Überblick: Die Zukunft des Schadenmanagements

Etwa alle 12 Sekunden ist es wieder soweit: Irgendwo in Deutschland geschieht ein Verkehrsunfall. Im Jahr sind es laut Polizei fast 2,6 Millionen - Routine eigentlich. Für den Einzelnen ist jeder Unfall aber ebenso außergewöhnlich wie ärgerlich bis katastrophal. Schnelles, unkompliziertes Schadenmanagement ist für Werkstätten daher ein großes Plus im Umgang mit ihren Kunden. Das wissen die Partner der Werkstätten, die sich die Digitalisierung zunutze machen und sich mit neuen Produkten und Dienstleistungen weiterentwickeln. AUTOHAUS hat nachgefragt, wie genau sich TÜV Nord, TÜV Süd, TÜV Rheinland, Dekra, GTÜ und KÜS beim Schadenmanagement in Zukunft aufstellen und welche Herausforderungen langfristig zu erwarten sind. TÜV Nord TÜV Nord setzt bei der Schadenabwicklung auf eine barrierefreie Digitalisierung, die es erlaubt, alle Parteien einzubeziehen und so Abläufe zu optimieren. Ein erster Schritt war der Start des TÜV Nord-Schadenportals im Jahr 2015. Es erlaubt, Unfallschäden mit einer einzigen digitalen, für alle Beteiligten verfügbaren Akte abzuwickeln. In Zukunft sollen zudem Online-Terminsysteme sowie automatisierte Schadenerfassungstools hinzukommen und die Fahrzeugbegutachtung durch die Gutachter beeinflussen. Dass das Schadenmanagement infolge des Trends zum autonomen Fahren überflüssig werden könnte, befürchtet TÜV Nord indes nicht: "Das autonome Fahren kann sicherlich zu einer Reduzierung der Unfallzahlen führen. Ganz ausschließen lassen sich Unfälle jedoch nicht", sagt Michael Szmigier, Produktmanager Schaden- und Wertgutachten bei TÜV Nord Mobilität. Er sieht vielmehr die Chancen, die sich künftig bieten: Beispielsweise könnten Schadenakten gleich nach dem Unfall angelegt, mit Informationen aus Sensoren im Auto bestückt und schnell an alle Beteiligten übermittelt werden. TÜV Süd Ein zentrales Element für das Schadenmanagement ist beim TÜV Süd die so genannte "Mobility World". Auf der Internet-Plattform bündelt er sukzessive Dienste aus unterschiedlichen Bereichen in einem einzigen Online-Portal. Kunden können dort auch Schadengutachten beauftragen und abrufen. Ebenfalls online ist der so genannte Blue Button. Das ist ein Online-Portal speziell für das Schadenmanagement, mit dem TÜV Süd seine Partner im gesamten Schadenprozess unterstützt. Das umfasst auch die Kommunikation zwischen Kunden, Versicherung, Autohaus, Sachverständigem und Rechtsanwalt. Auf der Plattform werden alle Schritte der Schadenbearbeitung zusammengeführt, bearbeitet und dokumentiert. "Mit den standardisierten Prozessen von Blue Button können Autohäuser ihren Kunden ein professionelles Schadenmanagement im eigenen Haus anbieten", erklärt Maximilian Küblbeck von TÜV Süd. Für die Zukunft erwartet TÜV Süd, dass die Herausforderung darin besteht, die eigenen Systeme laufend an die Entwicklungen in der Fahrzeugindustrie anzupassen und die eigenen Gutachter entsprechend zu schulen. TÜV Rheinland Zunehmende Komplexität beim Schadenmanagement beobachtet auch TÜV Rheinland. Er setzt daher verstärkt auf individuell abgestimmte Unterstützung, beispielsweise durch Voll- oder Teilzeit-Schadenmanager vor Ort bis hin zu mobiler Betreuung on demand. Ziel dabei ist immer eine schnelle Schadenabwicklung sowie eine zeitliche Entlastung der Serviceberater. Das ist auch das Ziel des TÜV Rheinland-Gutachtenportals. Dort erhalten die Autohäuser und Werkstätten direkten Zugriff auf Gutachten sowie Dokumente zur Schadenabwicklung. Künftig erwartet TÜV Rheinland, dass sich infolge eines steigenden Anteils autonomer Fahrzeuge die Gutachtenkultur und somit das Schadenmanagement an sich verändern wird. Es sei zu erwarten, dass es nicht mehr so sehr darauf ankommt, den angemessenen Reparaturweg und die voraussichtlichen, unfallbedingten