HB ohne Filter vom 27. Juli 2007
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Heute mit den Themen: Lueg-Personalien, Zuliefererpolitik, ATU-Marketing, AutoNation
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23. Juli - Montag
Lueg-Strategische Deformation? Wer sich gegenwärtig die Geschichte des größten MB-Vertreters der Welt vor Augen hält, die Erfolgstradition von 140 Jahren unternehmerischem Wirken, die einst mit der Gründung als Kutschenfabrik im Jahre 1868 gelegt wurde, prägt über diese weite Strecke als Lueg-Synonym die Prädikate: Dauererfolg und Wachstum. Hermann Mallow, Bernhard Wirtz, Sir Günther Stöckert und als Familien- und Gesellschafter-Statthalter, der eben verstorbene Friedrich-Oskar Mahnert-Lueg waren die Herren, die Lueg die Nachkriegsprägung gaben und durch und durch für und hinter dem "Stern" standen.
Daimler und Lueg, eine Einheit! So kannte man das aus der Branchenszene. Und siehe: Es war einmal! Lueg vermarktete 2006 26.540 Neufahrzeuge, erzielte mit 1.800 Mitarbeitern an 32 Standorten (Ruhrgebiet, Sauerland, Westsachsen) 653 Mio. Euro Umsatz. Selbstredend, dass hier das Konzernkonglomerat neben MB die Marken Smart, Chrysler, Jeep und Dodge gehörten.
Ob nun die Lueg-Malaise in der strategischen Ausrichtung zum Mehrmarkenautohaus ab 2004 auszumachen ist? Oder am operativen Einmischen durch den gegenwärtigen Aufsichtsrat? Da kamen Marken wie Ferrari, Maserati, Volvo, Saab, Suzuki, Hyundai und ganz markant Opel hinzu. Als Lueg Ende 2003 mit acht Standorten das Opel-Traditionshaus van Eupen übernahm, schlug das in der Branche wie eine Bombe ein. Dipl.-Kfm. Alexander von Gizycki (56), der 1999 über BMW (!) als neuer Vorstandschef zu Lueg kam, zog neue, erfolgreiche Strukturen bei Lueg ein. favorisierte aber ab 2003 markant die Neuausrichtung von Lueg zum neuen Mehrmarkengiganten.
Der damalige Lueg-Aufsichtsratsvorsitzende und Aral-Vorstandsvorsitzende Klaus Wollenschläger, der zugleich im Aufsichtsrat der damaligen Adam Opel AG – heute GmbH – saß, hat die Neuformierung via Opel sicher nicht nur mit getragen, sondern mit begünstigt. Erstaunlich, dass dies der damalige DCVD-Chef, Eckhard Panka, nicht zu verhindern wusste. Ein Politikum! Im Juni 2005 meinte Vorstandssprecher von Gizycki: "Nach Abschluss der Restrukturierungsmaßnahmen in der van Eupen-Gruppe wird für van Eupen ein ausgeglichenes Ergebnis erwartet." Offensichtlich wartet man bis heute darauf.
Erst wirkte von 2004 bis 30. Juni 2006 in der neuen Opel-Welt Klaus Schroff als Geschäftsführer von van Eupen. Der hatte sicher größte Mühe, dem Lueg-Vorstand klar zu machen, dass Opel-Kunden keine "Stern-Kunden" sind. Klaus Schroff folgte Michael Speh, der nun zu Raffay wechselt. Er wird zum Jahresende durch Olaf Reum ersetzt. Das Personalkarussel zieht sich aber nun bis in die Spitze des Lueg-Vorstandes durch. Im Oktober 2006 erhielt Peter Bühner, der sich seit 1988 bei Lueg bis in den Vorstand hocharbeitete, seine Kündigung per Boten.Das war angeblich vom Aufsichtsrat im Rahmen der strategischen Neuausrichtung initiiert.
Als Nächsten traf es dann Vorstand Dr. Volker Wingefeld, verantwortlich für den kaufmännischen und Personalbereich. Man hatte seinen Vertrag eben um zwei Jahre verlängert, 14 Tage später konnte er nach Hause gehen. Das kostet richtig Abfindungsprämie. Als letzten im Vorstand hat es nun Alexander von Gizycki erwischt. Er will das Unternehmen auf eigenen Wunsch zum Jahresende verlassen. Nun ja!
Als neues Vorstandsmitglied hat der Aufsichtsrat zum 1. September Thomas Holtgräfe, den bisherigen Smart-Vertriebschef von Deutschland, für den Lueg-Vertrieb berufen. Ich kenne bis heute nur wenige Fälle, in denen ein Herstellermanager auf Handelsseite erfolgreich war. Aber bitte, Holtgräfe erhielt sicher vom Lueg-Aufsichtsrat einen finanziell hochattraktiven Vertrag. Fakt ist, der komplette Lueg-Vorstand ist damit ausgetauscht.
Drahtzieher dafür ist Dr. Jens-Jürgen Böckel, der seit 2005 bei Lueg Aufsichtsratsvorsitzender ist und lange Jahre stellv. Vorsitzender war. Er ist bzw. war Mitglied der Holding-Geschäftsführung der Tengelmann-Gruppe und ist damit durch und durch Automobilist. Sein Stellvertreter ist Jürgen Harnisch, der bei Thyssen Krupp im Vorstand saß und ebenso ein Mann mit automobiler Fronterfahrung ist. Aufsichtsrat meint eigentlich funktionell "aufzusehen" und zu "raten". Die betagten Aufsichtsratsherren sind aber offensichtlich mehr im operativen Sinne tätig. Wie muss diese gesamte Führungsmalaise erst auf die Mitarbeiter wirken?
