Ausgabe 08/2008: Gute Stimmung

Transportermarkt / Das Nutzfahrzeuggeschäft brummte 2007 wie nie zuvor. Für 2008 erwarten die Hersteller weiteres Wachstum.Gute Stimmungvon Frank SelzleZufriedene Gesichter und gelassene Selbstsicherheit: Die Teilnehmer des AUTOHAUS Symposiums "Transporter" haben allen Grund zur Freude, denn die Nutzfahrzeugsparte konnte in Deutschland im Jahr 2007 entgegen dem Minus-Trend im Pkw-Verkauf kräftig wachsen. Bei Transportern mit einem Gewicht von bis zu sechs Tonnen stieg der Absatz um zwölf Prozent auf 228.800 Fahrzeuge. Und die Nachfrage entwickelt sich dank der guten Stimmung bei der kleingewerblichen und mittelständischen Kundenzielgruppe anhaltend positiv. So liegen die Neuzulassungen in der Klasse bis sechs Tonnen in den beiden ersten Monaten des Jahres 2008 laut VDA bereits 14 Prozent über dem Vorjahreswert. Statt Überproduktion bestimmen lange Lieferzeiten das Geschäft. Die Erwartungen an das Jahr 2008 sind hoch. Grund genug, das bislang eher vernachlässigte Boom-Segment genauer unter die Lupe zu nehmen.Beim Blick zurück auf das vergangene Jahr haben die Vertreter der Nutzfahrzeug-sparte bei den Automobilherstellern gut Lachen. Für Carsten Sass, Leiter Vertrieb Deutschland bei VW Nutzfahrzeuge, war 2007 ein sehr erfolgreiches Jahr: "Was wir per Saldo bei Privatkunden nicht erreicht haben, konnten wir im gewerblichen Bereich ausgleichen. Und: Wir haben bei der Produktion unsere Kapazitäten voll ausgeschöpft." VW Nutzfahrzeuge verkaufte 2007 weltweit 488.700 Einheiten und steigerte sich damit um 10,7 Prozent. Allein in Deutschland lieferte der Marktführer 122.048 Autos aus. Die Gründe für das gute Geschäft sieht Carsten Sass auch in der Modelloffensive: "In der Klasse Multivan haben wir die Einstiegslinie ,Start Line' auf den Markt gebracht, die als eigenes Fahrzeug angenommen wurde, ohne den klassischen Multivan zu verdrängen." Für Daimler war 2007 mit weltweit 289.076 (Vorjahr 256.895) abgesetzten Transportern ein Rekordjahr. In Deutschland konnten insgesamt 71.262 (Vorjahr 67.309) Einheiten verkauft werden. Thomas Stolze von der Mercedes-Benz Vertriebsorganisation Deutschland bestätigt: "Das ist ein All Time High! Wir sind in allen drei Produktgruppen – Vito/Viano, Sprinter und Vario – gewachsen. Mit dem Viano konnten wir auch im Pkw-Markt gegen den Trend Marktanteile holen."Der italienische Wettbewerber Fiat Professional baute seinen Anteil am deutschen Markt von 10,1 auf 11,5 Prozent aus. Roberto Kretschmer, Leiter Vertrieb Fiat Professional, freut sich über ein fantastisches Jahr: "Wir konnten mit Fiat Professional in Deutschland rund 44.000 Fahrzeuge verkaufen, zehn Prozent mehr als im Jahr davor. Unser Highlight ist der Fiat Ducato, den wir gar nicht so schnell bauen wie verkaufen konnten."Auch beim Importeur Peugeot ist man zufrieden. "Bei einer Zielvorgabe von etwa 5.800 Einheiten war das Transportergeschäft bei Peugeot mit 7.200 Zulassungen in 2007 exorbitant gut", erklärt Thomas Luxenburger, Teamleiter Nutzfahrzeuge Peugeot Deutschland.Aufbruchstimmung herrscht auch beim kleinen Importeur Hyundai, der neu in die Sparte eingestiegen ist. Udo Brandenburger, Bereichsleiter Vertrieb bei Hyundai, übt sich in Bescheidenheit: "Wir sind Spätstarter mit einem Marktanteil von 0,5 bis 0,6 Prozent. Mit dem neuen H-1, den wir dieses Jahr als Kastenvariante und als Achtsitzer-Bus anbieten, wollen wir unsere Stellung aber deutlich ausbauen." Entspannter WettbewerbWoher kommt die große Nachfrage? Carsten Sass: "Es gibt zum einen wirklich einen Stau sowohl im Mittelstand als auch in den Großflotten, der sich wegen der guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen jetzt abbaut. Zum anderen gibt es Segmente wie