Bundesregierung: Grundsteuerreform

Nach langwierigen Diskussionen und Beratungen hat die Bundesregierung nun Ende Juni 2019 einen Gesetzesentwurf zur Reform der Grundsteuer beschlossen. Bereits zu Beginn dieses Jahres haben wir Sie in einem AUTOHAUS-Artikel über die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Grundsteuerreform informiert.Wieso wird die Grundsteuer reformiert?Mit Urteil vom 10. April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die derzeitige Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Grund hierfür ist, dass die Grundsteuer in Ostdeutschland anhand von Wertverhältnissen aus dem Jahr 1935, in Westdeutschland aus dem Jahr 1964 ermittelt wird. Diese Berechnung verstößt aufgrund der veralteten Werte gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das BVerfG hat dem deutschen Gesetzgeber bis zum Ende des Jahres 2019 Zeit gegeben, die Grundsteuerreform umzusetzen. Die Zeit drängt also. Erstmals soll die neu berechnete Grundsteuer im Jahr 2025 fällig werden.Wie soll sie künftig berechnet werden?Derzeit wird die Grundsteuer in drei Schritten berechnet. Dieses 3-Schritt-Modell wird auch künftig beibehalten, allerdings werden sich die Schritte teilweise ändern. Die neue Grundsteuer berechnet sich wie folgt: Wert x Steuermesszahl x Hebesatz.- In einem ersten Schritt wird der Grundbesitzwert berechnet. Nach dem Vorschlag der Bundesregierung sollen in die Berechnung der Bodenrichtwert, die Höhe der statistisch ermittelten Nettokaltmiete, die Grundstücksfläche, die Immobilienart und das Alter des Gebäudes einfließen. Die durchschnittliche Nettokaltmiete hängt von der Mietniveaustufe der jeweiligen Gemeinde ab, welche vom Bundesministerium der Finanzen ermittelt wird. Derzeit sind sieben verschiedene Mietniveaustufen vorgesehen. Umso höher die ermittelte Mietniveaustufe der Gemeinde und damit auch die durchschnittliche Nettokaltmiete ist, desto höher ist auch die künftige Grundsteuer. Liegt aber die tatsächlich vereinbarte Nettokaltmiete bis zu 30 Prozent unterhalb der durchschnittlichen Nettokaltmiete, kann jeder Einzelne die tatsächlich vereinbarte Nettokaltmiete ansetzen und so die Grundsteuer individuell mindern.- In einem zweiten Schritt werden die Wertsteigerungen ausgeglichen. Die Grundstückswerte haben sich seit den derzeit geltenden Werten von 1964 bzw. 1935 drastisch erhöht. Um einen - wie von Bundesfinanzminister Olaf Scholz versprochenen - Anstieg der Grundsteuer zu vermeiden, wird die Steuermesszahl von 0,35 auf 0,034 Prozent gesenkt. Einen zusätzlichen Abschlag von 25 Prozent gibt es für Gesellschaften, die soziales Wohnen ermöglichen.- In einem dritten Schritt sollen die Hebesätze der Kommunen angepasst werden. Behalten die Kommunen die derzeitigen Hebesätze bei, so hätte die Grundsteuerreform vielerorts einen drastischen Anstieg der Grundsteuer zur Folge. Letztendlich kann die Bundesregierung hierauf jedoch keinen Einfluss nehmen. Die Kommunen können bei Festlegung ihrer Hebesätze völlig autonom vorgehen und haben diesbezüglich das letzte Wort.Was ist die sogenannte Grundsteuer C?Der derzeitige Gesetzesentwurf sieht zudem die sogenannte Grundsteuer C vor. Hiermit soll den Kommunen ein Druckmittel an die Hand gegeben werden, Investoren zur Bebauung von brachliegenden Flächen anzuhalten. Gemeinden können für baureife, unbebaute Grundstücke, die der Grundsteuerpflicht unterliegen, einen höheren Hebesatz festlegen. Ziel ist die Schaffung eines finanziellen Anreizes, auf den unbebauten Flächen Wohnraum zu schaffen und der anhaltenden Wohnungsnot entgegenzuwirken. Die Grundsteuer C gab es in der Bundesrepublik schon einmal, sie wurde jedoch in den 1960er Jahren abgeschafft.Wieso ist die Reform so umstritten?Die Kompromissfindung innerhalb der Großen Koalition gestaltete sich sehr schwierig. Einig war man sich anfangs nur darüber, dass eine Grundsteuerreform dringend nötig ist. Uneinigkeit bestand jedoch, wie eine solche Reform auszusehen hat. