Ausgabe 12/2014: Die Krux mit Online-Portalen

Mit Schlagzeilen wie "Neuwagen günstig online kaufen" und "Bis zu 41 Prozent Rabatt" werben Neuwagen-Onlineportale im Internet um Kunden. Richtig sind diese Anpreisungen aber keinesfalls: Auf keinem der Portale/ Plattformen kann man online ein Auto kaufen. Es geht vielmehr ausschließlich um die Vermittlung von Kaufinteressenten an Händler. Aus welchem Grund die Hersteller und Importeure diesem Treiben seit geraumer Zeit tatenlos zusehen, ist ein Geheimnis. Aus meiner Sicht ist es ein Angriff auf die quantitative Selektion im Neuwagenvertrieb, den kein Hersteller oder Importeur hinnehmen muss. Im Gegenteil: Um sich nicht dem Vorwurf eines diskriminierenden Verhaltens auszusetzen, müsste hier gehandelt werden, und zwar schnell! + Mit der neuen GVO ist der grundsätzliche Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Händlern gesetzt. Bis zu einem Marktanteil von 30 Prozent kann ein Hersteller ohne weiteres ein quantitativ-selektives Vertriebssystem betreiben: Er kann von seinen Händlern die Erfüllung von Vertriebsstandards verlangen, den Verkauf an nichtautorisierte Wiederverkäufer verbieten und in engen Grenzen sogar Markenexklusivität fordern. Vor allem aber kann er die Anzahl der zugelassenen Vertriebspartner frei bestimmen und seinen Händlern den Einsatz von Unterhändlern und ständigen Vermittlern verbieten. Dies erfordert auf Seiten des Herstellers lediglich, dass er seinerseits die Neuwagen nur an seine selektierten Händler verkauft. Hier ist der Ansatzpunkt für eine Zurückeroberung des Vertriebskanals "Internet" durch die Markenhandelsorganisationen. Denn die Plattformbetreiber agieren nur vordergründig als EU-Vermittler. Hinter den Kulissen schließen sie nämlich regelmäßig Rahmenverträge mit einigen ausgewählten Markenhändlern, auf deren Grundlage sie den Händlern ständig Interessenten zuführen. Gegenstand dieser Verträge ist - wörtlich - die entgeltliche Vermittlung von Kaufverträgen über Kraftfahrzeuge zwischen dem Händler und dem Nutzer der jeweiligen Plattform. Die Händler müssen sicherstellen, dass eine über die Plattform gestellte Kundenanfrage innerhalb gewisser Zeit bearbeitet und ein Kaufvertrag angeboten wird. Die Plattform ist also nichts anderes als ein virtueller ständiger Vermittler des Händlers. Einmal unterstellt, dass der Hersteller dem Einsatz dieses ständigen Vermittlers nicht zugestimmt hat, wird dadurch die quantitative Selektion unterlaufen. Wird der Hersteller hier nicht tätig, riskiert er den Vorwurf diskriminierenden Verhaltens, wenn er allen anderen Händlern weiterhin eine Unterorganisation vertraglich versagt. Abhilfe ist schnell möglich Dieses Thema anzugehen, verlangt nicht viel und lässt gleichwohl auf sich warten. Es müsste weder ein bestehender Vertrag beendet noch erst ein neuer Vertrag geschlossen werden, um hier für Ordnung im vertraglichen Sinne zu sorgen. Soweit mir bekannt ist, gesteht kein Hersteller oder Importeur seiner Handelsorganisation den Einsatz von ständigen Vermittlern vorbehaltlos, d. h. ohne schriftliche Zustimmung zu. Umso mehr verwundert es, dass die Hersteller nicht diejenigen Händler, die mit den Plattformen kooperieren, zur Unterlassung auffordern und dem Preisdumping ein Ende bereiten. Diese Untätigkeit ist riskant. Das Kammergericht Berlin hat in seinem sog. "Scout"-Urteil vom 19. September 2013 (Az. 2 U8/09 Kart) klar