Kennzeichnungsvorschriften: Der tägliche Kampf mit der Pkw-EnVKV

Die Kennzeichnungsvorschriften über den Kraftstoff- oder Stromverbrauch sowie die CO2-Emissionen neuer Pkw gemäß der Pkw-EnVKV sind für Autohäuser seit Jahren ein absoluter Graus. Der Gesetzgeber hat die einzuhaltenden Kennzeichnungen derart kompliziert gestaltet, dass es den Autohäusern - jedenfalls ohne juristische Beratung - nahezu unmöglich ist, die Vorschriften im Tagesgeschäft einzuhalten.Insbesondere ergeben sich für die Autohäuser in der Rechtsanwendung dahingehend Probleme, dass, abhängig vom jeweiligen Angebots- bzw. Werbemedium, die Kennzeichnungen für neue Pkw unterschiedlich gestaltet sind.Was ist kennzeichnungspflichtig?Schwierigkeiten bereitet schon von Anfang an die Beantwortung der Frage, welche Pkw nun überhaupt kennzeichnungspflichtig sind, da der Neuwagenbegriff der Pkw-EnVKV deutlich komplizierter ist als derjenige, den die Autohäuser aus dem Kaufrecht kennen und anwenden können.So sind zum Beispiel Fahrzeuge nicht nur dann neu, wenn sie nach der Produktion ohne Zwischenhändler beim Händler angelangen und von diesem dann zum Kauf oder Leasing angeboten, ausgestellt oder beworben werden. Vielmehr ist der Neuwagenbegriff der Pkw-EnVKV deutlich weiter gestaltet und umfasst alle Fahrzeuge, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung veräußert worden sind (§ 2 Ziff. 1 Pkw-En-VKV). Das führt zu der interessanten Konstellation, dass auch Tageszulassungen und Fahrzeuge, die sich über mehrere Jahre beim Händler befunden haben, noch immer kennzeichnungspflichtig sind. Auch bei den Vorführwagen ergaben sich erhebliche Probleme, da im Nachhinein festgestellt werden musste, ob denn ein Fahrzeug beim Ankauf durch den Händler zum Zwecke des Vorführens erworben werden sollte.Zum Glück entschied der BGH dann im Jahr 2011 (BGH Az. I ZR 190/10), dass jedenfalls bei Fahrzeugen, die Vorführfahrzeuge waren und eine Laufleistung von mehr als 1.000 Kilometer besaßen, davon auszugehen sei, dass es sich nicht mehr um Neuwagen handele, mit der Folge, dass diese nicht mehr kennzeichnungspflichtig sind. Es bedurfte allerdings hier einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes, damit Rechtsklarheit an dieser Stelle eintrat. Der Gesetzgeber war nicht in der Lage, eine klare Regelung zu finden.Ähnlich problematisch war die Frage zu betrachten, wie dann bei Vorführfahrzeugen vorgegangen werden sollte, bei denen irrtümlich eine Laufleistung von weniger als 1.001 Kilometern in der Werbeanzeige angegeben war, die aber tatsächlich mehr als 1.000 Kilometer auf dem Tacho hatten. Auch hier musste der BGH klarstellen, dass es auf die tatsächliche Laufleistung und nicht die beworbene Laufleistung ankommt.KennzeichnungBei den Fragen des "Wie" der Kennzeichnung wird die Sache richtig kompliziert. So ist zwar im Bereich des stationären Handels, also dem Ausstellen von Fahrzeugen im Showroom, auf dem Betriebsgelände, bei einer Gewerbeschau oder Messe die Angelegenheit noch relativ einfach, da lediglich das vom Hersteller zur Verfügung gestellte Pkw-Label an gut sichtbarer Stelle am oder neben dem Fahrzeug platziert werden muss, ferner ein ebenfalls vom Hersteller zu erlangender Aushang über die über die Verkaufsstätte beziehbaren Fahrzeuge vorhanden zu sein hat und ein so genannter DAT-Leitfaden zur Übergabe an interessierte Kunden bereitgehalten werden muss. Probleme ergeben sich hier