Ausgabe 16/2011: Branchentreffpunkt

BranchentreffpunktIAA E Wie VDA-Präsident Matthias Wissmann die derzeitige Lage der Branche einschätzt und was er von der Messe in Frankfurt erwartet. Von Doris Platealle zwei Jahre wieder: Die Internationale Automobil Ausstellung (IAA) lockt die Branche nach Frankfurt, um ihre neuen Autos zu zeigen und zu sehen, sich zu treffen und (nicht nur) Fachgespräche zu führen. Im Vorfeld beantwortete VDA-Präsident Matthias Wissmann unsere Fragen zur Situation der Automobilindustrie und zur Messe.AH: Herr Wissmann, wie charakterisieren Sie als VDA-Präsident die gegenwärtige Situation der Automobilindustrie? M. Wissmann: Die Zwischenbilanz des Automobiljahres 2011 ist sehr erfreulich: Inlandsmarkt, Export und Produktion haben ordentlich zugelegt. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Die gute Automobilkonjunktur wirkt sich zudem positiv auf die Beschäftigung aus: Die Zahl der Mitarbeiter ist um 13.000 gestiegen. Auch für das Gesamtjahr sind wir zuversichtlich und erwarten neue Höchststände beim Pkw-Export und der Produktion. Es ist bemerkenswert, wie dynamisch unsere Hersteller und Zulieferer aus der Zeit der Krise herausgefahren sind.Second SourcingAH: Wegen der Katastrophe in Japan kam und kommt es weltweit bei nahezu allen Automobilherstellern zu Engpässen bei bestimmten Farben, Steuerungsgeräten oder Navigationssystemen, weil einzelne Zulieferer betroffen waren. Wird dieser Warnschuss dazu führen, dass die Automobilhersteller wieder mehr Zulieferer fördern, um zukünftig breiter aufgestellt und nicht mehr nur auf einzelne Komponentenhersteller angewiesen zu sein?M. Wissmann: Es zählt zu den besonderen Leistungen der deutschen Automobilindustrie, dass auch in solch schwierigen Phasen die Wertschöpfungskette stabil gehalten werden konnte. Das verdient hohen Respekt. In vielen Unternehmen gab es Task Forces, die täglich drängende Logistikfragen im Detail behandelt und erfolgreich gelöst haben. Längere Lieferfristen haben allerdings vor allem mit der kräftig gestiegenen weltweiten Nachfrage nach deutschen Modellen zu tun. Im Übrigen gehört Second Sourcing schon seit Jahren zu den bewährten Strategien bei deutschen Herstellern und Zulieferern.AH: Ab 1. Juni 2013 gelten neue EU-Regelungen im Automobilvertrieb Europas. Wie sieht der VDA den Stand der Umsetzung?M. Wissmann: Bis zur Neuregelung sind es noch knapp zwei Jahre. Die deutschen Automobilhersteller prüfen derzeit, ob und in welchem Umfang sie ihre bestehenden Händlerverträge ändern müssen. Verantwortlich hierfür ist jedes einzelne Unternehmen selbst. Wir gehen davon aus, dass auch im Rahmen der Neuregelung die Fahrzeughersteller ihr bewährtes partnerschaftliches Verhältnis zu den Kfz-Betrieben fortsetzen werden.Wichtigste MobilitätsmesseAH: Alle zwei Jahre ist die IAA die Leistungsschau der Automobilhersteller. Welche Impulse für den Automobilverkauf erwarten Sie in diesem Jahr von der Ausstellung? M. Wissmann: Die IAA hat – gerade auch im Krisenjahr 2009 – ihre Position als weltweit wichtigste Mobilitätsmesse weiter ausgebaut. Für die 64. IAA Pkw, die am 15. September 2011 von Bundeskanzlerin Merkel eröffnet wird, sind wir sehr zuversichtlich – auch aufgrund des konjunkturellen Rückenwinds, den unsere Aussteller spüren. Wir erwarten rund 900 Aussteller und damit deutlich mehr als bei der vorangegangenen IAA Pkw. Im Mittelpunkt der IAA stehen die zahlreichen Weltpremieren der Hersteller mit ihren faszinierenden brandneuen Modellen, die erst in den kommenden Monaten in den Showrooms zu sehen sein