HB ohne Filter vom 5. November 2011
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Heute mit den Themen: Trend Fachkräftemangel, Vertriebspolitische Weichenstellungen, Amerika & GM und "Ironman" Gerd Heisel
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2. November – Dienstag
Klarer Trend: Fachkräftemangel. Heute saß ich mit einem Service-Leiter eines großen schwäbischen Autohauses mit 13 Betrieben zusammen. In diesem Haus werden pro Jahr 115 Lehrlinge technisch wie kaufmännisch ausgebildet. Im Schwabenland ist dank Daimler, Porsche, Bosch & Co. jeder fünfte Arbeitsplatz automobilistisch besetzt. Der Service-Leiter beklagte mit hoher Dramatik, dass es noch nie so schwierig wie in diesem Jahr war, Auszubildende zu finden – obwohl das Unternehmen sich aktiv auf angestammten Messen, Veranstaltungen der Kfz-Innung bis hin zu direktem Engagement an den Schulen beteiligt habe.
Einerseits schlägt der demographische Faktor gnadenlos durch, andererseits werden nicht nur die Auszubildenden, sondern auch hervorragende Mechaniker systematisch von der Automobilindustrie und Zulieferbetrieben abgeworben. Und zwar über die Bezahlung. Seine ironische Anmerkung auf die Malaise: "Wir brauchen jetzt einen Gesundheitsmanager, damit uns 'die Alten' nicht fortlaufen. Wir brauchen statt Fließen für die Kunden gefederte Werkstattböden, größere Schriften an den Bildschirmen und an den Werkzeugschränkten Lupen. In den Pausen werden wir dann künftig Ausgleichsübungen und Gymnastik machen, damit wenigstens die Produktivität und Loyalität 'der Alten' gesichert ist." Wer die technischen Herausforderungen der alternativen Antriebe vor sich sieht, weiß, dass die Qualifizierung der Mitarbeiter eine zentrale Herausforderung für die Zukunftsbewältigung ist. Die Ära akuten Fachkräftemangels ist in einzelnen Regionen bereits angebrochen!
3. November – Mittwoch
Vertriebspolitische Weichenstellungen. Oktober und November sind veranstaltungsintensive Monate, gerade für Händler. Die einen lernen über den neuen Passat Sardinien kennen, die Suzuki-Händler schwärmen auf der Mittelmeerinsel Malta von ihrem neuen Vertrag. Er sei der "fairste Vertrag", der bislang aufgrund der neuen GVO vorläge. Dann schaut man zu Fiat nach Frankfurt und fragt sich, wo denn endlich der Lancia-Chrysler-Vertrag bleibt, auf den man seit 1. Juni 2010 wartet? Selbst wenn er nun vorgelegt wird, muss er immer noch nicht tragfähig sein.
Daimler ordnet das Angebotsportfolio der Drehscheibe neu, nachdem vermehrt Gebrauchtfahrzeuge mit sehr geringer Laufleistung und kurzer Haltedauer verfügbar sind. Es wird ein selektiver Vertriebskanal für junge Gebrauchtwagen über ein autorisiertes Vertriebsnetz eingezogen. Das ist zugleich mit der Vorgabe eines Verbots des Verkaufs an nicht autorisierte Wiederverkäufer verbunden. Man nehme zur Kenntnis: Freie Händler und reine MB-Servicepartner ohne Vermittlungsrecht dürfen nicht beliefert werden.
Peugeot-Verbandspräsident Gerhard Stach sprach auf der Händlertagung am 1. November in Schweinfurt deutliche Worte: "Der Peugeot-Dampfer dümpelt auf der gleichen Stelle, zwischenzeitliches Vorankommen wurde wieder zunichte gemacht." Drücken wir bei Toyota einmal die zehn Millionen Fahrzeuge weg, die weltweit 2010 zurückgerufen wurden: Der Importeur hatte das strategische Ziel, in diesem Jahr sage und schreibe 200.000 Neufahrzeuge auf dem deutschen Markt zuzulassen. Wenn es jetzt 80.000 werden, ist das sehr gut. Davon darf man bei realistischer Betrachtung nochmals 10.000 "getürkte" Einheiten abziehen. Woran liegt die Toyota-Malaise wirklich? Weshalb wird 2010 Hyundai Toyota auf dem deutschen Markt überrunden? Sie mögen sich in der Toyota-Europazentrale in Brüssel einmal das Preis-/Leistungs-Verhältnis sowie die optische Attraktivität der koreanischen Fahrzeuge ansehen. Und wer wirft auf diesem Schalter endlich den Toyota-Hebel um? Peter Schumann, Hyundai-Händlerverbandspräsident, mahnte Ende Oktober im vierten Jahr in Folge an, das Thema Grauimporte über die Europazentrale in Offenbach ernsthaft anzugehen und zu lösen.