allenfalls bei Fahrzeugen, die schon verkauft, aber noch auf dem Gelände stehen, ferner bei Fahrzeugen, die vom Spediteur angeliefert und noch nicht ausgezeichnet sind. Diese Probleme sind aber relativ leicht dadurch in den Griff zu bekommen, dass "so früh wie möglich" und "so lange wie möglich" gekennzeichnet wird.Gedruckte WerbungIm Hinblick auf die Werbung in Druckschriften - also Zeitungen, Zeitschriften, Flyer, Prospekte etc. - wird die Angelegenheit schon komplizierter: Denn interessanterweise - anders als in der elektronischen Werbung - sind bei der Bewerbung konkreter Fahrzeugmodelle bezüglich des Kraftstoffverbrauchs sämtliche Testzyklen (innerorts, außerorts und kombiniert) anzugeben, ferner der kombinierte CO2-Emissionswert und zusätzlich - jedoch nur in Einzelfällen, die dann wiederum schwierig zu beurteilen sind - die CO2-Effizienzklasse.Die Angabepflicht bezieht sich - anders als vor einer Gesetzesreform im Jahr 2012 - auf ein konkretes Fahrzeugmodell und ist nicht (mehr) abhängig davon, ob bereits eine Motorisierungsangabe zum Fahrzeug genannt wird. Damit sind auch Fahrzeuge, die lediglich als ein Fahrzeugmodell (und damit mit einer Motorisierung) lieferbar sind, kennzeichnungspflichtig.Elektronische WerbungViel komplizierter wird die Angelegenheit dann in der sogenannten elektronischen Werbung. Der Gesetzgeber vermeidet hier den Begriff "digital", obwohl es sich hier wohl um deckungsgleiche Begriffe handeln müsste, wenn man einmal von einer ISDN-gestützten Werbekampagne absieht, was heutzutage natürlich eher historisch zu betrachten wäre.Bei der digitalen Werbung (wir nennen sie jetzt einfach einmal so) sind interessanterweise in der Werbung für neue Fahrzeugmodelle nicht sämtliche Testzyklen des Kraftstoffverbrauchs anzugeben, sondern lediglich der Kraftstoffverbrauch im kombinierten Testzyklus und die CO2-Emissionen, wie immer, ebenfalls im kombinierten Testzyklus. Warum hier eine Abweichung, also das Fehlen der Testzyklen innerorts und außerorts, erfolgt, verrät uns der Gesetzgeber leider nicht. Stattdessen muss allerdings bei digitaler Werbung ein Hinweis auf den sogenannten DAT-Leitfaden erfolgen (vgl. Abschnitt II Ziff. 1 der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV), was immer dann, wenn es sich um digitale Werbeanzeigen handelt, die außerhalb der eigenen Internetpräsenz geschaltet werden, zum Problem wird.Was insofern viele vermuten, ist indessen nicht der Fall: Es gibt keine speziellen Werberegelungen der Pkw-EnVKV für soziale Medien oder bestimmte Arten digitaler Werbung: Hier wird alles über einen Kamm geschoren, was insbesondere dann zu erheblichen Problemen führt, wenn es sich um, formatbedingt, sehr kleine Werbeflächen handelt, die mit zahllosen rechtlichen Hinweisen versehen werden müssen. Hier stellt sich die Frage, wie die sämtlichen geforderten Angaben denn dem Kunden so präsentiert werden können, dass dieses verordnungsgemäß ist.Abmahnfalle Social MediaDer mangelnde Platz in kleinen Postings, der teilweise (z. B. bei Facebook) nach einigen Zeilen erst über eine Aufklappfunktion ("Weiterlesen...") weitere Hinweise enthält, wird zu Abmahnfalle, wenn der Werbepost durch seine Darstellungsart eine sofortige Kennzeichnung erfordert. Die Sache wird deshalb so kompliziert, weil viele denken, sie könnten sich der Kennzeichnungspflicht mit einem Sternchenhinweis entledigen, der dann im Aufklapptext aufgelöst