Gesetzgebung: Covid-19 und die "Arbeit von morgen"

An das Coronavirus (Covid-19) dachte niemand, als im August des letzten Jahres Arbeitsminister Hubertus Heil ein Gesetz ankündigte, das helfen soll, die Menschen in Deutschland rechtzeitig auf die "Arbeit von morgen" vorzubereiten. In der Folge wurde das beabsichtigte Gesetz kurzerhand als "Arbeit-von-morgen-Gesetz" bezeichnet. Die vollständige Benennung des Gesetzes lautet: Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung. Als Zweck des Gesetzes wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik im Hinblick auf die digitalen Veränderungen in der Arbeitswelt bekannt gegeben. Hintergrund war letztlich die Befürchtung der Großen Koalition, dass der Strukturwandel in der Automobilindustrie, die Energiewende wie auch die Digitalisierung nahezu aller Geschäftsbereiche hunderttausende Jobs kosten könnte, dies jedenfalls dann, wenn sich Beschäftigte nicht den Anforderungen der modernen Arbeitswelt entsprechend weiterbilden.Beschleunigte Gesetzgebung durch Covid-19Mit einem Referentenentwurf vom 14. November 2019 wurden erste konkrete Einzelheiten zum Arbeit-von-morgen-Gesetz bekannt gegeben. Es folgte ein zweiter Referentenentwurf vom 14. Februar 2020, der unmittelbar vom Gesetzesentwurf der Regierung vom 10. März 2020 abgelöst wurde. Diese Geschwindigkeit in der Entwicklung des Gesetzes ist schlicht der Angst geschuldet, dass die durch das Coronavirus bedingten wirtschaftlichen Folgen schnellere und gravierendere wirtschaftliche Folgen haben als Strukturwandel, Digitalisierung und Energiewende. Arbeitsminister Hubertus Heil und Wirtschaftsminister Peter Altmaier erklärten in einer jüngsten gemeinsamen Pressekonferenz, dass das Arbeit-von-morgen-Gesetz so schnell wie möglich das vollständige parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren durchlaufen soll. Diese Absicht wurde auch umgesetzt, das Gesetz ist nach Zustimmung des Bundesrats am 13.03.2020 bereits verabschiedet. Im Sinne dieser beschleunigten Gesetzgebung wirkte das Coronavirus ersichtlich einigend und parteiübergreifend.Kurzarbeitergeld - Covid-19 als "höhere Gewalt"Nach der gesetzlichen Regelung in § 95 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn - neben weiteren sozialrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen - ein vorübergehender erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt. Ein solcher Arbeitsausfall kann wirtschaftliche Gründe oder auch ein unabwendbares Ereignis als anspruchsauslösende Ursache haben. Ein unabwendbares Ereignis liegt ausgewiesenermaßen bei "höherer Gewalt" vor. Die Corona-Pandemie - als solche wurde die Verbreitung des Coronavirus am 11. März 2020 von der WHO eingestuft - ist in diesem Sinne "höhere Gewalt". Wenn also wegen des Coronavirus Unternehmen ganz oder teilweise ihren Betrieb einstellen müssen und es deswegen zu einem Entgeltausfall für die Arbeitnehmer kommt, liegt ein tatbestandsauslösendes Merkmal für den Bezug von Kurzarbeitergeld vor. Nach der derzeit noch geltenden gesetzlichen Regelung muss für den Bezug von Kurzarbeitergeld im Anspruchszeitraum - dem jeweiligen Kalendermonat - mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall durch Kurzarbeit betroffen sein. Nach dem Arbeit-von-morgen-Gesetz soll Kurzarbeitergeld bereits dann gezahlt werden, wenn nur zehn Prozent der Beschäftigten vom Entgeltausfall betroffen sind. Darüber hinaus sollen die beim Bezug von Kurzarbeitergeld grundsätzlich vom Arbeitgeber zu bezahlenden Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe an den Arbeitgeber erstattet werden. Auch für Leiharbeitnehmer soll nun Kurzarbeitergeld gezahlt werden. Kurzarbeitergeld wird in Höhe von bis zu 67 Prozent des Nettoentgelts bezahlt. Die Bundesagentur für Arbeit hat erklärt, dass genügend Rücklagen vorhanden sind, um umfänglich und schnell alle Ansprüche auf Kurzarbeitergeld zu bedienen. Betroffene Unternehmen sollten bei einem Arbeitsausfall unmittelbar reagieren.Höhere Förderung in der WeiterbildungDas Arbeit-von-morgen-Gesetz sieht eine Erhöhung der Zuschüsse der Bundesagentur für Arbeit für Lehrgangskosten und Arbeitsentgelte in der Weiterbildung um jeweils zehn Prozent vor. Voraussetzung ist allerdings, dass mindestens jeder fünfte Beschäftigte eines Betriebs eine Weiterbildung benötigt. Existiert eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag mit entsprechenden Bestimmungen zur beruflichen Weiterbildung, ist eine zusätzliche Förderung von fünf Prozent der Kosten bzw. des Arbeitsentgelts möglich.Des Weiteren verbessert das Arbeit-von-morgen-Gesetz die Fördermöglichkeiten für Qualifizierungen in einer Transfergesellschaft. § 111 SGB III bestimmt, dass Arbeitnehmer mit dem Ziel der Vermeidung von Entlassungen Anspruch auf das spezielle Transferkurzarbeitergeld haben, welches die Förderung der Eingliederung bei betrieblichen