Ausgabe 12/2009: Das Auto.haus

Das Auto.hausVW Corporate Design E Das Autohaus Thielmann in Haiger zeigt als erster Betrieb die neue, weltweit gültige Modular-Architektur für Volkswagen-PartnerVon Dieter RadlWie ein „Erlkönig“ habe er sich während der Bauphase manchmal gefühlt, berichtet schmunzelnd Günter Thielmann, der Bauherr des ersten Autohauses im neuen VW Corporate Design in Deutschland. Ende April eröffnet, ist es seither Pilgerziel für Bauexperten geworden. Auch wir haben uns ein Bild gemacht beim Ortstermin in Haiger mit den Hauptakteuren dieses Pilotprojektes: Neben Günter Thielmann waren das Siegfried Kaupa (Leiter VW Händlerbauberatung Deutschland), Frank Eggers (VW Vertrieb Deutschland), Michael Munzlinger und Michael Schramm (beide archinetwork), Rolf Müller (Delta Bauplanung) sowie Daniel Schmidt und Michael Machinek (beide Architekturbüro Freischlad + Partner, Haiger). Die Arbeitsteilung der drei Planungsbüros sah wie folgt aus: archinetwork erbrachte die Vor- und Entwurfsplanung, Freischlad + Partner die Genehmigungs- und Ausführungsplanung sowie die Objektkoordination vor Ort. Gemeinsam durchgeführt wurde die Ausschreibung und Vergabe des GU-Auftrages, den die Delta Bauplanung erhielt. Und natürlich war permanent eine enge Abstimmung mit der VW Bauberatung über Grundsatz- und Detailfragen während des ganzen Bauprozesses dieses Pilotprojekts angesagt.Das Haus für „Das Auto.“Entstanden war das VW Baukonzept diesmal nicht in den fernen Büros eines Stararchitekten, sondern konzernintern, erinnert sich Frank Eggers: „Die Marketingabteilung hat Ende 2007 in Kooperation mit der MetaDesign AG ein neues Innenraum- und Möbelkonzept entwickelt. Das wurde dann von der VW Bauberatung in Architektur übersetzt.“ Man habe sich dabei am schlichten Rahmendesign des Volkswagen Werbeauftritts und Claims „Das Auto.“ orientiert und dessen selbstbewusstes Understatement in ein modulares Handelsplatzkonzept transponiert, dessen einzig wirkliche Architekturelemente die Rahmen sind: der Gebäude-, Portal-, Händler- und der Servicerahmen, die mit strahlend weißer Alu-Composit-Materialästhetik der neuen Neutralität und Sachlichkeit ein markenspezifisches Gesicht geben. Aber damit ist das Thema Prestige- und Marken-Architektur auch schon abgehakt. „Kosten, Kosten, Kosten stand in unserem Lastenheft ganz oben“, erläutert Siegfried Kaupa, „das Resultat ist eine normale Industriebau-Architektur mit Standard-Rastermaßen, die einfache Konstruktionen und hohe Flexibilität erlaubt.“ Von dieser Flexibilität profitieren viele weitere kostenrelevante Aspekte: Die optimale Nutzung der Grundstücksfläche, der Umbau eines bestehenden Betriebs, die Hülle für schlanke Prozesse, die Einschätzung der Immobilie im Bankgespräch etc. Ein im Vergleich zum Piazza-Format reduzierter Glasanteil senkt zudem die Rechnung des Fassadenbauers und später Jahr für Jahr jene der Stadtwerke. Letztere auch deswegen, weil das neue Beleuchtungssystem einfacher ist, auf indirekte Beleuchtung (= Energiefresser) verzichtet und mit nur einer Lichtfarbe (4.200 Grad Kelvin) auskommt. Rückenwind beim Kostensparen bekommt es zudem von zwei Oberlichtbändern (viel Tageslicht) und der Grundhelligkeit der dominierenden Farbe Weiß.Ganz in WeißWeiteres Charakteristikum des neuen modularen Handelsplatzkonzepts ist die optische Verzahnung der Bereiche Service, Teile und Zubehör mit dem Verkauf: Weiß als durchgängige Leitfarbe, ein einheitlicher Bodenbelag aus hellgrauen 60 x 30cm-Fliesen, die abgehängte weiße Decke im Showroom und in der durch raumhohe Glasscheiben an den Verkaufsbereich angebundenen Dialogannahme. Das Mobiliar der verglasten Verkäufer- und der offenen Serviceberater-Arbeitsplätze