wird. Mitnichten! Eine solche Darstellungsweise funktioniert im Rahmen der Kennzeichnungspflicht gemäß der Pkw-EnVKV nicht, da die Angaben zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen, so der Verordnungstext, automatisch in dem Moment erscheinen müssen, in dem erstmalig Motorisierungsangaben erscheinen. Der Händler muss also das Layout so planen, dass er in einer Anzeige, sei sie auch nur winzig, sämtliche Pflichtangaben unterbringen kann, sofern eine Motorisierungsangabe dort auftaucht. Ein "One click away" - Hinweis auf eine Landing Page oder ein Hinweis erst im Aufklapptext ist unzulässig.Mittlerweile geht die Rechtsprechung dazu über, die Anforderung an die digitale Werbung und die Druckschriftenwerbung einander anzugleichen. So soll beispielsweise auch in der digitalen Werbung ein Fahrzeug, welches nur als ein Fahrzeugmodell verfügbar ist, sofort kennzeichnungspflichtig sein, ohne dass es bereits Angaben zur Motorisierung gibt.Virtueller VerkaufsraumEine weitere besondere Kennzeichnungspflicht ergibt sich in einem sogenannten virtuellen Verkaufsraum, von welchem bei Einführung der Pkw-EnVKV noch nie jemand etwas gehört hatte. Der virtuelle Verkaufsraum verpflichtet den Anbieter zusätzlich zu den bisherigen Kennzeichnungen, ein sogenanntes grafisches Label mit anzugeben, also das sogenannte CO2-Label, welches farbig zu gestalten ist, wie dieses die Verordnung exakt vorschreibt.AusnahmenDamit nicht genug, gibt es auch wiederum - eigentlich ganz hilfreiche - Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht, wie beispielsweise diejenige, dass die Bewerbung von Fahrzeugen innerhalb einer bestimmten Fahrzeugreihe (beispielsweise "Mercedes SLK") nicht kennzeichnungspflichtig sind, da diese Fahrzeuge in verschiedenen Modellvarianten und Motorisierungen existieren. Es handelt sich dann um keine Bewerbung eines konkreten Fahrzeugderivates. Das ist aber riskant: Während "Der neue VW Golf" grundsätzlich nicht kennzeichnungspflichtig ist, ist "Der neue VW Golf R" wiederum kennzeichnungspflichtig, da schon ein konkretes Fahrzeugmodell (mit einer Motorisierung) genannt wird.Praktikabel dürfte sein, hier eine Spannbreitenangabe der jeweiligen Verbräuche und Emissionen anzugeben; so stößt man dann - wie bei einer Gegenprobe - schnell auf diejenigen Modelle, die schon so konkretisiert sind, dass sie kennzeichnungspflichtig sind. Aber Achtung: Auch Spannbreitenangaben haben ihre Tücken in der Darstellung. So muss die Spannbreite vom ungünstigen zum günstigen Wert angegeben werden.Der Händler muss also auf der Hut sein, wenn "sein Hersteller" ein Fahrzeugmodell zunächst in nur einer Motorisierung auf den Markt bringt.Rechtliche FallstrickeIn dieser komplizierten Gemengelage ist es selbst für Autohäuser mit geschulten Marketingabteilungen extrem schwierig, rechtlich fehlerfreie Werbeanzeigen zu gestalten, die nicht mit juristischen Disclaimern überladen sind.Das alles ist insofern problematisch, als die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) entsprechende Verstöße gegen die Pkw- EnVKV umfangreich abmahnt und zur Abgabe von strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärungen auffordert. Viele Händler werden bei Ankunft solcher Abmahnungen nervös und unterzeichnen diese ohne juristischen Beistand. Mit der Unterschrift verpflichten sie sich dann, für die nächsten mehr als 30 Jahre bei Meidung einer erheblichen Vertragsstrafe (man kann davon ausgehen, dass diese aktuell bei rund 7.500,00 Euro beginnt) jeglichen Verstoß gegen Verpflichtungen aus der Pkw-En-VKV zu vermeiden. Dieses gelingt natürlich "auf Strecke" nicht. Es kommt dann sogar zu nahezu kuriosen Fälligstellungen von Vertragsstrafen, wenn beispielsweise ein Autohaus die CO2-Emissionen nicht in der gebotenen Einheit "g/km", sondern irrtümlich "g/100 km" angibt. Sofort gerät dann das Autohaus in die Gefahr, eine Vertragsstrafe zu verwirken.Auch von juristischen Beratern wird der gegebenenfalls klare Wettbewerbsverstoß, d. h. ein Verstoß gegen die Kennzeichnungspflichten der Pkw-EnVKV, gleichgesetzt mit der Verpflichtung, eine Vertragsstrafenerklärung zu unterzeichnen. Das ist allerdings ein großer Irrtum: Es besteht keine Verpflichtung, eine Vertragsstrafenerklärung zu unterzeichnen. Wird keine entsprechende Erklärung unterzeichnet, hat das Autohaus zwar mit einem Klageverfahren zu rechnen; es besteht allerdings kein Anspruch auf Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung, was bedeutet, dass ein Urteil in einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklageverfahren niemals eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung enthalten kann.Vor dem Hintergrund der Komplexität der einzuhaltenden Vorschrift und der sehr hohen Gefahr, bei abgegebener Vertragsstrafenerklärung zukünftig Vertragsstrafen zu verwirken, kann nur der Rat erteilt werden, sich vor der Bewerbung von Fahrzeugen schulen zu lassen, um einen gewissen Kompass für notwendige Kennzeichnungen zu erlangen. Im Übrigen gilt ferner für den Fall, dass eine Abmahnung auf dem Tisch des Autohauses landet, sich durch Experten entsprechend beraten zu lassen, wie das weitere Vorgehen ausgehen soll.Um das noch klarzustellen: Es gibt Wettbewerbsverstöße, die sinnvollerweise mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beendet werden sollten. Das sind solche Verstöße, deren Wiederholung in der Zukunft unwahrscheinlich ist. Bei einer Unterlassungserklärung, mit der man sich vertragsstrafenbewehrt de facto zu Einhaltung aller Regelungen einer komplizierten Rechtsverordnung verpflichtet, sollten aber alle Alarmglocken im Autohaus schrillen!Die 10 häufigsten Fehler!Die häufigsten Fehler bei der Kennzeichnung von Fahrzeugen (Pkw) gem. Pkw-EnVKV stellt Sascha Leyendecker, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, bei AUTOHAUS next vor:https://next.autohaus.de/view/87837Online-Seminar: Abmahnungen vermeiden!Digitale Werbeformen haben Hochkonjunktur auf den diversen Plattformen. Doch gerade in dieser Werbeform lauert die Gefahr, abgemahnt zu werden. RA Sascha Leyendecker, Partner der Kanzlei JuS Rechtsanwälte und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Urheber- und Medienrecht erklärt die wichtigsten Regeln und die aktuelle Rechtsprechung im kompakten Online-Seminar. Der Experte gibt einen Überblick, worauf Sie bei digitaler, datenschutzkonformer Werbung achten müssen. So vermeiden Sie Abmahnungen! Am Ende des Online-Seminars gibt es zudem einen Ausblick auf die zu erwartenden Änderungen in Sachen Kennzeichnungspflicht WLTP.Online-Seminar Digitale Werbung: Gefahrenpotential erkennen - Abmahnungen vermeiden am 18.11.2021 um 09:30 bis ca. 13:30 UhrSie erhalten vor dem Online-Seminar Ihren persönlichen Zugangslink.Infos und Anmeldung: www.autohaus.de/abmahnung

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