HB ohne Filter vom 9. März 2012
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Datum:
09.03.2012Heute mit den Themen: Genfer Impressionen, VW-Porsche-Dickicht, Beiträge für Kammern und Verbände, Strategiewechsel bei ATU?
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6. März – Dienstag
Genfer Impressionen
Der erste Dienstag im März ist in Genf journalistischer Hauptkampftag. Da prasseln all die automobilistischen Frühjahrsstimmungsmacher auf einen ein. Beispiele: Die Automobilindustrie ist besorgt über Protektionismus, vor allem in Brasilien und China. Bitte, von zehn in Deutschland produzierten und exportierten Fahrzeugen landen sieben in Ländern außerhalb Europas. Die Autoindustrie sorgt sich um Europa. Dabei setzen VW, BMW und Daimler Bestmarken. Opel, Peugeot, Fiat fallen ab. Weltweit boomt die Nachfrage, aber nicht im Heimatkontinent des Automobils. Die Weltautomobilproduktion wird 2012 von 62 auf 68 Millionen Einheiten anwachsen. GM und Peugeot rüsten sich zum Gegengewicht zu VW. Opel wird weiter in einem schwierigen Marktumfeld namens Europa agieren und von der Sparsamkeit leben. Daimler setzt mit der neuen A-Klasse zu einer Produktrevolution an. Es ist der Puls einer neuen Generation. Konzernchef Dieter Zetsche, der Automanager mit dem größten Humor, zelebrierte, was aus einem "Elch" alles werden kann. Die Kernzielgruppe der neuen A-Klasse ist dennoch zwischen 40 bis 45 Jahre alt. Alte Elche! Die neue A-Klasse ist die Antwort auf den A3 und den BMW 1er. VW setzt auf Nachhaltigkeit. Auf der Party war alles im "grünen Bereich". Dennoch, die Querelen mit Porsche sitzen nach wie vor verdammt tief. Bentley und andere Edelmarken zeigen neuen Luxus fürs Gelände. Beiläufig ist zu erfahren, dass Bentley-Chef Wolfgang Dürrheimer die Deutschlandzentrale in Berlin schließen möchte.
Elektroauto
Und wo blieben die alternativen Antriebe? Deren Botschaft? Wenn man überlegt, dass es in Genf schon separate Hallen gab, die bereits vor vier Jahren exklusiv das Elektroauto präsentierten, so standen die Stromer heuer in der zweiten Reihe. BMW-Chef Norbert Reithofer meinte: "Die Begeisterung für Elektroautos lässt nach." Als wäre diese schon einmal gigantisch hoch gewesen? Dennoch halten BMW und Daimler am Elektroauto fest, obwohl sie damit noch gar nicht richtig angefangen haben. Für 2013 ist dort – wie bei VW – der Elektrostart angesagt. Lapidare Begründung des BMW-Chefs: Man brauche das Elektroauto, um die Emissionsvorgaben der Europäischen Union erfüllen zu können. Zetsche legt als Argument noch steigende Kraftstoffpreise drauf. Der Elektro-Smart hatte bei der IAA noch 19.000 Euro zuzüglich monatlicher Leasingrate für die Batterie von 70 Euro gekostet. Jetzt sind es noch 16.000 Euro.
Der Deutschland-Chef von Renault, Achim Schaible, will den E-Antrieb für alle Renaults erschwinglich machen. Für 2012 plant er auf dem deutschen Markt 8.000 E-Autos. Im März kommt der Twizy, ein Zweisitzer für 6.990 Euro zuzüglich Batteriemiete. Der E-Kangoo kostet 20.000 Euro, als Benziner 16.000 Euro. Gerne wird in der Betrachtung der Betrieb-Kostenvergleich zwischen Elektro- und Benzinauto vergessen. Dabei hat das E-Auto deutliche Vorzüge. Gewiss, die richtigen Batterien sollen noch die "Reichweiten-Angst" nehmen. Außerdem bedarf das Ganze noch eines Netzes mit Aufladestationen.
Am 15. März 2012 findet im Maybach-Museum in Neumarkt ein Kongress statt: "Vom Automobilverkauf zu Mobilitätslösungen". Einer der profiliertesten Mobilitätsforscher, Prof. Dr. Andreas Knie, spricht über die „Zukunft der Mobilität“, ferner kommen sämtliche Geschäftsführer der Mobilitätsbetreiber – sprich Carsharing-Konzepte – zu Wort: von "Mu by Peugeot", "Multicity", "Light Car Sharing", "Car2go", "DriveNow", "Quicar" bis hin zum Marktführer "Flinkster" (Deutsche Bahn). Dazu stellen dvierse Händler ihre Überlegungen zu Mobilitätskonzepten vor. Die Referentenbesetzung darf zu dieser Thematik als einmalig bezeichnet werden. Bitte, die neuen Carsharing-Modelle sollten auch ein neues Geschäftsmodell für den Automobilhandel bieten. Bislang liegen bereits 220 Anmeldungen vor. Interessenten erfahren weitere Details unter www.puls-marktforschung.de.
