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Digitalisierung: Ein völlig neues Autohaus

29.06.2022 18:00 Uhr | Lesezeit: 10 min
E-Commerce
© Foto: gpointstudio / Getty Images / iStock

Wie stellt man sein Unternehmen auf die Herausforderungen des E-Commerce ein? Ziel sind nicht ein paar neue digitale Prozesse. Man muss ein virtuelles Autohaus genauso in seinen Grundstrukturen errichten wie einen realen Standort.

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Wenn Sie das Thema E-Commerce wirklich angehen wollen, stellen Sie damit Ihr gesamtes Autohaus-Leben auf den Kopf und verändern Ihre unternehmerische Ausrichtung und Steuerung um 180 Grad. Denn nun bauen Sie ein „virtuelles Autohaus“, das auf dem größten Marktplatz der Welt, dem Internet, 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche und ohne Feiertage erreichbar und vollumfänglich funktionsfähig ist.

Ein virtueller Standort
Die Bedürfnisse und das Nutzungsverhalten Ihrer Kunden stellen Sie dabei in den Mittelpunkt Ihrer Überlegungen. Ihr Autohaus als E-Commerce-Lösung setzt voraus, dass Sie Ihr Verständnis von Geschäftsmodellen und Prozessen vollständig verändern und einen lebendigen Avatar ins Netz stellen. Das gelingt nur, wenn Sie dieses Autohaus bauen, mit einem echten Bebauungsplan, mit echten Anschlüssen, Bereichen und Prozessen – ganz wie Sie es auch bei einem Neubau eines Standortes machen würden. Nur bauen Sie hier nicht auf der grünen Wiese, sondern im Netz. Die Menschen kommen auch nicht physisch hereinspaziert, sondern besuchen Sie von überall auf der Welt meistens zuerst mit ihrem Smartphone. Die Werbeschilder stehen auch nicht irgendwo an den Straßen und weisen den Weg, sondern sie sind Angebote, Keywords und Anzeigen, die Sie auf den diversen Kanälen im Internet streuen. Und wenn dann eine Anfrage bei Ihnen ankommt, verteilen Sie diese nicht nach Gutdünken auf die Kollegen, damit mal jemand antwortet. Die virtuelle Realität bedeutet: Echtzeit.


"Sie bauen ein ,virtuelles Autohaus' auf dem größten Marktplatz – dem Internet."

Ralf Schütte, Geschäftsführender Gesellschafter bei trast digital


Die Basis bilden Ihre Daten
Aktuell liegen die Daten Ihrer Kundinnen und Kunden in diversen einzelnen Systemen vor. In Ihrem DMS-System, in den Angebotskonfiguratoren für Neuwagen, in einem Werkstatt-Planungstool, im Leadsystem, in Excel-Listen, in einem CRM-System und ganz sicher auch in weiteren Programmen wie Outlook. Aber auch in Ihrer Telefonanlage.

Wie bekommen wir all diese Daten zusammen? Nun, am besten, indem wir diese Daten in eine solide Zwischenlage hochladen, eine sogenannte Middleware, einen Data Hub oder einfach einen Datenhafen, ganz nach Ihrem Geschmack. Gemeint ist immer das Gleiche: Die Daten werden aus allen Vorsystemen, soweit diese anzapfbar sind, hochgeladen. Hier stehen diese nebeneinander und können nun je nach Anwendung sinnvoll verknüpft werden.

Dieser Datenhafen gibt Ihnen die Möglichkeit, schon heute mit Ihren Daten ganz anders umzugehen. Muster zu suchen und zu erkennen. Fehler im System aufzudecken, zum Beispiel Dubletten in Ihrem DMS. Und Sie können anfangen, ganzgezielt nach Kundengruppen zu suchen: „Wer macht bei uns wie viel Umsatz, fährt wie viele Fahrzeuge von uns, lässt das oder die Autos wie oft bei uns reparieren?“ etc.

Key-Performance-Indicators
Auf Basis des Datenhafens können Sie mit echten Kennzahlen operieren und sich ein Bild machen, wie gut Ihr Unternehmen dasteht. Geben Sie sich dafür auch konkrete Vorgaben, die so genannten Key-Performance-Indicators (KPIs). Seien Sie in diesem Prozess ehrlich zu sich und zu Ihrem Team. Urteilen und vor allem verurteilen Sie nicht zu früh, sondern machen Sie sich klar, dass Ihr Unternehmen vielleicht viel weniger auf Spur ist, als Sie sich das selbst eingestehen möchten oder vorstellen können. Dass die Daten vielleicht viel weniger gepflegt sind, das Telefon vielleicht viel seltener bedient wird und die Anfragen auf Fahrzeuge ganz oft einfach im Sande verlaufen, auch wenn Sie viel Geld für all das in die Hand genommen haben.