Reparaturkosten zu ermitteln. "Vielmehr wird es dann häufig um die Bestimmung auslösender Faktoren von Fehlfunktionen im Bereich der Systeme gehen, aus der dann die Verantwortlichkeiten abgeleitet werden können", sagt Jürgen Weis, Bereichsleiter TÜV Rheinland Schaden- und Wertgutachten GmbH. Dekra In puncto Schadenmanagement rechnet Dekra in den kommenden Jahren mit steigender Nachfrage. Als Grund sieht sie vor allem die steigende Anzahl an finanzierten Fahrzeugen sowie Steuerungsansätze von Versicherungen. Um dabei erfolgreich am Markt zu bestehen, setzt Dekra auf einheitliche Prozesse und digitalen Austausch. So erfolgt der Versand von Unterlagen schon jetzt zum Großteil elektronisch. Zusätzlich gibt es zum Teil eigene Schnittstellen zu Netzwerkpartnern für den digitalen Austausch. Messbare Anzeichen dafür, dass sich die Nachfrage nach Dienstleistungen im Schadenmanagement durch den technischen Fortschritt abschwächen könnte, sieht Dekra derzeit nicht: "Seit vielen Jahren werden beispielsweise Einparkassistenten verbaut - ein spürbarer Rückgang bei Rangierschäden hat sich aber nicht gezeigt", sagt Guido Kutschera, Mitglied der Geschäftsführung der Dekra Automobil GmbH und Geschäftsführer der Dekra Claims Services GmbH. Die technisch anspruchsvollen Assistenzsysteme würden dagegen die Schadenkosten und die Komplexität der Reparaturen steigen lassen. Das mache langfristig immer mehr Expertenwissen notwendig. GTÜ Im Rahmen ihrer angestrebten Transformation von einer reinen Überwachungs- in eine umfassende Sachverständigen- und Partnerorganisation arbeitet auch die GTÜ im Schadensbereich an neuen Produkten und Dienstleistungen. Laut Geschäftsführer Michael Bröning sind dafür vor allem Vernetzung und neue Schnittstellen wie eine digitale GTÜ-Welt nötig. Beispielsweise plant die GTÜ noch in diesem Jahr für ihre Partner eine eigene App mit News und Messengerfunktionen sowie für das erste Quartal 2018 eine digitale Plattform für Kunden, Sachverständige, Autohäuser und Rechtsanwälte. Die GTÜ müsse sich nach und nach in die Systemwelt ihrer Kunden integrieren, sagt Bröning. Ziel ist, den Partnern einen Mehrwert zu bieten und die Mitarbeiter im Autohaus zu entlasten. KÜS Um beim Schadenmanagement langfristig konkurrenzfähig zu bleiben, hat die KÜS vor zehn Jahren die KÜS Automotive gegründet. Sie ist seitdem die Basis für bundesweit einheitliche Gutachten und soll dadurch einen gewissen qualitativen Standard garantieren. "Damit sehen wir uns gerüstet für die Anforderungen der Zukunft", sagt Thomas Firmery von der KÜS Automotive GmbH. Für die am Schadenprozess Beteiligten bietet die KÜS Automotive zudem ein Online-Portal, auf dem sie in Echtzeit aktuelle Informationen abrufen können. Dass das Schadenmanagement durch autonomes Fahren überflüssig werden könnte, erwartet die KÜS auf absehbare Zeit nicht. Veränderungen erwartet sie aber sehr wohl: Man müsse zukünftige Szenarien schon jetzt andenken, erklärt Firmery. Die KÜS rechnet beispielsweise damit, dass sich Gutachten in Zukunft stark auf die Energieversorgung von Fahrzeugen oder die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander fokussieren werden. "Hier werden wir Schritt halten mit der Entwicklung und unsere Sachverständigen dahingehend begleiten", kündigt Firmery an. Darüber hinaus empfehle sich jedoch die Suche nach weiteren Geschäftszweigen. Kurzfassung Die Prüfdienste blicken optimistisch in die Zukunft. Sie arbeiten an neuen digitalen Plattformen und Services, die das Schadenmanagement einfacher und effizienter machen sollen. Langfristig rechnen sie damit, dass auch Trends wie das autonome Fahren Schadenmanagement nicht überflüssig machen werden. Vielmehr sehen sie Chancen für neue Dienstleistungen.

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