Gastkommentar: Eigene innovative Ansätze entwickeln

Für viele ist E-Commerce in der Automobilindustrie eine weit entfernte Zukunftsvision, über die wir uns heute noch keine Gedanken machen müssen. Doch das ist ein Fehler! Es ist keine Frage, ob E-Commerce kommt - die Frage ist lediglich wann. Klingt unmöglich? Es ist noch gar nicht lange her, da erschien es verrückt, Schuhe im Internet zu bestellen. Zu kompliziert! Was, wenn die Größe nicht passt? Wie funktioniert die Rücksendung? Anfangs gab es viele Vorbehalte, und doch haben sich Zalando & Co zu einer unglaublichen Erfolgsgeschichte entwickelt. Mittlerweile ist die Modebranche aber nur eine von vielen, die durch den digitalen Handel revolutioniert wurde. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Entwicklung in der Automobilbranche ankommt und auch diese tiefgreifend verändert. Veränderung hat längst begonnen Und diese Veränderung hat längst angefangen, vor allem in Märkten, die Deutschland voraus sind: Im weltweit umsatzstärksten Automobilmarkt China haben 2017 bereits knapp 20 Prozent aller Autokäufe online stattgefunden. Dieser Vorsprung ist auch auf starke, branchenübergreifende Partnerschaften zurückzuführen: So verkündet der chinesische Amazon-Konkurrent Alibaba kontinuierlich neue Initiativen, welche die eigenen E-Commerce-Plattformen und die Automobilbranche zusammenbringen sollen. Schon seit 2015 bietet Alibaba im Rahmen von Kooperationen mit Händlern Autos in seinen Online-Shops an. Kunden können diese genauso unkompliziert wie Tech-Gadgets oder Kleidung in ihren digitalen Warenkorb legen. Der Bedarf für eine vereinfachte Art des Autokaufes ist da. Das hat Alibaba längst verstanden. An allen Fronten testen Und noch eins zeigt die Strategie des Unternehmens: Um ein so großes Thema wie den Wandel zum E-Commerce bestmöglich zu erschließen, gilt es, sich vielfältig aufzustellen und an allen Fronten neue Möglichkeiten zu testen. Daher setzt Alibaba nicht nur händlerseitig auf Kooperationen: 2017 verkündete der E-Commerce-Gigant eine Kooperation mit Ford. Eine interessante Partnerschaft mit dem erklärten Ziel, die Zukunft von Chinas Automobilindustrie neu zu gestalten. Hier verbindet sich das Know-how der Automobilbranche mit dem der Welt des digitalen Handels. Dieser Ehrgeiz mündet mitunter in ungewöhnlichen Experimenten: So wurde 2018 in der südchinesischen Metropole Guangzhou ein Auto-Automat aufgestellt - hier können interessierte Kunden in weniger als zehn Minuten via Selfie- Verifizierung einen Ford für eine Probefahrt ausleihen und auch kaufen. Das Konzept scheint anzukommen: Bald sollen auch Modelle von BMW und Volvo hier erhältlich sein. Neue digitale Highlights und vor allem innovative Möglichkeiten des Einkaufens fallen bei den technologiebegeisterten chinesischen Kunden auf fruchtbaren Boden. Darum ist es nicht verwunderlich, dass die Branche dort weiter ist als im zurückhaltenden Deutschland. Das heißt jedoch nicht, dass wir uns hierzulande zurücklehnen und abwarten können. Im Gegenteil: Wir müssen anfangen, eigene innovative Ansätze zum Thema E-Commerce zu entwickeln. Die Entwicklungen in China zeigen, dass es bei der Transformation dieses Marktes darauf ankommt, als "First-Mover" Neues auszuprobieren und sich konsequent am Kundennutzen auszurichten. Hierzu bedarf es neuer Partnerschaften, welche die Kompetenzen des Online-Handels, der digitalen Transformation und des Automobilhandels zusammenbringen. Im Fall von heycar haben sich mit Volkswagen und Daimler zwei - auf den ersten Blick - Konkurrenten zusammengeschlossen, um gemeinsam große Ideen zu verwirklichen. Zukunft nicht anderen überlassen Die nächsten Schritte zum E-Commerce in der Automobilbranche werden zunächst wenig mit einer Amazon- oder Alibaba-Bestellseite zu tun haben. Neue Angebote, wie z. B. die Abomodelle für Fahrzeugnutzung, sind ohne E-Commerce kaum vorstellbar. Sie sind die Vorboten für die Transformation der gesamten Branche. Dass diese Konzepte nicht nur von Startups wie Cluno oder Faaren angeboten werden, sondern auch seitens der OEMs durch Initiativen wie Care by Volvo oder der Mercedes Me Flexperience, ist ein erster Schritt. Um die Gestaltung der Zukunft des Automobilhandels nicht anderen zu überlassen, ist es essentiell, dass gerade seitens der OEMs mutig vorausgegangen und experimentiert wird, wie es Ford bereits in China tut. Der Wandel hin zum E-Commerce muss gemeinsam vorangetrieben werden. Er ist weder ohne die Unterstützung der OEMs, noch der Händler möglich. Der Gastkommentar Nicolas Köhn verantwortet seit April 2018 als Chief Marketing Officer die Marketingstrategie des Start-ups heycar. Das Unternehmen betreibt eine markenübergreifende Gebrauchtwagenplattform.Im AUTOHAUS-Gastkommentar nehmen Branchenexperten aus Industrie, Wissenschaft und Handel Stellung zu einem aktuellen Thema, das die Automobilwirtschaft und vor allem den Handel bewegt.

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