Ausgabe 12/2007: von Thomas Seidenstücker

Fahrwerk / Wie kompliziert sind moderne Fahrwerke bei der Reparatur? Schenkt die Werkstatt der Fahrwerkanalyse genug Beachtung? Ein Gespräch mit Pierre-Henri Thollot, Trainer und Service-Beauftragter bei ZF-Trading.Spielschulevon Thomas SeidenstückerAls logische Erweiterung seines Konzepts OSS stellte ZF Trading zur Automechanika im letzten Jahr in Frankfurt sein neues Detailkonzept Lemförder Plus vor. Vorrangiges Ziel von Lemförder Plus ist die Stärkung der Werkstätten im Bereich Lenkung und Fahrwerk – vor allem in Hinblick auf die stetige Zunahme komplexer Fahrwerke im Automobilbau. Systempartner von Lemförder Plus erhalten hauptsächlich technisches Know-how in Form einer Hotline, Einbauanleitung und technischer Schulung sowie Marketingunterstützung mit umfangreichen Werbe- und Signalisationsmitteln. Vom Start weg erfreute sich das Konzept einer sehr hohen Marktakzeptanz. Aktuell gibt es schon ca. 1.300 Systempartner. Wie groß das Interesse der Werkstätten am Thema Fahrwerk ist, zeigen insbesondere die technischen Schulungen, die bei ZF Trading bis Jahresende komplett ausgebucht sind. Am Rande einer Fahrwerkschulung mit neuen Lemförder Plus-Partnern in Schweinfurt sprachen wir mit Trainer Pierre-Henri Thollot über Anforderungen und Fehler der Werkstätten bei der Fahrwerk- und Lenkungsreparatur. Hochsensible BauteileAH: Herr Thollot, wird dem Fahrwerk und der Lenkung eines Autos in der Werkstatt genug Aufmerksamkeit geschenkt?P. Thollot: Fahrwerks- und Lenkungsteile sind genau wie die Bremse des Autos sicherheitsrelevante Teile. Eine umfassende Prüfung dieser Teile ist deswegen bei jeder Inspektion erforderlich. Viele denken beim Thema Fahrsicherheit aber mehr an die Bremse. Hier sind Fachleute in den Werkstätten gefragt, die den Kunden regelmäßig auf die Bedeutung dieser hochsensiblen Bauteile und mögliche Gefahren hinweisen. AH: Herr Thollot, wo sehen Sie die größten Defizite der Werkstätten im Bereich Fahrwerk- und Lenkungsreparatur?P. Thollot: Die vielen unterschiedlichen Fahrwerkstypen vereinfachen nicht die Arbeit der Werkstätten. Letztendlich gibt es so viele Fahrwerke wie Fahrzeuge! Deshalb benötigen die Werkstätten dringend aktuelle technische Informationen für die einzelnen Fahrzeuge bzw. die Entwicklungsplattform. Das größte Problem besteht derzeit in den fehlenden technischen Informationen. AH: Was sind die häufigsten Fehler der Werkstatt bei der Fahrwerksreparatur?P. Thollot: Was unbedingt zu beachten ist: Um Verspannungen im Lager zu vermeiden, müssen alle Schrauben an den Fahrwerkteilen mit Gummimetalllagern in Leergewichtslage und mit dem richtigen Drehmoment angezogen werden. Anspruchsvollere ReparaturAH: Welche Fahrzeuge sind bei einer Fahrwerksreparatur am anspruchsvollsten?P. Thollot: Eine Einzelradaufhängung wie zum Beispiel eine Mehrlenkerachse besteht aus vielen Einzelkomponenten. Jedes Fahrwerkteil wie Führungslenker, Traglenker oder Pendelstütze hat eine genaue Funktion innerhalb dieses Fahrwerks. Ein gutes Verständnis der Funktionsweise moderner Radaufhängungen und damit des Zusammenwirkens der einzelnen Komponenten ist daher erforderlich, um potenzielle