ist nahezu identisch. Außen fasst der Gebäuderahmen Schauraum und Dialogannahme/Diagnose zur Fassaden-Einheit zusammen. Die Botschaft all dessen: Verkauf und Service werden hier gleichwertig „auf Augenhöhe“ gesehen und gelebt.Das Motiv des weißen Rahmens dominiert auch im Schauraum: Etwa beim zentralen Empfangstresen, hinter dem sich das Welcome-Panel als blaue Insel (natürlich weiß gerahmt) abzeichnet, das dank der beiden Oberlichter, die den Spiegeleffekt der Glasfassade minimieren, sogar tagsüber von der Straße aus gut erkennbar ist. Die „Inszenierungsinseln“ sind Alunatur gerahmte Laminatflächen, die schwimmend verlegt ohne viel Aufwand frei im Raum verschiebbar sind. Auf ihnen lassen sich Highlight-Fahrzeuge, Aktionen, der Shop, die Kundenwartezone, der Empfangstresen etc. nach Gusto kombiniert präsentieren. Es gibt also kein festgelegtes Ausstellungskonzept à la „Straßenpräsentation“, der Händler kann seine neutrale Schauraum-Bühne frei bespielen, nur die Bodentanks bilden zusammen mit der Maßgabe „30 m2 Fläche pro Ausstellungsfahrzeug“ gewisse Rahmenbedingungen für die Präsentation. Optisch angebunden an den Schauraum und die Verkäuferbüros unter der kleinen Galerie steht der Fahrzeugübergabe-Raum für den emotionalsten Moment des Kaufaktes bereit.Kosten, Kosten, Kosten …… stand im Lastenheft in der Pole-Position. Die Theorie des Masterplans nennt eine Kostenersparnis von ca. 23 Prozent im Vergleich zum Piazza-Konzept. Wie sieht das praktische Ergebnis im Autohaus Thielmann aus? Bauherr, Bauberatung und Architekten stellen übereinstimmend diese Rechnung für die reinen Baukosten inkl. Haustechnik auf: z Rund 1.000 Euro/m2 „vor der Brandwand“ (für rund 510 m2 Nettoausstellungsfläche, 125 m2 Dialogannahme, 50 m2 Fahrzeug-auslieferung sowie über 400 m2 weitere Funktions- und Büroflächen).z Rund 780 Euro/m2 „hinter der Brandwand“ (für den gut 800 m2 großen Lager- und Werkstatttrakt, der keine markenspezifischen Besonderheiten fordert, sowie ca. 90 m2 Sozialbereich im Obergeschoss).Damit bestätigt das Pilotprojekt Thielmann also die genannte Größenordnung aus dem Master-Sparplan, wenn man als Bezugsgröße die 1.200 bis 1.300 Euro/m2 nimmt, die die versammelten Bauexperten in Haiger als Durchschnittskosten für zuletzt gebaute Piazza-Autohäuser nennen. Einen zweiten Kostenspareffekt spricht Rolf Müller an: „Die zentral-radiale Ausrichtung der Piazza-Architektur hatte größere Restflächen zur Folge, beim neuen, streng orthogonalen Konzept ist das Delta zwischen Brutto- und Nettoausstellungsfläche geringer, die Flächenausnutzung also besser.“ Mit anderen Worten: Man kann nicht nur pro Quadratmeter eine Kostenersparnis von gut 20 Prozent gegenüber der Piazza erzielen, man kann sich darüber hinaus für ein Autohaus vergleichbarer funktionaler Kapazität auch einige Quadratmeter Geschossfläche sparen. Das Weiße Haus und das NetzApropos Piazza: „Dieses Konzept ist mit dem neuen Handelsplatzkonzept keineswegs veraltet“, betonen Siegfried Kaupa und Frank Eggers, „es gelten beide parallel nebeneinander. Es wird auch keinen Zeitrahmen und keinerlei Zwang geben bei der Umsetzung des neuen Handelsplatzkonzepts.