herausgearbeitet, dass ein an sich bestehendes Recht (nämlich das Recht auf qualitative Selektion) verloren sein kann, wenn sich der Hersteller nicht rechtstreu verhält: Da der verklagte Schulranzenhersteller Scout eine Restmenge an Vertragswaren aus dem Vorjahr statt über seine Vertragshändler an einen Discounter verkaufte, hat er sein selektives System unterlaufen und konnte sich nicht mehr auf ein vertraglich vereinbartes Plattformverbot berufen. So weit könnte es auch im Autovertrieb kommen: Wenn ein Hersteller das quantitative Element seines Systems nicht schützt, indem er einigen Händlern die ständige Kooperation mit Plattformen und Onlineportalen erlaubt, diskriminiert er seine übrigen Händler, mit weitreichenden Folgen für sein Absatzsystem. Warum geschieht nichts? Obwohl der Schutz des eigenen Vertriebsnetzes so einfach ist, lässt er trotzdem auf sich warten. Warum ist das so? Ist den Herstellern und den Importeuren nicht bewusst, dass es sich bei den Portalen um ständige Vermittler der Händler und nicht um Vermittler der Kunden handelt? Werden diese ständigen Vermittlungen wegen des starken Absatzdruckes womöglich bewusst geduldet? Oder fürchten die Hersteller nur den medialen Aufschrei bzw. den Zorn der Verbraucherschützer? Medien vs. Markenhandel Eins ist klar: Internetvertrieb ist nicht per se gut oder schlecht, auch wenn man bisweilen aus den Medien den Eindruck gewinnen könnte, dass das Einkaufen im Internet nur segensreich sei. Insbesondere die Berichterstattung über den "Scout-Fall" stimmt hier nachdenklich. Selbst angesehene Blätter wie die "Welt" titelten in diesem Zusammenhang sehr tendenziös, "Markenfirmen dürfen Händlern Ebay nicht verbieten". Wiederum andere, wie z. B. der Nachrichtendienst Heise, verstiegen sich sogar in die Schlagzeile: "Gericht entscheidet für den freien Handel". Diese schlagzeilenartigen Feststellungen spiegeln nicht den Urteilsinhalt wider, zeigen aber die vorherrschende Meinung in der Medienlandschaft: Markenhandel unterliegt Zwängen und ist daher schlecht; freie Händler sind unabhängig und damit gut. Worum ging es in diesem Urteil? Scout stellte die Belieferung eines Vertragshändlers ein, da dieser die Vertragswaren ohne Einhaltung der Standards über die Plattform Ebay weiterverkaufte. Der Händler wollte den Belieferungsstopp nicht hinnehmen und klagte. Nach über vier Jahren Prozess gestand das Gericht auf der einen Seite Scout das Recht zu, seinen Händlern markenimageschädigende Vertriebspraktiken, wozu auch ein Verkauf über Plattformen zähle, zu untersagen, gab jedoch auch dem Belieferungsanspruch des Händlers statt, da Scout sein selektives Vertriebssystem nicht diskriminierungsfrei gehandhabt habe. Die Quintessenz des Urteils ist somit nicht die Rechtswidrigkeit von Plattformverboten, wie "Welt" oder "Heise" titelten, sondern im Gegenteil deren Zulässigkeit, wenn sie im Rahmen der Gesamt-Vertriebsstruktur rechtlich einwandfrei umgesetzt werden. Verbraucherschutz vs. Markenhandel Diese sehr klare Position gefällt auch anderen nicht. Insbesondere die selbsternannten Verbraucherschützer lassen sich von der irrigen Auffassung leiten, dass die Verbraucherinteressen nur dann gewahrt werden, wenn Trittbrettfahrer Markenhändlern unqualifiziert Konkurrenz machen dürfen und der Preis so richtig abstürzt. Aber auch hier gibt es Grenzen. Das OLG München hat beispielsweise der