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HB ohne Filter: Politik - hohe Kunst und gutes Handwerk?

HB ohne Filter: Politik - hohe Kunst und gutes Handwerk?
© Foto: Ralph M. Meunzel/AUTOHAUS

Unabhängig, scharfsinnig, auf den Punkt: der aktuelle Wochenkommentar von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat!

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Datum:
24.09.2021
Lesezeit:
10 min

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Freitag, 24. September 2021

Politik - hohe Kunst und gutes Handwerk?

Am Sonntag endet die Ära von Kanzlerin Angela Merkel. Lassen wir dazu Papst Franziskus sprechen: "Ich danke Angela Merkel für ihren Dienst und ihr Zeugnis." Und gleich noch den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron: "Ob von Angesicht zu Angesicht, Seite an Seite oder über Bildschirme konnte ich mich immer wieder von Angela Merkles ruhiger Kraft, ihrer enormen Energie - kämpferisch, aber gelassen - überzeugen." Und in wie vielen Nachtsitzungen hat sie vielfach tragfähige Entscheidungen herbeigeführt? Sie war nicht nur 16 Jahre Bundeskanzlerin, vier Perioden lang, zu lang, sondern entwickelte sich mit stets vollen monetären Taschen ausgestattet auch zur Europakanzlerin. Non degenerabo, Merkel blieb sich treu, mit ungehörigem Fleiß, mit großem Sinn für das Detail, stets bescheiden und über die ganze politische Laufstrecke ohne Skandale. So diente sie Deutschland. Das verdient großen Respekt!

Und doch, sieht man am Ende ihrer Amtszeit die Umfragewerte für die CDU/CSU zur anstehenden Bundestagswahl am Sonntag, so fehlt es den Wählern und Wählerinnen entweder an Dankbarkeit oder sie vermissen wesenhafte Fundamente, die Aufbruch mit Zuversicht für die Zukunft darstellen. Oder müssen wir gar grundsätzlich feststellen, dass Politik als Kunst des Möglichen mit der demokratisch angelegten Kompromissorientierung nicht mehr in der Lage ist, die Herausforderungen bis 2050 zu meistern? Man kann sich als normaler Bürger des Eindrucks nicht erwehren, dass die hohe Politik sehr weit weg ist von den Niederungen im Alltag. Nachdem ich selbst persönliche Kontakte zu verschiedenen Bundestagsabgeordneten habe, darf ich jedem von ihnen testieren, sich wirklich aktiv in gutem Sinne politisch zu engagieren. In Sonderheit die, die einen der 299 Wahlkreise zu betreuen haben. Sind inzwischen die großen politischen Aufgaben, auch die internationalen so überfordernd, dass unten für die Menschen im Alltag zu wenig mit überzeugender Wirkung ankommt? Politik ist doch vielfach eine pragmatische Angelegenheit und damit Handwerk. Und da tun sich bei Licht besehen doch einige Fragezeichen auf. Einige Beispiele.

Sechs Prozent fiskalische Verzugszinsen

Wir haben einen Bundesfinanzminister. Er heißt Olaf Scholz. Wer mit seiner Steuernachzahlung in Verzug ist, muss sechs Prozent jährlich an den Fiskus zahlen - trotz der Rekordniedrigzinsen in der Republik. Immer wieder wurde das eben auch von Abgeordneten im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages dem Finanzminister gegenüber moniert. Antwort des SPD-Politikers: Das lassen wir das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Dann liest man über selbigen Herrn vor Ort aktuell auf seinen Wahlplakaten: "Kompetenz für Deutschland"! Wenn die Politiker derartigen Minimalismus nicht mehr auf die Schiene kriegen, wie soll Olaf Scholz da erst eine Steuerreform und als Kanzler andere große Herausforderungen bewerkstelligen? Das sind schlechte Handwerker!

Neue Perspektive: 800 und mehr Abgeordnete

Er wächst und wächst, der Deutsche Bundestag. Eigentlich entscheiden die wahlberechtigten Bürger über 598 Sitze im Parlament. 709 sind es aktuell. Gewinnt die CSU wie bisher alle 46 Direktmandate in Bayern, dann sind zukünftig 900 Abgeordnete im neuen Bundestag denkbar. Schon Bundestagspräsident Norbert Lammert wie zuletzt Wolfgang Schäuble planten eine reduzierte Regelung der Sitze. Ohne Erfolg! Das sind einfach schlechte Handwerker. Sie beherrschen ihr Handwerk nicht.

Klima-Lockdown?