7. März – Mittwoch
VW-Porsche-Dickicht
Man erinnere sich an das Geschäftsjahr 2007/2008. Dank erfolgreicher Finanzgeschäfte machte Porsche einen Gewinn vor Steuern, der größer als der Umsatz ausfiel. 8,56 Milliarden Euro Gewinn in Relation zu 7,46 Milliarden Euro Umsatz! Das ist einmalig in der Automobilwirtschaft! "Normal" war und ist das nicht! Tatsache ist, dass der verdiente Top-Manager Wendelin Wiedeking und sein Finanzvorstand Holger Härter VW übernehmen wollten. Darüber aber waren doch die Familienaktionäre, allen voran Ferdinand Piëch, nicht nur informiert, sondern damit in höchstem Maße einverstanden. Volkswagen ist Familienbetrieb, wie Toyota, Peugeot oder Fiat. Also, der kleinste Automobilhersteller namens Porsche übernimmt den Größten! Der Zwerg aus Zuffenhausen sagt dem Riesen, was zukünftig zu tun ist. Ein schwäbisches "Wiesele" dirigiert nun einen halbstaatlich ausgestopften Deutschen Schäferhund. Ein zu schönes Bild. Ganz mit schwäbischem Gschmäckle.
Es wird schon seinen Grund haben, weshalb die Staatsanwaltschaft zeitgleich zu Genf nun im Rahmen dieser einmaligen Übernahmeschlacht das seltene Delikt Kreditbetrug auf den Tisch bringt. Damit sitzt zunächst Finanzvorstand Härter in der Kreide. Kreditbetrug meint das Erschleichen eines Kredits durch falsche Angaben! Herr Härter habe – so die Staatsanwaltschaft – wesentliche Informationen unterschlagen. Und nur deshalb hat Porsche die gigantischen Millionen bekommen. Stehen da schmutzige Tricks dahinter? Gar kriminelle Machenschaften?
Der zweite Teil stimmt gleichermaßen nachdenklich. VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch (74) war ja noch nie ein redseliger Mensch. Ausgerechnet der "schweigsame Piëch" artikuliert in knappen Sätzen 2009 gegenüber Journalisten, dass er – der Aufsichtsratsvorsitzende – die Risiken nicht übersehen habe, die hinter der Übernahme von VW durch Porsche standen. Es lagen ihm nicht alle Zahlen vor. Piëch: "Ich bin doch nur ein einfaches Aufsichtsratsmitglied." Unglaublich! Jetzt erklärte er auch noch öffentlich, dass er die Meinung des Gerichts nicht teile und er sich keiner Pflichtverletzung schuldig gemacht habe. Der ewige Saubermann!
Der Vertrag der Übernahme von Porsche durch Volkswagen: Dieses Vertragswerk hat 1.300 Seiten Umfang! Man versucht ja mit dem Finanzministerium eine individuelle Regelung, wie mit der Integration des Autogeschäftes von Porsche in den VW-Konzern möglichst wenig Steuern anfallen. Nennen wir es das "VW-Porsche-Steuersparmodell" für einen hochprofitablen Konzern! Das OLG Stuttgart bringt nun "Pflichtverletzung" des VW-Oberaufsehers auf den Tisch. Kann man sich da politisch eine "Staatssubventionierung" noch erlauben? Der politische Teil der Malaise wiegt schwerer wie der juristische.
Und was kommt beim OLG in Stuttgart raus? Da stehen dann Gutachten der Staatsanwaltschaft denen der Verteidigung gegenüber. Dann kommt am Ende ein "Deal" heraus. Die Aufklärung der Agenda Piëch-Wiedeking-Härter bleibt auf der Strecke. Welcher Manager landet dann im Gefängnis? Die Zeit der Verhandlung würde ja schon strafmildernd angesetzt. Das Vielfach-Genie Piëch schaffte es auch 2007 vor dem Landgericht Braunschweig, von der "IG-Metall-Nuttenaffäre" um den damaligen Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert sich einer Mitwisserschaft zu entziehen. Da staunt man dann immer, was der "Alte" alles offiziell nicht weiß. Personalvorstand Hartz musste damals wegen Veruntreuung 576.000 Euro bezahlen! Hartz IV lässt grüßen!