beispielsweise das Caddy-Segment, das für uns als Marktführer zunehmend Bedeutung hat." Fiat Professional, traditionell stark im Bereich der Kleingewerbetreibenden, profitierte laut Roberto Kretschmer besonders von der guten Konjunktur des letzten Jahres und davon, dass viele Kunden ihre alten Transporter gegen neue ausgetauscht haben.Da alle beteiligten Hersteller im wachsenden Markt etwas abbekommen haben, beschreiben sie die Wettbewerbssituation als entspannt. Das Problem der Überproduktion kennt man in der Nutzfahrzeug-sparte nicht. Lieferzeiten von drei bis vier Monaten sind üblich. Insgesamt sei es 2007 möglich gewesen, höhere Preise durchzusetzen, sagt Thomas Stolze. Den Preisdruck, unter dem die Pkw-Branche leidet, gibt es im Transportersegment nicht. Von besonderer Bedeutung sei die Restwertstabilität, erklärt Carsten Sass: "Letzten Endes hängt das gesamte Großkunden-Flottengeschäft von der Wertbeständigkeit unserer Produkte ab, denn die Restwertstabilität geht maßgeblich in die Leasingrate ein." Das Thema Restwert sei auch deswegen von allergrößter Bedeutung, weil man es im gewerblichen Segment mit einer sehr rationalen Kaufentscheidung zu tun habe. "Die Leasingrate wird aus Preis, Nachlass, Zins und Restwert gebildet. Die Restwertstabilität und die Professionalität, ein solches Warentermingeschäft einzugehen, sind die wichtigsten Punkte, um langfristig erfolgreich sein zu können."Problematischer als der Gesamtmarktwettbewerb gestaltet sich für einige Hersteller die Konkurrenzsituation unter dem eigenen Dach. "Der Intrabrand-Wettbewerb spielt eine Riesenrolle", erklärt Carsten Sass, "das freie Kräftespiel kann jedoch je nach Vertriebsorganisation nicht eingegrenzt werden."NutzfahrzeugzentrenDennoch: Mit der Marke Nutzfahrzeuge habe der Handel 2007 Geld verdient. Das gilt auch für den Servicebereich. "Im Werkstattgeschäft ist das Garantie- und Kulanzaufkommen deutlich zurückgegangen. Trotzdem konnten die Umsätze gehalten werden", sagt Thomas Stolze. Den Vertrieb übernehmen bei Daimler zu 97 Prozent so genannte PTL (Pkw-Transporter-Lkw-Händler). Besonders auf getrennte Spartenleiter legen die Stuttgarter Wert – auch in den Niederlassungen. Bei VW kümmern sich die Partner oftmals um die drei Kernmarken VW, Audi und Nutzfahrzeuge. Auch bei Fiat verkaufen fast alle Pkw-Händler Transporter. "Zusätzlich haben wir aber auch 46 exklusive Nutzfahrzeug-Partner", ergänzt Roberto Kretschmer. Ähnlich hat sich Peugeot in Deutschland aufgestellt. Neben den Pkw-Händlern, die auch Transporter verkaufen, entstanden im letzten Jahr 75 Nutzfahrzeugzentren, die 80 Prozent des Nutzfahrzeuggeschäfts abwickelten. "Das sind letztendlich die Säulen unseres Erfolgs", bestätigt Thomas Luxenburger. In den Ballungsgebieten präsentiert sich die Marke zudem mit eigenen Filialen, die ebenfalls Transporter verkaufen. Bei Hyundai gibt es bisher keine eigene Nutzfahrzeugsparte. "Alle Händler", erklärt Udo Brandenburger, verkaufen sowohl Pkw als auch Transporter – Letztere bislang eher nebenbei." Das soll sich ändern. "Mit Schulungen wollen wir unsere Händler fit machen für die Markenoffensive."Eigene Nfz-VerkäuferDie Händler im Nutzfahrzeuggeschäft haben besondere Anforderungen zu beachten, auch wenn klassische Standards und CI-Vorgaben – also Flächen, Fliesen, Fahnen – geringe Bedeutung besitzen. "Unser Transportergeschäft ist ja kein Ladengeschäft, sondern in der Hauptsache ein Flächengeschäft. Deshalb sind auch die Standards andere", erklärt Thomas Stolze. So habe zum Beispiel die Kundenzufriedenheit eine große Bedeutung. Natürlich gibt es bei jeder Marke auch bestimmte Standards, beispielsweise zur Anzahl von Vorführ- und Lagerwagen oder Schulungstagen. Aber, bestätigt Carsten