Bundestagung Kfz-Gewerbe: Datenwahn und Endrohrmessung

Wie schnell sich die Welt verändern kann, wird derzeit mehr als deutlich mit dem Abgas-Skandal bei Volkswagen. Von einem Tag auf den anderen wurde aus dem Weltkonzern, der sich eben noch anschickte, der global größte Hersteller zu werden, ein krisengeschüttelter Gigant, dessen Aktienkurs dramatisch abstürzte und der jetzt sein Geld zusammenhalten muss, um die anstehende Klagewelle zu überstehen. Nach dem "Datenwahn" der diesjährigen IAA, die den Eindruck verstärkte, die Autos der Zukunft werden lediglich noch die Hüllen für elektronische Datensysteme und Entertainment sein, propagierten Politik und Kfz-Gewerbe auf der diesjährigen Bundestagung des Kfz-Gewerbes Anfang Oktober in Köln nun wieder die Abgasmessung im Feld. Das Vertrauen in die reine Prüfung der Software und das Auslesen der Kennfelder an der OBD-Steckdose (On-Board-Diagnose) ist seit dem VW-Abgasskandal nachhaltig erschüttert. Wenn den Daten nicht getraut werden kann, muss wieder am Abgasendrohr gemessen werden, so die Schlussfolgerung. Eine Steilvorlage für den Erhalt der Abgasuntersuchung (AU) in der bisherigen Form. "Ein besseres Argument für den Erhalt der AU hätten wir gar nicht finden können", sagte denn auch ZDK-Präsident Jürgen Karpinski. Denn diese steht derzeit auf dem Prüfstand: Der deutsche Gesetzgeber arbeitet an der nationalen Umsetzung einer EU-Richtlinie zu den zukünftigen Anforderungen an die technische Fahrzeugüberwachung. Das aktuelle Verfahren ist bis 2019 festgeschrieben. Bis Mitte 2017 soll festgelegt werden, wie es weitergeht. Unterstützung von Dobrindt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sagte als Gastredner auf der Bundestagung vor den 450 Verbandsvertretern seine Unterstützung dabei zu, zukünftig bei der AU mehr am Endrohr messen zu lassen. Dass eine verpflichtende Endrohrmessung sinnvoll ist, zeigen auch die Ergebnisse des ZDK-Abschlussberichts zur AU-Mängelstatistik 2014. Über sechs Prozent der untersuchten Pkw, Nutzfahrzeuge und Krafträder haben die Abgasuntersuchung (AU) nicht bestanden. Insgesamt führten die anerkannten AU-Betriebe 12,4 Millionen Abgasuntersuchungen durch. Dabei wurden 1,125 Millionen abgasrelevante Mängel an 781.650 beanstandeten Fahrzeugen festgestellt. Von den statistisch erfassten Mängelfahrzeugen konnten 539.741 mit einer Wartung, Inspektion oder Reparatur wieder instand gesetzt werden und so das zulässige Emissionsniveau erreichen. Es geht um den Erhalt der AU Der Erhalt der AU in den Werkstätten ist ein branchenpolitisch überaus wichtiges Thema, für das sich der Verband stark macht: Die anerkannten Kfz-Werkstätten sollen die amtlichen Untersuchungen weiterhin eigenständig durchführen können, bzw. als anerkannte PrüfstützpunkteAutofahrern die Hauptuntersuchungen durch Überwachungsorganisationen anbieten können. Bundesinnungsmeister Wilhelm Hülsdonk fordert sogar den Ausbau der Untersuchung, indem auch die Stickoxid (NOX)-Messung spätestens ab 2019 in den Prüfumfang aufgenommen werden soll. Sorge um kleine Betriebe Um solche Aufgaben übernehmen zu können, müssen die Betriebe aber auch bereit sein zu investieren. Und auch wenn der Datenwahn gerade einen gewissen Rückschlag hinnehmen muss: An dem großen Trend wird sich dadurch wohl nichts ändern. "Der automobile Fortschritt wird von moderner Software geprägt sein, von Rechnern und Sensoren", sagte Wilhelm Hülsdonk in seiner Eröffnungsrede zur Bundestagung. "In