Ralf Schütte
© Foto: trast digital

Machen Sie sich klar, dass Sie in den Spiegel schauen. In den Spiegel Ihres eigenen Handelns oder eben Nichthandelns. Die Ergebnisse sagen mehr über Ihre Führung, Ihre Steuerung und Ihre Kontrolle, als Ihnen lieb sein wird. Mit dem Datenhafen schaffen Sie also ein Führungsinstrument – nein, das Führungsinstrument schlechthin. Und bitte, nehmen Sie sich für den Bau dieses Fundamentes Zeit. Sie werden die Zeit brauchen. Für sich selbst, für Ihr Team und all die Konsequenzen, die sich aus Ihren Erkenntnissen entwickeln werden. Das ist, nebenbei bemerkt, unternehmerisches Handeln.

Ein neues Team
Haben Sie die Basis gelegt, arbeiten und denken wir von nun an zweigleisig: Wir werden alle Prozesse und alle Kanäle auf den Kunden ausrichten. Wir beginnen ein echtes Kundencenter zu bauen. Für alle Kontaktpunkte auf der Nutzungsreise des Kunden mit seinem Mobilitätsvehikel. Dieses „Kunden-Kontakt-Center“, oder wie auch immer Sie diesesTeam nennen werden, hat die Aufgabe, alle Anliegen der Kunden schon bei dem ersten Kontakt zu lösen, oder sich verbindlich um die Lösung zu kümmern. Und dieses Team hat einen Anspruch: Echtzeit. Natürlich ist das nicht immer und für jeden Kanal machbar, aber es geht um den Anspruch, die Steuerung und das Kundenerlebnis!

Alles online erhältlich
Parallel zum Auf- und Ausbau des Teams ist Ihre Webseite dran. In Zukunft haben Sie keine Webseite mehr, sondern einen hundertprozentigen Webshop für alle Produkte und Dienstleistungen. Das heißt für den Fahrzeugverkauf, dass Sie nicht nur das Autos selber verkaufbar machen, sondern auch die Versicherung, die Finanzierung oder das Leasingangebot agil rechnen, den Vertrag dazu gestalten sowie die Zulassung und die Lieferung des Fahrzeugs ebenfalls online ermöglichen. Dazu sollten Sie auch den Ankauf des bestehenden Fahrzeugs regeln. Denn diese Fahrzeuge wollen Sie ganz sicher für sich haben, oder?

E-Commerce heißt im Hinblick auf den Service, dass Sie mit den Ihnen bekannten Daten der Fahrzeuge des Kunden aktiv die richtigen Serviceangebote zum richtigen Zeitpunkt für den Kunden errechnen und ihm dieses anbieten. Über den Kanal, den der Kunde sich wünscht und Ihnen freigegeben hat. Gleiches gilt natürlich für das passende Zubehör für den richtigen Bedarf und vor allem den richtigen Zeitpunkt. Bitte vergessen Sie daher nicht, die Kolleginnen und Kollegen aus dem Teiledienst frühzeitig mit einzubinden.

E-Commerce Call-Center
Schon beim ersten Kontakt sollten viele Anliegen des Kunden bereits gelöst werden können.
© Foto: iderina / stock.adobe.com

CRM-System ist Pflicht
Muss ich noch erwähnen, dass das Feedback Ihrer Kunden für Sie die Richtung zur Verbesserung und weiteren Ausrichtung weist? Sie merken vielleicht, dass es hier zwingend nötig ist, mit einem CRM-System zu arbeiten, Automationsprozesse einzubauen und alle Daten aus dem Datenhafen systematisch zielgruppengerecht zur Aussteuerung von Kampagnen zu nutzen und die Daten der Webseite mit den Daten aus den Datenhafen zu verbinden. So entsteht ein echter 360-Grad-Blick nicht nur auf den Kunden mit seinen Kontaktpunkten zu Ihrem Team, sondern auch auf das Fahrzeug mit der Ihnen bekannten Nutzungshistorie. Und natürlich schauen wir dann auf die Messpunkte, wie die Kampagnen wahrgenommen wurden, wie viele Anfragen darüber hereingekommen sind und welche Kanäle genutzt wurden. Ihr Marketing wird also von einer reinen Werbemaschine zu einer Steuerungseinheit. Und damit haben wir die Zimmer in Ihrem virtuellen Autohaus Neubau beschrieben: Vertrieb, Service, Teile und Marketing arbeiten Hand in Hand und kümmern sich selbstverständlich gemeinsam und verbindlich bis zum Kaufabschluss und darüber hinaus um Ihre Kunden. Dass hier auch Disposition, Rechnungswesen und Controlling mit an Bord sind, ist jetzt sicher eine Binsenweisheit für Sie.