“ Zudem lasse sich auch ein Piazza-Betrieb pragmatisch auf das neue Konzept umrüsten, dazu müssten Piazza-Portal und -Platzrandfassaden weiß gestrichen und das Innenraumkonzept angepasst werden. Wer aber künftig neu baut, wird wohl gut beraten sein, mit dem neuen Masterplan zu arbeiten, allein schon aus Kostengründen. Acht weitere Autohäuser sollen noch in diesem Jahr in Deutschland nach dem neuen Architekturkonzept gebaut werden, für das es analog zum Piazza-Konzept wieder CD-Boni für bestimmte Elemente (siehe Kasten links) gibt – allerdings nur bis 31. Mai 2010. „Es wird aber eine Anschlussregelung geben“, betont Frank Eggers. Bliebe anzumerken: Im Interesse der Bauherren und einer lebhaften Umsetzung des neuen Konzepts sollte besser morgen als übermorgen klar sein, wie diese Regelung aussehen wird.O-Töne zum neuen Auto.hausIn Haiger wurde das neue modulare Baukonzept von den Praktikern in der Tendenz sehr positiv beurteilt. Nach den ausgestandenen Geburtswehen des Pilotprojekts auch vom Bauherrn Günter Thielmann: „Das neue Konzept ist klarer strukturiert, neutraler, zeitloser und variabler handhabbar als die Piazza. Zudem gibt es Vorteile auf der Kostenseite, auch wenn diese erst in ca. zwei Jahren mit wachsender Konzeptreife und Materiallogistik voll zu Buche schlagen dürften. Und wie sich die schönen, weißen Flächen im täglichen Gebrauch verhalten werden, werden wir dann anhand unserer Reinigungs- und Pflegekostenrechnungen sehen.“ Michael Munzlinger und Michael Schramm von archinetwork meinen: „Wir haben jetzt einen sehr flexiblen Baukasten, können damit die individuelle Situation vor Ort optimal in der Planung berücksichtigen, und im Bankgespräch hat man dank der weitgehend markenneutralen Architektur bessere Karten.“ Rolf Müller von der Delta Bauplanung: „Die stützenfreie Ausstellung ermöglicht auf dem einheitlich durchgefliesten Boden eine flexible Fahrzeugpräsentation. Generell ist die Gebäudekubatur einfacher als bei der Piazza, während die Oberflächenausprägung teileweise anspruchsvoller ist, z. B. die abgehängte Decke oder die weißen Rahmen aus Alu-Composit-Material.“ Daniel Schmidt vom Architekturbüro Freischlad + Partner ergänzt einen wichtigen lokalen Aspekt: „Das neue ,weiße Haus‘ hat hier in der Gegend einen ausgesprochen hohen Aufmerksamkeitswert und ist Thema in der Region.“EntwicklungspotenzialeJedes junge Konzept hat noch Entwicklungspotenziale. Bei den Sparrunden im Multidialog rund um das Pilotprojekt in Haiger wurden bereits einige ausgelotet. „Wir haben etwa bei den Oberlichtern aus Kostengründen kein Glas, sondern Polycarbonat-Elemente genommen, die auch beim Brandschutz Vorteile bieten: Sie schmelzen bei 300 Grad Celsius und ermöglichen so die komplette Entrauchung der Halle, teure Rauch-Wärme-Abzugsanlagen mussten wir deshalb nicht einbauen“, berichtet Michael Munzlinger. Auch Fragen wie vernünftige Scheibengrößen und optimale Schallschutzmaßnahmen dürften Diskussionsthema in künftigen Planungsgesprächen bleiben. Nicht zur Diskussion wird allerdings die abgehängte Decke stehen: Sie gehört funktional (Lichtsystem), programmatisch (Service & Verkauf als Einheit) und ästhetisch (kaschiert die simple Stahlkonstruktion) essentiell zum neuen Konzept; bei anderen Marken-Konzepten wird diese gerne mal weggelassen. Rolf Müller bringt es auf den Punkt: „Das ist absolut keine Option, das ist ein optisches No-go!“ zLesen SIe hier......wie die Geburtsvorbereitungen für das neue VW Autohauskonzept liefen und wie dieses in Gestalt des Autohauses Thielmann in Haiger das Licht der Welt erblickte architekturmargeDas neue Handelsplatzkonzept ist wie die Piazza-Architektur mit einer Architektur-Marge von maximal 3 Prozent (für jeden NW-Verkauf) ausgestattet. Diese Elemente werden bonifiziert:z Gebäuderahmen (0,45 %)z Eingangsportal und Händlerrahmen (0,45 %)z Möbelpaket (0,45 %)z Separater Auslieferungsplatz (0,45 %)z Fliesenboden (0,6 %)z Abgehängte Decke (0,6 %)Die maximal 3 Prozent Architekturmarge gibt es für die Piazza und das neue Handelsplatzkonzept laut Hersteller-Zusage bis 31. Mai 2010. Danach soll eine Anschlussregelung mit neuer Systematik in Kraft treten. Wie diese aussehen wird, ist derzeit noch unklar.

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