Man kann sich nur wünschen, dass der Riese klaren Schritt macht und die Zwerge sich auf ihre Kernfunktionen besinnen. Eigentlich gehörten nun Vorstand und Aufsichtsrat erneuert. Es stellt sich außerdem die grundsätzliche Frage, bis zu welcher Betriebsgröße und mit welchen Marken lässt sich Erfolg gestalten?
Nicht der Mehrmarkenhandel selber garantiert den Erfolg, sondern mit welchen Menschen und mit welchen Marken, an welchen Standorten und unter welchen Wettbewerbsbedingungen er betrieben wird. Größe allein garantiert keinen Erfolg, auch wenn die Immobilie noch so günstig war. Man darf gespannt sein, wer hier an die Spitze berufen wird. Nochmals, im Aufsichtsrat müssten aber gleichermaßen neue Würfel fallen!
24. Juli - Dienstag
Karmann-Autozuliefererpolitik. Wer derzeit die Produktionszahlen u.a. des VW-Konzerns vor sich sieht, gerät ins Schwärmen. Es ist aber immer gut, hinter die Kulissen zu schauen. Den normalen Zulieferern "von Gottes Gnaden" ergeht es so ähnlich wie dem Automobilhandel: er wird am Hofe nolens volens toleriert, hat sich aber stets artig zurückzuhalten und ausschließlich nach den Vorgaben des Potentaten zu richten. Vasallenstatus!
Der Autozulieferer Karmann hält in Osnabrück eine Produktionskapazität von 100.000 Fahrzeugen pro Jahr vor. Dahinter stehen 7.200 Arbeitsplätze. 2006 wurden aber "nur" 48.000 Einheiten produziert. Bereits 2006 wurden über 600 Arbeitsplätze abgebaut. Jetzt sollen weitere 1.000 folgen. Ein Grund liegt darin, dass der eine und andere Hersteller die Produktion seiner Cabrios bzw. Sonderfahrzeuge wieder in Eigenregie ausführt, um die eigenen Kapazitäten auszulasten.
Der andere liegt in der Tatsache, dass in Osteuropa günstiger wie in Deutschland bzw. bei Karmann produziert wird. Ohne Frage, so werden nach und nach schleichend Produktionskapazitäten verlagert. Darüber spricht aber keiner der Hersteller. Wenn z.B. Porsche einen Zulieferer nötigt, seine Preise um 20 Prozent zu senken, dann geht das für den Zulieferer nur mit Produktionsverlagerung via Osten. Porsche weist quasi zwei Mrd. Euro Gewinn aus, unser Zulieferant kann 200 Mitarbeiter nach Hause schicken. Hier der Porschegewinn, dort die abgebauten Arbeitsplätze. Das nennt sich dann "Made in Germany". Porsche hat ja im Inland geordert!
26. Juli - Donnerstag
ATU-Urlaubsmarketing. Wer die August-Ausgabe von ATU in Händen hält, dem wird der Urlaubs-Check zum Last-Minute-Preis von 14,90 Euro offeriert. Ein Picknick-Rucksack im Wert von exakt 12,99 Euro ist gratis dabei. ATU garantiert außerdem einen Spitzenservice für alle gängigen Marken unter Erhalt der Hersteller-Garantie. Unter der fachkundigen Aufsicht von über 1.500 Kfz-Meistern wird jeder Ölwechsel - ich betone jeder (!) - durchgeführt.
Die ATU-Flatrate zum Komplettpreis inkludiert einen Zwei Jahre Service-Festpreis für jeweils Zwei Inspektionen, Zwei Urlaubs-Checks, Zwei Winter-Checks, vier ATU-Radwechsel, eine Voruntersuchung zur HU und ein Bremsflüssigkeitstest. ATU bezeichnet sich ferner als Fachmarkt für Navigationssysteme, noch mehr, ATU ist im Mengenverkauf an Navisystemen selbsternannt Deutschlands Nr. 1. Ebenso werden bei ATU die meisten Kindersitze verkauft. Eine echte Herausforderung für das Service-Marketing der Automobilhersteller und den Markenhandel. Erwachet!
27. Juli - Freitag
AutoNation. Wir hatten letzte Woche an dieser Stelle die Situation großer Händlergruppen in Europa diskutiert. Was an Größe noch möglich ist, wird über dem Teich, in den Staaten deutlich. Die weltweit größte Autohandelsgruppe ist "AutoNation". 26.000 Mitarbeiter erwirtschaften über 247 Händlerbetriebe und 37 verschiedene Automobilmarken einen Gesamtumsatz von 13,83 Mrd. Euro. AutoNation tritt im Gegensatz zu PIA oder zur Emil Frey-Gruppe nicht als Importeur auf. Weitere Details siehe unter www.corp.autonation.com. Europas größter Autohandelskonzern ist die Porsche Holding (PIA). Vergleiche www.porsche-holding.com. Die PIA betreibt 231 Autohäuser.
Spruch der Woche:
"Würde unsere Gesellschaft nur das arbeiten, was Spass macht, würde die Wirtschaft in zwölf Stunden stillstehen." F. Malik
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Rick Marlowe Investigations