusätzlichen Umsatz beim regulären Service. Im Fokus stehen bei unseren Additiven die gesteigerte Motorperformance und die Langlebigkeit des Motors - mit diesen Argumenten kann auch die Werkstatt überzeugen. Dabei denken wir konsequent auch an die Veränderungen in der Mobilität und haben etwa eine sogenannte E-Fuel-Systempflege für die besonderen Ansprüche bei Hybridfahrzeugen entwickelt. AH: In welcher Form unterstützen Sie Ihre Kunden im täglichen Geschäft? A. Bolch: Wir sind stets Pionier, wenn es um innovative Konzeptlösungen für die Werkstatt geht. So waren wir die Ersten, die mit MotulEvo einen 360-Grad-Automatikgetriebespülservice angeboten haben - angefangen vom Training über eine dynamische Datenbank bis hin zum Spülgerät. Auch das MotulInject System ist eine klare Win-win-Situation für Verbraucher und Werkstätten. Es sorgt für eine verlängerte Lebensdauer des Motors und eine bessere Leistung. Die Kfz-Betriebe profitieren dabei von einer einfachen und schnellen Anwendung sowie einem erweiterten Service, den sie zusätzlich zum Ölwechseln anbieten können. Das sorgt für eine stärkere Kundenbindung. Motul bietet seinen Partnern darüber hinaus ein attraktives Finanzierungskonzept für das System. Mit unserem Konzept "Das Grüne Dach" übernehmen und koordinieren wir für unsere Kunden die komplette Umweltberatung und Entsorgung - und neuerdings auch den Baustein Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. Dies spart dem Kunden viel Zeit und Nerven, bei sehr bürokratischen Themen. Als innovativen Baustein des "Grünen Dachs" bieten wir ab sofort unsere nachhaltige Teilereinigerlösung Motul BioClean an. Unsere Kunden profitieren von unser inhaltlichen Beratung nicht nur beim "Grünen Dach", sondern auch vom Know-how unserer technischen Experten, die unsere Kunden rund um unsere Hochleistungsschmierstoffe unterstützen. Durch gezielte Sponsoring-Maßnahmen, auch abseits der Rennstrecke, möchten wir neue Zielgruppen ansprechen, um die neuen Generationen in die Werkstätten zu bringen. Wir machen uns für das Thema Diversity stark und engagieren uns hier zum Beispiel im Fußball bei den VfL Wolfsburg-Frauen oder bei der Nachwuchsrennfahrerin Sophia Flörsch. Gepaart mit Influencer-Marketing-Aktivitäten im Bereich Social Media steigert die daraus resultierende Werbewirkung am Ende nicht nur unsere Markenwahrnehmung, sondern auch die reale Nachfrage beim Kunden. Durch unsere enge Bindung zum Motorsport haben wir auch im Bereich Loyalitätsprogramm für unsere Kunden attraktive Angebote und exklusive Promotions. AH: Vielen Dank für das Gespräch!

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