"Ihr Marketing wird von einer Werbemaschine zu einer Steuerungseinheit."

Ralf Schütte, Geschäftsführender Gesellschafter bei trast digital


Werbung auf allen Kanälen
Da Sie nun besser verstehen, welche Kundengruppen auf Ihre Angebote und Dienstleistungen ansprechen und welche Bedürfnisse Sie haben, kann Ihr Marketing-Team zielgerichtet das Dach auf Ihren Neubau setzen. Denn zum E-Commerce gehört natürlich auch das Auswerfen Ihrer Werbebotschaften für die richtige Zielgruppe über alle Kanäle. Vom altbekannten persönlichen Brief, über den persönlichen anlassbezogenen Anruf bis zur Ausspielung Ihrer Botschaften im digitalen TV, Radio oder Ihrer Anzeige in den sozialen Medien oder (ja, natürlich auch) Google. Hier gilt: je digitaler der Kontakt hergestellt wurde, desto menschlicher sollte die Begleitung durch Ihr Team sein.

Ganz nebenbei sprechen wir hier jetzt von Ihrer Marke, Ihren Marken-Botschaften und Ihren Marken-Botschaftern. Elegant, oder? Und dieses positive und bedürfnisorientierte Markenerlebnis ist für sehr viele Menschen äußerst anziehend. Für Kunden ebenso wie für Mitarbeitende.

Es wird sich lohnen
Diese smarte Zukunft Ihres virtuellen Autohauses hält viele Hürden, Herausforderungen und Fehler für Sie parat. Allein alle Prozesse aus Kunden- und Mitarbeitersicht identisch aufzusetzen ist eine Herausforderung an sich. Online-Kaufprozesse und interne Prozess- und Verwaltungswelten zu verheiraten, braucht immens Zeit und Fokussierung. Reklamations- und Beschwerdemanagement, Gewährleistungs- und Rückgabeprozesse zu bedenken und zu organisieren, ist ebenfalls alles andere als trivial. Und zielgruppenfokussierte Automationsprozesse aufzusetzen ist schneller gedacht als getan. Aber wenn Sie sich auf den Weg machen, bereit sind, ganz tief in die Ist-Situation Ihres Unternehmens einzutauchen und seine Entwicklung mit Ihrem Team gemeinsam anzugehen, werden Sie Entdeckungen machen. Entdeckungen, die Ihnen vorkommen werden wie unbekannte Welten oder wie Dinge, die Sie immer schon mal angehen wollten.

Sie und Ihr ganzes Unternehmen werden professioneller, die Prozesse werden ruhiger und souveräner und Umsätze werden planbarer und nachhaltiger sein. Sie werden ineffiziente Prozesse beseitigen und Prozesskosten zum Teil drastisch senken. Übrigens ausdrücklich nicht durch Personalabbau, sondern durch zielgerichteten Umbau in Richtung Kunde.

Aus dem Wolkenkuckucksheim?
Einige Autohäuser arbeiten bereits so. Und in diesen Unternehmen können Sie erleben, dass auch Kunden zurückkommen, die uns als Vertragswerkstatt schon lange den Rücken gekehrt haben. Ausdrücklich auch Kunden mit älteren Fahrzeugen. Und diese Kunden sind sogar bereit, höhere Stundenverrechnungssätze zu zahlen. Kunden verlassen Autohäuser nicht, weil sie diese nicht mögen, sondern weil die Prozesse zu schlecht sind. Kunden werden preissensibel, weil unsere Arbeitsorganisation häufig keinen Wert hat. Das Verhalten von Kunden und Zielgruppen wird im Laufe der Umstellung, zumindest in Teilen, vorhersagbar und steuerbar. Ihr Team erkennt in der eigenen Arbeit Sinn und erlebt gemeinsam Erfolg neu zu definieren und zu feiern. Ein neuer Stolz auf die eigene Leistung und Ihr Unternehmen. Ihre Marke stabilisiert und verringert die Fluktuation nicht nur stark, es werden sich auch Menschen von Ihnen angezogen fühlen.

Das alles können Sie schaffen. Sie haben die Wahl. Sie entscheiden über Ihre Zukunft für Ihr Team und sich selbst. Und Sie müssen ja nicht alles alleine machen. Das würden Sie bei einem gemauerten Autohaus ja auch nicht, oder? Doch ab heute können Sie zumindest nicht mehr sagen, Sie hätten das alles nicht gewusst.


Über den Autor

Ralf Schütte ist gemeinsam mit Thomas Desch Geschäftsführender Gesellschafter der trast digital GmbH und als Berater mit langjähriger Erfahrung in den Bereichen Strategiefindung, Digitalisierung und Prozessoptimierung im gesamten Automobilsektor tätig.



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