Schäden diagnostizieren und beheben zu können. Dank neuer Technologien ermöglichen die modernen Fahrwerke mehr Fahrkomfort und Fahrsicherheit. Die Reparatur dieser aufwändigen Konstruktionen und die genaue Achsvermessung sind allerdings auch anspruchsvoller geworden. Dies gilt letztendlich für alle neuen Fahrzeuge. AH: Sind komplexe Fahrwerke generell verschleißanfälliger?P. Thollot: Fahrwerkkomponenten stellen die Verbindung zwischen einer ungefederten Masse und dem Aufbau des Fahrzeugs dar. Dafür werden u. a. Gummilager und Gelenke verwendet. Trotz höchster Qualitätsstandards verschleißen sie irgendwann durch mechanische Beanspruchung und Witterungseinflüsse. Daher ist es sinnvoll, diese Komponenten regelmäßig einer Sichtprüfung zu unterziehen und bei jedem Federbein- und Dämpfertausch auch gleich die dazugehörigen Federbeinstützlager bzw. Dämpferlager zu wechseln. Fahrwerkteile sind deshalb immer auch Verschleißteile – unabhängig von der Komplexität des Fahrwerks insgesamt.AH: Sind moderne Fahrwerke nur noch mit Sonderwerkzeugen reparierbar?P. Thollot: Sonderwerkzeuge wie Auspresswerkzeuge sind für die Demontage der Gelenke definitiv erforderlich. Bei einigen Fahrzeugen werden auch Einstellwerkzeuge für die Montage eingesetzt, um einen Einbau ohne Verspannung gewährleisten zu können. Höhere BelastungenAH: Wie lässt sich ein Verschleiß des Fahrwerks am besten feststellen? Welches Equipment empfehlen Sie hier?P. Thollot: Die Dichtigkeit der Gummibälge an den Gelenken ist auf Abnutzung und Beschädigung zu überprüfen. Eintretendes Spritzwasser wäscht das Spezialfett aus, Schmutzpartikel gelangen ins Gelenk, zerstören die innere Kugelschale aus Kunststoff und beschädigen Kugelzapfen und Gelenkgehäuse. Nach der Sichtkontrolle sollte unbedingt auch eine Testfahrt stattfinden.AH: Empfehlen Sie als Lenkungs- und Fahrwerksspezialist die Umrüstung eines Fahrzeugs auf Breitreifen und Tieferlegung des Fahrwerks?P. Thollot: Nicht generell. Doch für sportlich orientierte Automobilisten und ambitionierte Sportfahrer bietet ZF Trading das Sachs Performance Programm an. Sachs Performance Sportstoßdämpfer mit erhöhter Dämpfkraft können sowohl in Verbindung mit den Serien- als auch mit Tieferlegungsfedern eingesetzt werden. Mit dem Sachs Performance Set ändert sich das Erscheinungsbild des Wagens in jedem Fall: Der Satz besteht aus Sportstoßdämpfern plus kürzeren Federn, die zu einer Tieferlegung der Karosserie um 30 bis 45 Millimeter führen. Damit wird der Fahrzeugschwerpunkt abgesenkt, was Fahrdynamik, Handling und Straßenlage verbessert. AH: Sind die Gelenke, Gummimetallteile, Lenker etc. auf die höheren Belastungen infolge Tieferlegung/Breitreifen ausgelegt?P. Thollot: Mit dem durch Breitreifen höheren Hebel treten höhere Kräfte an den Fahrwerkkomponenten auf. Ein erhöhter Verschleiß ist daher nicht auszuschließen. Bei der Umrüstungeines Fahrzeugs auf ein Sportfahrwerk und auf Breitreifen sollten daher auch Fahrwerk- und Lenkungskomponenten gewechselt werden, sonst können Verspannungen an der Lagerung auftreten. AH: Herr Thollot, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen!

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