werden. Keine andere Messe erzielt eine so breite Medienwirkung wie die IAA – und weckt die Neugier auf die neuen Modelle beim Kunden.AH: Im Krisenjahr 2009 fehlten einige wichtige Hersteller wie Honda und Chevrolet auf der IAA. Werden in diesem Jahr wieder alle an Bord sein?M. Wissmann: Alle wichtigen Hersteller und Zulieferer sind wieder dabei. Die IAA ist für die Unternehmen eine einzigartige Plattform, um ihre neuen Produkte erstmals einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren – und um zahlreiche Fachgespräche zu führen. Diese Chance wollen die Firmen offensichtlich nutzen.Vier ChinesenAH: Überraschend für die Öffentlichkeit war in 2009 auch, dass keine chinesische Marke in Frankfurt ausgestellt hat. Was erwarten Sie für dieses Jahr?M. Wissmann: Noch konzentrieren sich die chinesischen Unternehmen vor allem auf ihren dynamisch wachsenden Inlandsmarkt. Aber die IAA haben sie auf dem Programm: Wir freuen uns auf die chinesischen Aussteller Changan Automobile, Foryou General, Zhejiang Sanhua Automobile und Ningbo Joyson Automotive.AH: Jeder dritte private Neuwagen in Deutschland wird von einem Fahrer aus der Altersgruppe 60 plus erworben. Wird die IAA auch jüngere Interessenten ansprechen? Und wenn ja, welche Maßnahmen werden hierzu ergriffen?M. Wissmann: Die IAA bietet für alle Kundengruppen hoch attraktive Angebote. Das Durchschnittsalter bei Erstkäufern von Neuwagen liegt in Deutschland übrigens bei 30 Jahren, bei allen Neuwagenkäufern sind es 44 Jahre. Und wir wissen auch: Die aktive „Silver Generation“ legt durchaus Wert auf Effizienz und Fahrdynamik, allerdings kombiniert mit entsprechendem Komfort – all das findet sich im Premiumsegment, in dem die deutschen Hersteller weltweit einen Marktanteil von gut 80 Prozent haben. Verschiedenste AntriebsartenAH: E-Bikes werden zukünftig in der Mobilität eine immer größere Rolle spielen. Spiegelt sich das bei den IAA-Ausstellern wider oder bleibt es bei der „Automobil“-Ausstellung?M. Wissmann: Zwar werden einige E-Bikes auf der IAA zu sehen sein – doch im Mittelpunkt steht ganz klar das Automobil in seinen verschiedensten Antriebsarten: Elektro, Plug-in-Hybrid, Brennstoffzelle, Range-Extender sowie die optimierten Clean Diesel und Benziner-Motoren. Die Erfolgsgeschichte des Automobils ist ja gerade dadurch geprägt, dass der eigene Wagen Fahrer und Insassen vor allen Wetterunbilden schützt – und zudem mehr als eine Person mobil sein können. AH: Auch Carsharing-Konzepte sind auf dem Vormarsch. Welche Auswirkungen erwarten Sie von diesem Trend auf den Automobilmarkt in zehn Jahren?M. Wissmann: Die ersten Ergebnisse sind ermutigend. Allerdings verstehen wir Carsharing eher als Ergänzung im Gesamtkonzept Mobilität, es ist kein „Ersatz“. Die Erfahrung zeigt: Wenn die Familie größer wird, wenn die Kinder zum Sport gebracht oder Verwandte besucht werden, dann ist das eigene Auto unverzichtbar, oftmals wird zudem noch ein Zweitwagen angeschafft. Weltweit gilt: Der Wunsch nach dem eigenen Auto ist weiterhin stark ausgeprägt.AH: Und was werden wir in Frankfurt dazu sehen?M. Wissmann: Mit Sicherheit mehr als auf jeder anderen Messe. Lassen Sie sich überraschen! zKurzfassungRund 900 Aussteller und damit deutlich mehr als beim letzten Mal werden bei der IAA vertreten sein. Allerdings werden nach aktuellem Stand nur vier Chinesen darunter sein, und auch E-Bikes und Carsharing-Modelle tauchen nur am Rande auf. Im Mittelpunkt stehen wie immer die Neuheiten der großen Fahrzeughersteller.

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