Restrukturierungen bezweckt. Das Transferkurzarbeitergeld wird für längstens zwölf Monate gezahlt. Das Arbeit-von-morgen-Gesetz sieht des Weiteren einen Rechtsanspruch auf Förderung des Nachholens eines Berufsabschlusses vor. Die in § 130 SGB III geregelte und bisher bis 30. September 2020 befristete sogenannte "assistierte Ausbildung" wird erweitert und zeitlich erstreckt. Die Förderung in der assistierten Ausbildung setzt bereits im Vorfeld einer "echten" Ausbildung an. Ebenfalls beinhaltet das Arbeit-von-morgen-Gesetz Änderungen im Qualifizierungschancengesetz, bei der Förderung einer Einstiegsqualifizierung wie auch Regelungen zu Fahrtkosten, Weiterbildungsprämien und sogenannten Maßnahmezulassungen zur beruflichen Weiterbildung.VerordnungsermächtigungFür das Kurzarbeitergeld wird eine neue Verordnungsermächtigung eingeführt. Hiernach ist es der Bundesregierung im Alleingang möglich, für den Fall "außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt" durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats besondere Maßnahmen zu treffen. Zweck ist die Bewältigung solchermaßen außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt, wie sie auch und insbesondere im Zusammenhang mit der Pandemie Covid-19 auftreten können. Es sollen bei Bedarf kurzfristig Sonderregelungen eingeführt werden können, ohne dass das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden muss. Die Ermächtigung soll mit Ablauf 31. Dezember 2021 außer Kraft treten - dies in der offensichtlichen Hoffnung und Erwartung, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Corona-Krise überstanden ist.Kurzfassung1. Mit dem "Arbeit-von-morgen-Gesetz", dem Gesetz zur beruflichen Weiterbildung und zur Ausbildungsförderung, ist zum einen eine vorausschauende Arbeitsmarktpolitik im Hinblick auf die Energiewende, den Strukturwandel und die Digitalisierung in der Arbeitswelt beabsichtigt. Zum anderen soll dieses Gesetz im Hinblick auf einen durch die aktuelle Viruskrise erwarteten Arbeits- und Entgeltausfall als Steuerungsinstrument dienen.2. Durch das Arbeit-von-morgen-Gesetz soll der Bezug von Arbeitslosengeld vereinfacht und verbessert werden. Danach soll Kurzarbeitergeld bereits dann gezahlt werden, wenn nur zehn Prozent der Beschäftigten vom Entgeltausfall betroffen sind (aktuelle Gesetzeslage: ein Drittel der Beschäftigten). Darüber hinaus sollen nach diesem Gesetz die beim Bezug von Kurzarbeitergeld vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge in voller Höhe an den Arbeitgeber erstattet werden.3. Das Arbeit-von-morgen-Gesetz sieht vielfältige Förderungen für die berufliche Weiterbildung vor: Erhöhung der Zuschüsse für Lehrgangskosten und Ausbildungsentgelte, Fördermöglichkeiten für Qualifizierungen in einer Transfergesellschaft, Rechtsanspruch auf Förderung des Nachholens eines Berufsabschlusses, Erweiterung und zeitliche Erstreckung der assistierten Ausbildung, Verbesserungen im Qualifizierungschancengesetz, Förderung bei einer Einstiegsqualifizierung, Regelungen zu Fahrtkosten und Maßnahmezulassungen zur beruflichen Weiterbildung.4. Das Arbeit-von-morgen-Gesetz beinhaltet im Hinblick auf das Kurzarbeitergeld eine Verordnungsermächtigung zugunsten der Bundesregierung. Danach kann die Bundesregierung für den Fall "außergewöhnlicher Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt" durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats besondere Maßnahmen treffen. Es bedarf keines langwierigen parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens.KommentarBei dem Arbeit-von-morgen-Gesetz handelt es sich um ein typisches Änderungsgesetz. Ein solches Gesetz greift in andere Gesetze ein und ändert diese - wie dies der Name sagt - ab. Dies geschieht dergestalt, dass einzelne Teile von bestehenden Gesetzen aufgehoben, ergänzt oder neu gefasst werden. Ein Änderungsgesetz - so auch das Arbeit-von-morgen-Gesetz - ist letztendlich für sich allein nicht lesbar, es müssen immer die zu ändernden Gesetze mit einbezogen werden.Aufgrund der erstaunlichen Schnelligkeit, mit welcher das Arbeit-von-morgen-Gesetz aufgesetzt wurde und beschlossen werden soll, bestand bisher nur wenig Zeit, um alle Regelungsgehalte vollständig überblicken und bewerten zu können. Es liegt allerdings das deutliche Bemühen der Politik vor, für die Handhabung der aktuellen Viruskrise durchgriffsstarke und schnelle Handlungsinstrumente zu schaffen. Dies gilt namentlich für das Kurzarbeitergeld und die diesbezügliche Verordnungsermächtigung der Bundesregierung. Die Bundesregierung wie auch die Bundesagentur für Arbeit erwarten noch in diesem Jahr eine sehr hohe und kurzfristige Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld. Aus eigener Risikovorsorge sollte jeder Arbeitgeber vorbereitet sein.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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