Wettbewerbszentrale, die einen Sportartikelhersteller auf Unterlassung eines Plattformverkaufsverbots verklagt hatte, bereits 2009 eine Lektion in Sachen Markenvertrieb erteilt (Az. U (K) 4842/08). Nur der Totalausschluss des Internetvertriebs ist kartellrechtlich verboten. Wenn hingegen im Internethandel lediglich Qualitätsanforderungen gestellt werden, ist dies ebenso zulässig wie im stationären Vertrieb über selektierte Händler. Kommission vs. Markenhandel Warum tut sich die Öffentlichkeit so schwer mit dem e-Commerce von Markenprodukten? Ist das Internet eine Insel, auf der unsere liberale Wettbewerbsordnung nicht gilt? Warum sollte ein Markenhersteller nur im stationären Vertrieb, nicht aber auch im Internethandel die Zusammenarbeit mit seinen Händlern autonom und im Rahmen der Kartellgesetze ausgestalten dürfen? Ein Grund hierfür ist sicherlich in der etwas verunglückten Vertikal-GVO zu finden. Die EU-Kommission hat mit der Neuregelung mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Es fehlt an einer klaren Trennlinie, was geht und was nicht. Hinzu kommt, dass die Kommission im Rahmen ihrer Evaluierung der Alt-GVO den EU-Vermittler als Heilsbringer hochstilisierte, der sendungsartig den Verbraucher mit niedrigen Preisen beglücken sollte. Das Ergebnis ist eine zutiefst verunsicherte Auto-Branche, die zusieht, wie ihr Trittbrettfahrer und Profiteure die Butter vom Brot kratzen. Internetvertrieb ist immer nur eine Ergänzung Der erste Schritt, nämlich die Unterbindung der ständigen Zusammenarbeit von Markenhändlern und Vermittlungsportalen, ist leicht zu bewerkstelligen. Der zweite Schritt, nämlich die Organisation eines dem stationären Vertrieb entsprechenden, qualitativ hochwertigen Online-Kanals, ist etwas aufwändiger. Denn dies setzt eine vertragliche Regelung voraus. Was erforderlich ist und was nicht, wird von Marke zu Marke unterschiedlich sein und muss zwischen Hersteller und Händlerverband im Detail ausgearbeitet werden. Sicherlich sind insoweit auch qualitative Anforderungen an den Händler-Online-Store und auch Plattformverbote zu erwägen. Eins aber gilt immer: Der Hersteller darf seinem Händler den Internetvertrieb nicht gänzlich verbieten und stattdessen den Online-Verkauf selbst übernehmen. Wenn der Hersteller den Online-Vertrieb auf seiner Seite bündeln möchte, wird dies nur gelingen, wenn die Händler entsprechend, auch margenmäßig, eingebunden sind. Denn eins ist klar: Der Kunde kauft nur das online, was er auch aus dem stationären Vertrieb kennt. Eine Schwächung der Autohaus-Kultur durch Online-Spielereien hätte daher fatale Folgen für den Absatz insgesamt. Viele Serviceangebote des stationären Fachhandels (z. B. Beratung, Probefahrt, Hol- und Bringservice) lassen sich nur aufrechterhalten, wenn der Handel seine Aufwendungen auch verdienen kann. Im Internet nur den Preiswettbewerb zu schüren, ohne gleichzeitig für Qualität zu sorgen, wird viele Händler zur Aufgabe zwingen und zu einer Verengung im Wettbewerb führen. Die Folge wäre eine mittelfristige Abnahme der Angebotsvielfalt. Ein Ergebnis, das keinem Kunden dient. * Rechtsanwalt Uwe Brossette leitet bei Osborne Clarke das handels- und vertriebsrechtliche Team. Er ist spezialisiert auf die Entwicklung und Gestaltung komplexer Vertriebssysteme und hat langjährige Erfahrung im Bereich des Automobilvertriebsrechts.

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