Was sei mit all diesen Beispielen gesagt? Man kann die Vertriebslandschaft nicht pauschal für die Branche darstellen. Man muss die jeweilige Marke sehen. Es gibt Marken, bei denen in 2010 nicht eine einzige Insolvenz zu beklagen ist. Was aber pauschal gesagt werden kann, ist, dass die nationalen Vertriebsgesellschaften, sprich Importeure, weiter oben nichts zu sagen haben, sondern von ihren Europazentralen bzw. direkt vom Hersteller befehligt werden. Wer als deutscher Manager in der Europazentrale Rückgrat für den deutschen Markt zeigt, wird entfernt. Die Sprachverständigung mit der Europazentrale läuft auf englischer Ebene. Und da ist dann "Oettinger-Englisch" zu wenig, um im Detail mit besseren Lösungen zu glänzen. Manchen Japanern und Koreanern fehlt die europäische Verständnisebene und manchem Engländer der Sinn für deutsche Gegebenheiten. Das geht aber alles zu Lasten der Agierenden vor Kunde!
4. November – Donnerstag
Amerika & GM. Die Lichtgestalt Barack Obama erfuhr ein fürchterliches Wahldebakel. Derweil hat er die Welt 2009 vor dem Absturz in die globale Depression bewahrt. Er hat 2010 eine Krankenversicherung für alle US-Amerikaner eingeführt und Fortschritte in Umwelt- und Klimaschutz erreicht. Obama zwang GM im vergangenen Jahr in einen geordneten Konkurs. Er, nicht der Aufsichtsrat, schickte das alte Management, allen voran Rick Wagoner nach Hause, wandelte die Staatshilfen in Eigenkapital um und schaffte so die Voraussetzungen für einen Neustart. GM verdiente 2010 unterm Strich gut vier Milliarden Dollar und tritt nun zum Börsengang an. Nach allen sichtbaren Kriterien ist der Neustart gelungen. Die große Herausforderung, auch für Opel, wird sein, attraktive Autos zu entwickeln.
Wenn allein eine Million US-Familien dieses Jahr ihr Eigenheim per Zwangsversteigerung verlieren, wenn selbst ein 800-Milliarden-Dollar-Konjunkturprogramm die Arbeitslosenrate von zehn Prozent in Amerika nicht reduziert, dann ist nicht ausgeschlossen, dass eine zweite Rezession vor der Tür steht. Und das hat dann spürbare, sprich negative Wirkung auf den deutschen Export und damit auch auf unsere Konjunktur. So eng verwoben ist das Ganze.
5. November – Freitag
"Ironman" Gerd Heisel. Gerd Heisel, Chef der Heisel-Gruppe im Saarland, ist der erste Automobilhändler, der im Oktober 2010 mit großem Erfolg – unter zehn Stunden (!) – das höchste Ziel eines Triathleten erreicht hat: Den Ironman in Hawaii erfolgreich zu absolvieren. Der Triathlon ist der älteste und gleichzeitig der bekannteste und spektakulärste "Ironman" und wird seit 1978 jährlich im Oktober auf der US-Inselgruppe im Pazifischen Ozean ausgetragen. Für diesen Wettkampf muss man sich seit 1988 bei einem der weltweit stattfindenden und als "Ironman" lizenzierten Wettbewerbe durch eine schnelle Gesamtzeit in seiner Altersklasse qualifizieren. Das Ausdauerrennen startet morgens gegen sieben Uhr in Kailua-Kona mit der 3,86 Kilometer langen Schwimmstrecke aufs offene Meer und zurück. Darauf folgt die Radstrecke, 180,2 Kilometer, und anschließend wird das Rad gegen die Laufschuhe getauscht. Der Marathon endet nach 42,195 Kilometern auf der Zielgeraden auf dem Alii Dirve in Kona. Maximal 17 Stunden bleiben dem Athleten zur Bewältigung der Herausforderung zur Verfügung. Der Rekord der Männer liegt bei 8:04:01 Stunden.
AUTOHAUS gratuliert dem Granden Gerd Heisel, der diese hervorragende Leistung neben seiner erfolgreichen Tätigkeit als Autohändler erreicht hat. Ich gebe ja zu, dass er uns auf der AUTOHAUS Sommerakademie beim frühmorgenlichen Jogging schon vor 15 Jahren davon lief, und ein Gläschen Wein für ihn damals schon tabu war. Er vertreibt in seinen Autohäusern zusammen mit seiner Frau Verena und 180 Mitarbeitern die Marken Peugeot, an anderen Standorten Toyota, das einzige Lexus-Forum im Saarland. In Merzig betreibt er seit 2008 ein neugebautes Volkswagen Autohaus. Heisel: "Ja, das war wirklich mein schwierigstes Rennen!" Grenzerfahrungen! Größten Respekt! Hoffentlich kommt er jetzt nicht auf die Idee zu fordern, dass man in Zukunft als Autohändler nur noch als Ironman bestehen kann. Wir verkämen ja zum Extremisten-Club! Schaut man den Ironman Heisel an, wird er einem vom Aussehen her schon zum schlechten Gewissen. Sein Fettanteil am Gesamtkörpergewicht macht ganze sieben Prozent aus. Schwäbisch: Haut und Knochen! Läuft rum wie ein Federchen, locker, leicht, drahtig, ganz da. Präsent! Was Bewegung bewirkt.
Spruch der Woche:
"Erst kommt Sales, dann After-Sales." (Werner Nix)
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Karl Schuler
Frank Maier
Wolfgang Gehrig
Hans von Ohain
Rick Marlowe
Friedhelm Reibold