Jetzt meinen grüne Aktivisten, sich noch rechtzeitig vor der Wahl in demonstrierende Aktionen setzen zu müssen. Sie sehen ihre Lebensperspektive durch eine zögerliche Klimapolitik bedroht. Ja, wir alle sind gefordert, an der Schöpfung unseren Beitrag zu leisten. China verursacht 30 Prozent am globalen CO2-Ausstoß, Amerika 18 Prozent, Deutschland zwei Prozent. Als könnten wir in Deutschland mit unseren Aktivitäten das Weltklima retten? Bislang ist Kilmapolitik nur möglich, was die Staaten freiwillig einzubringen bereit sind. Und dazu wird doch die Kooperation zwischen den USA, China und Europa zur Bewährungsprobe für eine wirkungsvolle Klimapolitik. Wenn es den Aktivisten hier im Lande wirklich um das Klima und nicht um ein anderes Gesellschaftsmodell linker Natur geht, mögen sie sich viel mehr international, vor allem in China engagieren. Sie träumen von einem Klima-Lockdown. Und der Aspekt, dass bis 2050, dem Ziel der großen Emissionsfreiheit die Erdbevölkerung um weitere 2,5 Milliarden Menschen wachsen wird, wird um deren Ernährungslösung und Umweltbeeinträchtigung wenig Aufmerksamkeit gewidmet, wo gegenwärtig immer noch 600 Millionen Menschen weltweit an Hunger leiden. Die Klimadiskussion wird viel zu einseitig, wenig offen und ehrlich geführt. 

Ökologie braucht Ökonomie

Was in der öffentlichen Wahrnehmung untergeht, ist das Faktum, dass die wichtigen Fragen der Ökologie nur durch Ökonomie zu lösen sind. Es wird beispielsweise viel zu wenig artikuliert, was die E-Transformation kostet und welche Auswirkungen auch damit auf die Zahl der Arbeitsplätze verbunden sind. Das Wort Wohlstandssicherung, geschweige denn Wohlstandsmehrung nimmt schon gar keiner mehr in den Mund. Warum? Wohlstand ist nur möglich über Leistung. Wo bleibt der Aufbruch für die Zukunft, der Fleiß, die Anstrengung, die Bildung und die Förderung der Top-Talente, ob in der Wirtschaft oder in der Politik? Viele haben das Umverteilen, nicht das Leisten im Interesse "Wohlstand für alle", wie es Ludwig Erhard für die "Soziale Marktwirtschaft" proklamiert hat im Sinn. Es führt in der Konsequenz zur Deindustrialisierung von Deutschland. Und das im Autoland Deutschland! Hören Sie sich dazu die Rede an, die der frühere BMW-Entwicklungsvorstand Wolfgang Reizle, danach Linde-Vorstandsvorsitzender und heute Aufsichtsratsvorsitzender von Continental, auf dem FDP-Parteitag am vergangenen Wochenende hielt. Ein Muss!

Technologieoffenheit

Der ZDK verkündete per Webmeeting in seinem 15. Automobildialog "E-Fuels für klimaneutralen Straßenverkehr" die wichtige These: Die Klimaziele können und müssen erreicht werden, wenn eben nicht nur Elektromobilität, sondern auch E-Fuels eingesetzt werden. Volkswagen müsste das in Sonderheit interessieren, nachdem in Deutschland von den 48 Millionen Pkw allein elf Millionen VW, also Verbrenner unterwegs sind.

© Foto: Screenshot www.e-fuels.de

Siehe www.e-fuels.de. E-Fuel, der Kraftstoff aus Ökostrom. Es geht also um einen offenen Wettbewerb der besten Technologien, die es zu fördern gilt. Wer verhindert das?

Verkehrspolitik - der ewige Kreisverkehr!

Die größte Herausforderung in Sachen Verkehr ist die Verkehrsreduzierung auf den Straßen. Hauptachse für eine Entlastung ist die Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Das Beispiel München zeigt z.B., dass man sich trotz rot-grünem Stadtparlament sich nicht einigt, den U-Bahn-Rhythmus zu Stoßzeiten von zehn auf fünf Minuten zu reduzieren. Madrid schafft das alle drei Minuten. In Wien gibt es seit 2013 das 365-Euro-Ticket. Dafür gibt es jetzt in München eine Bürgerinitiative. Gut so!

© Foto: SP-X/Peter Weißenberg

Was macht der Münchener Verkehrsverbund. Er hat letzte Woche ab 12. Dezember eine Preiserhöhung von 3,7 Prozent angekündigt. Sie reden grün und handeln rot! 

Wie erfreulich, da wurde jetzt in Würzburg endlich der Hauptbahnhof renoviert. Bis vor zwei Jahren konnte ich jedes Mal dieselben Fliesen bewundern, die ich schon zu meiner Studienzeit 1970 in Würzburg antraf. Dennoch, man verzichtete jetzt beim Umbau auf Rolltreppen. Jetzt möchte man die Radwege in den Städten ausbauen. Damit kommen auch mehr Bahnfahrer mit Fahrrädern an. An den besagten steinernen Treppen im Bahnhof zu Würzburg ist nicht einmal eine Rinne für einen bequemen Auf- und Abgang für die Fahrräder realisiert. Sie beherrschen einfach ihr Handwerk nicht. Bedenkliches Mittelmaß! 

Der "rostige"“ Güterverkehr  

Seit 15 Jahren beträgt der Anteil der Bahn am Güterverkehrsaufkommen konstant 16 Prozent. Warum und wie schafft die Schweiz 40 Prozent? Warum verbreiten die Güterzüge - 30 Jahre alt - immer noch 70 dB an Lärm? Weshalb müssen die Waggons immer noch mechanisch verbunden werden und in anderen Ländern läuft das digital? 