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) plädierte für eine bundeseinheitliche Regelung anhand des sogenannten wertabhängigen Modells. In die Berechnung der Grundsteuer fließt dann der Wert des jeweiligen Grundstücks mit ein. Folge ist, dass die Grundsteuer in den teuren Ballungszentren wesentlich höher ist als in strukturschwachen Dörfern. Ziel der SPD war es damit, eine soziale Gerechtigkeit herbeizuführen. Insbesondere strukturstarke Länder wie Bayern und Hamburg mit hohen Grundstückswerten sprachen sich jedoch gegen dieses Modell aus und befürworteten ein wertunabhängiges Flächenmodell. Hiernach ist der Grundstückswert für die Grundsteuer unerheblich, relevant ist hingegen nur die reine Grundstücksfläche. Kompromiss der beiden widerstreitenden Interessen ist eine Öffnungsklausel. Danach gilt grundsätzlich das wertabhängige Modell, die Bundesländer haben jedoch über die Öffnungsklausel künftig die Möglichkeit, ein eigenes Grundsteuermodell einzuführen. Bayern hat bereits angekündigt, die Grundsteuer nach dem Flächenmodell berechnen zu wollen.Welche Probleme sind zu erwarten?Obwohl innerhalb der Bundesregierung nun eine Einigkeit hinsichtlich der Grundsteuerreform besteht, ist diese noch lange nicht in trockenen Tüchern. Auch den Bundestag und Bundesrat muss der Gesetzesentwurf noch passieren. Problem hierbei ist, dass die Öffnungsklausel eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich macht. Der Bund soll die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich der Grundsteuer erhalten, den Ländern muss jedoch eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eingeräumt werden. Eine solche Änderung des Grundgesetzes erfordert in Deutschland eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Die Stimmen von Union und SPD sind dabei nicht ausreichend, vielmehr ist die Große Koalition auf die Mitwirkung der Opposition angewiesen. Die Zeit drängt also. Sollte die Grundsteuerreform bis zum 31.12.2019 nicht umgesetzt sein, fällt das jährliche Grundsteuereinkommen in Höhe von knapp 15 Milliarden Euro für die Kommunen ab dem 01.01.2020 vollständig weg.Kurzfassung1. Die Grundsteuer berechnet sich aus einer Multiplikation von Grundstückswert, Steuermesszahl und Hebesatz.2. Mit der Grundsteuer C soll ein Druckmittel für die Bebauung von brachliegenden Flächen geschaffen werden.3. Die Grundsteuerreform sieht ein wertabhängiges Modell vor, allerdings wird den Ländern über eine Öffnungsklausel eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eingeräumt. Hierzu ist eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich.KommentarJetzt schon werden viele Stimmen laut, die an dem Gesetzesentwurf zur Grundsteuerreform Kritik üben. Als problematisch wird insbesondere der immense bürokratische Aufwand angesehen. Bis zum 01.01.2022 müssen sämtliche Grundstücke in der Bundesrepublik neu bewertet werden, danach erfolgt die Neubewertung alle sieben Jahre. Hierzu werden zusätzliche Finanzbeamte benötigt, was in den nächsten Jahren zu horrenden zusätzlichen Personalkosten führt. Insbesondere in der Immobilienwirtschaft drängen deshalb viele dazu, sich Bayern anzuschließen, die Möglichkeit der Öffnungsklausel zu nutzen und das unbürokratischere Flächenmodell anzuwenden. Die weitere Entwicklung des "Bürokratiemonsters" Grundsteuer bleibt abzuwarten. Eins ist aber klar, wertvollere Immobilien werden zukünftig mit einer höheren Grundsteuer belastet werden. Das wird den Wohnungsmarkt in den Ballungszentren wohl weiter anheizen.Gerhard Duile Rechtsanwalt Steuerberater www.raw-partner.de

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