Sass, "das Hauptaugenmerk liegt auf Spezialisierung und Bonifizierung von Mehrleistung". Neustarter Hyundai beispielsweise stellt laut Udo Brandenburger den Händlern kostenlos Schulungs- und Marketinginstrumente zur Verfügung. "Am wichtigsten aber", sagt Roberto Kretschmer, "ist ein eigener Transporterverkäufer im Autohaus." Denn dort, wo der Kunde von einem Nutzfahrzeugprofi betreut werde, "gibt es größere Wachstumsschübe", bestätigt Thomas Luxenburger.Und davon, wie der ideale Transporterverkäufer beschaffen sein sollte, haben die Hersteller ein genaues Bild. "Den Transporterkunden erreicht man im Außendienst – sei es morgens auf dem Großmarkt, tagsüber auf dem Gewerbegebiet oder eben spätabends. Das bedarf eines ganz besonderen Typus von Verkäufer", weiß Carsten Sass. "Er muss vor allem bodenständig, offen und loyal sein – genau wie die Zielgruppe." Da ein Nutzfahrzeugverkäufer sich ein Verkaufsgebiet erst erarbeiten müsse und mithin eine wirtschaftliche "Durststrecke", so Thomas Luxenburger, zu erwarten habe, sei eine Unterstützung durch Händler und Hersteller notwendig. Fiat beispielsweise förderte die Schaffung von 100 Verkäuferstellen in den letzten zwei Jahren mit großzügigen Unterstützungen. "Hat ein Verkaufsprofi sich aber erst einmal in seinem Gebiet etabliert", erläutert Thomas Stolze, "macht er auch den entsprechenden Profit. Und dann ist er auch der Marke treu."Ab 80 verkauften Neuwagen (in ländlichen Regionen 60) oder 150 Gebrauchtwagen pro Jahr, so die übereinstimmende Meinung, rechne sich ein eigener Nutzfahrzeugverkäufer. Allerdings wünscht man sich auch weniger Berührungsängste auf Seiten der Pkw-Verkäufer. Vorhandene Schnittstellen zwischen den Bereichen Pkw und Transporter müssten besser bedient werden. "Letztlich", so Udo Brandenburger, "müssen die Händler erkennen, dass man mit Transportern Geld verdienen kann und sich Investitionen lohnen." Image verbessernDenn immer noch sei es schwer, die Wertigkeit des Nutzfahrzeuggeschäfts flächendeckend im Autohaus zu vermitteln, beklagt Carsten Sass. "Mit dem Erfolg des Segments jedoch steigt auch das Interesse – vom Autohausinhaber über den Verkaufsleiter bis zum Verkäufer."Auch das Produktmarketing hat sich verändert. Klassische Open Days und Modelleinführungsveranstaltungen gibt es nicht mehr. Die Branche setzt auf individuelle Kundenansprache und lokale Veranstaltungen mit Mehrwert – Give Aways, Informationsabende und Roadshows. Peugeot lade spezielle Großkunden ein, Fahrzeuge bereits vor Einführung zu testen, um sie schon im Vorfeld an das neue Produkt zu binden, erläutert Thomas Luxenburger.Europa und InternetZwei Entwicklungen, die dem Pkw-Geschäft seit einiger Zeit zusetzen, nämlich die Europäisierung des Marktes und der Internethandel, stellen für die Transportersparte vorerst noch keine große Herausforderung dar. "Kunden und Handel orientieren sich noch stark innerhalb der klassischen Landesgrenzen", beobachtet Carsten Sass. "Besonders im GW-Markt hilft das Internet, Produkte bekannt zu machen. Es ist aber nicht so, dass der Kunde direkt aus dem Netz kauft. Der Transporterkunde kommt nach wie vor ins Autohaus und schaut sich das Auto an", sagt Thomas Stolze. Hersteller- und Händler-Websites, Konfiguratoren, Börsen, Onlinemedien, Bannerwerbung – das elektronische Medium biete gleichwohl viele Möglichkeiten zur Markenkommunikation, bestätigen Thomas Luxenburger und Roberto Kretschmer.Perspektiven 2008Eine gezielte Kommunikation wird auch in Zukunft wichtig sein. "Besonders die Umweltdiskussion wird für den Nutzfahrzeugbereich eine stärkere Rolle spielen", gibt Thomas Stolze zu bedenken. Gleichwohl: Für das Jahr 2008 sind die Hersteller guter Dinge. VW erwartet eine ähnliche Gesamtmarktsituation