Verkehrsministerium – Überforderung?

Da kommt man zwangsläufig auf das Bundesverkehrsministerium zu sprechen. Dort sind 1.100 Menschen beschäftigt. 600 davon sitzen seit Grenzöffnung 1989 immer noch in Bonn! Das ähnelt dem ZDK, der immer noch in Bonn sitzt und endlich nach Berlin gehört. Ob sie es schaffen, dass der nächste ZDK-Hauptgeschäftsführer endlich in der Bundeshauptstadt seinen Sitz haben wird?

Ohne Frage hat der amtierende Verkehrsminister Andreas Scheuer beispielsweise mit dem "Gesetz zum autonomen Fahren" oder mit der "Autobahn GmbH" oder auch seiner Radinitiative einiges mit Herzblut bewegt. Die Umsetzung der "Autobahn GmbH", als zentrale Instanz für Planung, Bau der Autobahnen zeigt woran alles mangelt, an der Bürokratie, an juristischen Hemmnissen. Oder anders, wer schafft die Umsetzung in unbürokratisches Funktionieren, eine Planbeschleunigungsagenda? Der überzogene Datenschutz sei hier gleich mit angesprochen, der so vieles an Innovationen verhindert. Die "CSU-Maut", die ursprünglich Horst Seehofer als bayerischer Ministerpräsident als Rache gegen die Österreicher ersann und dann der farblose und ewig zaudernde Alexander Dobrindt umsetzen sollte und dann Scheuer vollstrecken wollte, entpuppte sich letztlich als Millionengrab. Sie hätten eine europaeinheitliche Maut einfordern sollen. Das wäre Zukunftspolitik! So, abermals schlechtes Handwerk! 

Die ewige Bürokratie 

Wieder zurück in die Niederungen des Alltags. Ich musste neulich aufgrund eines neuen Fahrzeuges einen Nachtrag zur Kfz-Versicherung machen lassen. Der eigentliche Nachtrag umfasste zwei Seiten. Als Kommentierung schickte die Versicherung 30 Seiten Anlagen, beidseitig bedruckt. Was haben die Juristen hier als völlig überzogenes Machwerk entwickelt? Als würde das einer lesen!

© Foto: Prof. Hannes Brachat

Anderes Beispiel. Ein normaler Autofahrer möchte seinen Gebrauchtwagen über das Internet abmelden. Katastrophe! Das Prinzip Einfachheit hatten die staatlichen Behörden bei der praktischen Umsetzung dabei wirklich nicht im Sinn. Ich habe es selber praktiziert. Mein Eindruck: Das ist bewusst so kompliziert gemacht worden, dass das ja keiner macht. Und der Hammer, die digitale Abmeldung ist teurer alsdie vor Ort im Landratsamt. Das Kfz-Gewerbe fordert aus gutem Grunde die virtuelle Zulassung im Autohaus.

Wir haben in Deutschland 706 Zulassungsstellen, 421 Haupt- und 279 Nebenstellen. In den Landratsämtern und größeren Städten. Sie melden jeden Abend ihre Zulassungsergebnisse an das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg. Weshalb können nicht alle virtuellen Zulassungen gleich nach Flensburg gemeldet werden? Weil die Landräte und die Oberbürgermeister dagegen sind. Das ist unser Thema, sie kleben alle, sehen nicht das Ganze, das Bessere, sondern verharren. Der Digitalisierungsrückstand in der öffentlichen Verwaltung ist untragbar. Weshalb können Baugenehmigungen oder Gewerbeanmeldungen nicht flächendeckend einheitlich digital durchgeführt werden? Baugenehmigungen dauern heute bis zu sechs Monate. Das sind alles Themen, die sich pragmatisch lösen ließen.

Richtungswahl

Zentrale Frage: Wer - gleich welcher Partei - kann diesen juristisch-bürokratischen Beamten-Moloch entzerren und auf gesunden Menschenverstand zurück führen? Wer am Sonntag zur Wahl geht - hoffentlich alle 60 Millionen Wahlberechtigte -, der sollte vor sich sehen, was ihm Freiheit, als freier Unternehmer, Wettbewerb für die besten Technologien, was ihm Mut zur Leistung wert ist. Unsere Zukunft braucht eine starke Sicht zum Thema Freiheit. In der Hoffnung auf viele neue, gute Handwerker im neuen Bundestag!

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Spruch der Woche:

"In einigen Jahren sitzen überall in Deutschland studierte Menschen rum, die drei Monate auf einen 70-jährigen Handwerker warten." (Verfasser unbekannt)

Auf die besondere Kraft der Hoffnung!

Ihr

Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
www.brachat.de


Der nächste HB ohne Filter erscheint am 1. Oktober 2021!

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KOMMENTARE


Erwin Wagner

24.09.2021 - 16:38 Uhr

Entbürokratisierung Das funktioniert so lange nicht, wie diejenigen darüber entscheiden müssen deren Job davon abhängig ist. Ganz im Gegenteil: Noch mehr Bürokratie, noch mehr Hürden garantieren den Arbeitsplatz auf Dauer.


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