der Werkstatt 4.0 ist das Teilelager geschrumpft, ein 3D-Drucker produziert am Reparaturplatz das benötigte Ersatzteil." Das sei keine Zukunftsmusik: "Flugzeugteile werden heute schon auf diese Weise hergestellt." Diese Entwicklungen seien nicht aufzuhalten und stellten die Branche mit ihren überwiegend kleinen und mittelständischen Betrieben vor große Herausforderungen. Investitionen in Equipment und Schulungen seien ein Muss. "Das gilt auch für kleine Betriebe", betonte Hülsdonk. Hinzu komme der Marktdruck: "Wir sind eigentlich zu viele." Der Markt passe nicht mehr zu der Anzahl der Betriebe. Verlängerte Wartungsintervalle, verbesserte Fahrzeugqualität usw. ließen den Servicemarkt schrumpfen. Für kleinere Betriebe bliebe oftmals nur noch der Ausweg, sich zu spezialisieren, da sie die als Rundum-Dienstleister notwendigen Investitionen nicht mehr stemmen könnten. Marktdruck nimmt weiter zu Aber auch andere Einflussfaktoren erhöhen den Druck noch weiter: An vielen Stellen werde bereits Markt gebündelt, sagte Hülsdonk mit Blick auf die Schadensteuerung durch Versicherer, Leasingfirmen und Flottendienstleister. Wegen der Pläne der HUK, ihre Aktivitäten vom Unfallschadengeschäft auf den Service auszuweiten, hat der ZDK das Kartellamt angerufen. Die Befürchtung: "Wenn die HUK erfolgreich ist, wird es Nachahmer geben und wir werden immer mehr zu Marionetten der Monopolisten." ZDK-Präsident Jürgen Karpinski empfahl den Betrieben als Gegenmaßnahme zur Schadensteuerung, im Versicherungsverkauf aktiver zu werden, zum Beispiel mit Hilfe des Branchenversicherers Nürnberger. "Es liegt an uns", betonte er, "zuerst kauft der Kunde das Auto und dann die Versicherung." Stärkung für Mittelstand Neben den Branchenthemen nahm auch die große Politik breiten Raum auf der Bundestagung ein. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner forderte Erleichterungen für Unternehmer, um ihnen die Möglichkeit zu geben, den Wandel zu gestalten: "Wir vertrauen auf Ihre Eigenverantwortung und Kreativität." Die geplanten Veränderungen im Erbschaftsteuerrecht schwächten die mittelständische Wirtschaft. Kritik übte Lindner auch an der Bildungspolitik hierzulande: "Abitur für alle ist kein sinnvolles gesellschaftspolitisches System." In diese Kerbe schlug auch Wissenschaftler Julian Nida-Rümelin. Der frühere Kulturstaatsminister im ersten Kabinett Schröder legte dar, dass der Drang zu Abitur und Studium oft auf falschen Erwartungen der Jugendlichen und deren Eltern basiere. Sowohl was den Verdienst als auch was die Sicherheit des Arbeitsplatzes angehe, würden Handwerksberufe unterschätzt. Hier müsse dringend gegengesteuert werden. Die Betriebe sollten sich nicht scheuen, ihre Vorteile im Werben um den Nachwuchs darzustellen, so Nida-Rümerlin. Das Thema Erbschaftsteuer griff auch Experte Michael Böhlk-Lankes auf. Der Rechtsanwalt und Steuerberater aus der Kanzlei Rath, Anders, Dr. Wanner und Partner empfahl den Anwesenden das bis zum 30. Juni 2016 geltende aktuelle Erbschaftsrecht zu nutzen. "Es wird nicht besser." Den derzeit vorliegenden Entwurf für eine neue Erbschaftsteuerregelung hält Böhlk-Lankes für verfassungswidrig. Kurzfassung Der Erhalt der Einbindung der Kfz-Werkstätten in die technische Fahrzeugüberwachung war auf der Bundestagung ebenso Thema wie Maßnahmen gegen den zunehmenden Marktdruck, Nachwuchsprobleme und die geplante Änderung der Erbschaftsteuer.

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