wie 2007. Bei Mercedes-Benz steigt man zusätzlich zum Transportergeschäft in die Wohnmobilsparte ein: "Das ist ein sehr stabiles Segment, dessen Kunden – so genannte Best-Ager – genügend Geld zur Verfügung haben, sich ein eigenes Wohnmobil zu kaufen. Da passt Mercedes-Benz als Premium-marke gut dazu." Auch Thomas Luxenburger zeigt sich optimistisch: "2008 wollen wir 9.300 Nutzfahrzeuge absetzen, was einem Wachstum um 27 Prozent entspräche." Fiat Professional rechnet laut Roberto Kretschmer ebenfalls mit einem leicht steigenden Gesamtmarkt und einem eigenen Wachstum von 10 Prozent. Für Hyundai ist 2008 ein besonderes Jahr. Mit dem neuen H-1 stehe ein wettbewerbsfähiges Fahrzeug zur Verfügung, erklärt Udo Brandenburger: "Damit wollen wir einen entscheidenden Schritt im Transportermarkt gehen. Wir erwarten eine Verdoppelung der Absatzzahlen."Ob der Transportermarkt freilich auch die folgenden Jahre auf dem gegenwärtig hohen Niveau bleibt, könne man heute noch nicht sagen, formuliert Thomas Stolze vorsichtig. Auf der Nutzfahrzeugmesse in Hannover im Herbst dieses Jahres wollen die Hersteller nicht nur ihre Modellpalette präsentieren, sondern auch das Image der Boomsparte verbessern. Die Zeit ist reif. thesen zum transportergeschäft1. 2007 war für Hersteller und Händler ein positives Transporter-Wirtschaftsjahr.2. Der Intrabrand-Wettbewerb spielt am Markt nach wie vor eine belastende Rolle.3. Die Professionalität im GW-Transportergeschäft ist ein wichtiger Erfolgsfaktor.4. Die Restwertstabilität ist die wichtigste Aufgabe, gerade im Flottengeschäft.5. Für 2008 wird mit einer vergleichbaren Transporter-Marktdimension wie in 2007 gerechnet. Tendenz: Leicht steigend! Mögliche Lieferengpässe sollen bis Mai/Juni aufgelöst sein.6. Die vorgegebenen Standards zeichnen sich durch ein erstaunliches Augenmaß aus.7. Viele Händler messen dem Transportergeschäft inzwischen eine besondere Bedeutung bei und haben erkannt, dass eine Spezialisierung sinnvoll ist. Es handelt sich im Transportergeschäft um eine besondere Spezies an Kunden, außerdem ist der Außer-Haus-Verkauf die Regel.8. In den Autohäusern wird nach Möglichkeit die Verkaufsleitung Nutzfahrzeuge und Pkw getrennt ausgeübt. In großen Betrieben wird außerdem die Verkaufsleitung Lkw und Transporter getrennt vorgenommen.9. Transporterkunden haben eindeutige Präferenzen für Neufahrzeuge oder Gebrauchtwagen. Folglich gibt es auch beim Transporter reine Gebrauchtfahrzeugverkäufer bzw. spezielle Neuwagenverkäufer.10. Zielvorgabe für den Transporterverkäufer sind in Ballungszentren 80 Neufahrzeuge p.a., in ländlichen Regionen 60.11. Transporterverkäufer sind am besten aus den eigenen Reihen zu rekrutieren. Sie bauen mit System ihr Gebiet auf, das sie anschließend schwerlich verlassen. Sie sind es gewohnt, mit ihren Kunden auf Augenhöhe zu verhandeln.12. Trotz europäischem Gesamtmarkt und GVO-Diskussion 2010 ist festzustellen, dass sich der Transporterkäufer regional orientiert. Der Internetvertrieb ist bislang – trotz Konfiguratormöglichkeiten – uninteressant.13. Im Kleingewerbemarkt stecken die größten Wachstumschancen für das Transportergeschäft.14. Der Transporter selbst und das zugehörige Servicegeschäft werden häufig nicht vom selben Anbieter verkauft.15. Der Verkauf und Service sollten im Autohaus sehr eng zusammenarbeiten und müssen wissen, was der Transporterkunde jeweils will.16. Hersteller bauen Tempobegrenzer (130/150 km/h) bei Fahrzeugbestellung auf Wunsch kostenfrei ein. Ein Fahrsicherheitstraining ist gleichermaßen Angebotsbestandteil. Der Verkäufer braucht für die Vielzahl der verschiedenen Aufbauten besonderes Beratungsgeschick.Prof. Hannes Brachat

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