8. März - Donnerstag
Beiträge für Kammern und Verbände
Es ist unbestritten, dass der Mittelstand sowohl bei den Steuern als auch bei den Sozialversicherungen und den Kammer- und Verbandsbeiträgen 80 Prozent der finanziellen Belastungen trägt. Ich musste mir die Schelte gegen die "Besserverdienenden" sogar letzten Sonntag vom Pfarrer in der Kirche anhören, obwohl 80 Prozent der neun Milliarden Euro Kirchensteuer eben auch der Mittelstand bezahlt. Da ist nie die Rede davon, dass die Besserverdienenden in der Regel auch die "Mehrleistenden" und daher die "Mehrerreichenden" sind. Die 4,1 Millionen Unternehmer in Deutschland sind wirtschaftlich die notwendigste und tüchtigste Bevölkerungsgruppe. Das hören viele nicht gerne, ist aber die Realität. Und behandelt werden die Mittelständler wie "Außenseiter". Ja, es ist so, der Mittelstand ist der deutsche Zahlesel. Man muss als "Esel" schon einmal hinschauen, worin die Gegenleistungen liegen. Das ist vergleichbar mit Spenden. Heute möchte jeder Spender wissen, wo sein Geld landet und was damit konkret gemacht wird. Und das ist gut so. Schauen wir einmal das Beitragswesen von Kammern und Verbänden an.
Die 71 Industrie- und Handelskammern in Deutschland haben die Aufgabe, die Gesamtinteressen der Industrie und des Handels zu wahren, die 53 Handwerkskammern die der selbständigen Handwerker. Es sind Berufskammern. Daher besteht Pflichtmitgliedschaft. Markenhändler sind also Pflichtmitglieder bei der IHK wie der HK. Doppelmitgliedschaft! Hat ein Autohändler mehrere Betriebe und diese in verschiedenen Kammerstandorten, zahlt er dort weitere Beiträge an IHK wie HK, natürlich auch die freiwilligen Beiträge an mehrere Kfz-Innungen.
Jetzt gibt es laut §§ 86 ff. HandwO noch die Kreishandwerkerschaft (KHW). Sie ist der Zusammenschluss aller Handwerksinnungen. Es gibt 124 Handwerkszweige. Die KHW untersteht der Rechtsaufsicht der Handwerkskammer. Weshalb braucht man aber neben der Handwerkskammer zusätzlich noch die Kreishandwerkerschaft? Das kann doch gleich die Handwerkskammer mit erledigen. Nachdem die Kfz-Innung in den Kreishandwerkerschaften in der Regel die mit Abstand größte Handwerkerinnung ist, haben sich die Kfz-Innungen in Deutschland vielfach mit eigenen Geschäftsstellen verselbständigt, bleiben aber rechtlich an die Kreishandwerkerschaften bzw. Handwerkskammern gebunden. Denen obliegt die Rechtsaufsicht über die (selbständig agierenden) Kfz-Innungen. Die Mitgliedschaft in der Kfz-Innung, die für das einzelne Mitglied am meisten tut, ist freiwillig. Wer sich die Wahlbeteiligung zur Vollversammlung einer IHK oder Handwerkskammer anschaut, kriegt den Beleg dafür, wie hoch deren Akzeptanz bei den Mitgliedsbetrieben ist. Sie liegt stets unter 20 Prozent. Die letzte IHK-Wahl in Berlin lag bei 4,5 Prozent.
Wer legt da endlich in der jeweiligen Vollversammlung den Hebel um und fordert die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in der IHK und HK? Nachdem IHK und HK dieselben Aufgaben haben, wer fordert endlich die Fusion dieser beiden Institutionen? Und unter diesem gemeinsamen Dach gehen auch die Kreishandwerkerschaften auf. Weshalb brauchen IHK, HK und KHW separate Beraterstäbe, oftmals in festangestellter Form? Das können heute alles externe, selbständige Berater leisten. Baden-Württemberg hat beispielsweise 4.500 Kfz-Betriebe und 26 Kfz-Innungen, Bayern hat 7.100 Kfz-Betriebe und sieben Kfz-Innungen. Wer bezahlt die Missverhältnisse? Wo bleiben die Innungsfusionen? Weshalb soll nicht der eine mit dem anderen Kfz-Landesverband fusionieren können? Oder der jeweilige Landesverband nicht am Standort der jeweiligen Landeshauptstadtinnung integriert sein? Nachstehendes Beispiel zeigt die realistische Belastung für ein Mitglied einer Kfz-Innung mit 300 Mitgliedern.
Die 1.330 Euro pro Betrieb sind ein Durchschnittswert. Er fällt bei der einen Innung größer, bei der anderen niedriger aus. Die Markenhändler, die Mitglieder in einer Händlerorganisation sind (Opel- oder VW-Händlerverband etc.) bezahlen nochtmals zwischen 300 und 700 Euro obenauf.
9. März – Freitag
Oliver Scharfenberg