Ausgabe 10/2013: Höherlegung

HöherlegungAbi und Auto – Die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker ist speziell auf Abiturientinnen und Abiturienten abgestimmt. Von Christian Frederik MertenWer wachsen will, muss neue Zielgruppen erobern – beim Verkauf wie bei der Personalsuche. Keine Branche kann sich mehr den Verzicht auf bestimmte Nachwuchsgruppen leisten. Deshalb startete die Kfz-Innung München-Oberbayern 2009 das – mittlerweile zeitlich unbefristete – Pilotprojekt „Abi und Auto“, über das Autohändler und -werkstätten auf der Suche nach neuen Auszubildenden gezielt Abiturienten ansprechen. Initiator Hans Medele, Obermeister der Kfz-Innung München-Oberbayern und geschäftsführender Gesellschafter des Mercedes-Benz-Autohauses Medele in Weilheim, sagt dazu: „Wir brauchen die Abiturienten bei uns im Kfz-Gewerbe, hatten aber immer Probleme, sie zu bekommen.“ Für die Gymnasiasten lockten nach einem Studium eben oft lukrative Aufgaben in der Industrie. „Deshalb haben wir gesagt: Wir müssen hier etwas schaffen.“Das Projekt „Abi und Auto“ geht deshalb als Alternative zum Studium spezifisch auf die Anforderungen und Bedürfnisse der Abiturientinnen und Abiturienten ein: Mit einer auf zweieinhalb Jahre verkürzten Ausbildungszeit zum Kfz-Mechatroniker Fachrichtung Pkw und Kommunikation und mit der Möglichkeit, weitere Qualifizierungen direkt an die Ausbildung anzuschließen. „Die Auszubildenden haben nach insgesamt drei Jahren den Gesellenbrief, den Ausbildereignungsschein, die Teile III und IV der Meisterprüfung und den Kfz-Servicetechniker“, sagt Johannes Lock, Bildungsreferent der Kfz-Innung München-Oberbayern. „Und mit erfolgreicher Servicetechniker-Prüfung wird auch der Teil I der Meisterprüfung angerechnet.“Spezieller BerufsschulunterrichtNatürlich erfordert dieser spezielle Zuschnitt der Ausbildung auf die Abiturienten Anpassungen des Berufsschulunterrichts. Deshalb war ein schulischer Partner gefragt, fündig wurde man in der Berufsschule Landsberg am Lech. „Dort hat sich Direktor Oswald Kurr sehr für die Umsetzung des Projektes eingesetzt und auch die schulischen Vorbereitungen getroffen“, so Medele.Dazu zählt vor allem die Umstrukturierung des Unterrichts. Denn um alle 14 Lernfelder in zweieinhalb anstelle von drei Jahren zu vermitteln, musste ein stark überarbeitetes Konzept her. „Wir haben alles gestrafft, die Zwischenprüfung schreiben die Schüler schon nach einem Jahr“, erklärt Johannes Lock. Das war zunächst auch für die Lehrer eine Herausforderung, denn schließlich galt es, die im Vergleich zu Haupt- oder Realschülern abweichenden schulischen Vorkenntnisse und die selbstständige Arbeitsweise der Abiturienten in die Unterrichtsplanung mit einzubeziehen. „Die Schüler erarbeiten sich aber sehr viel selbst“, freut sich Lock. Diese Eigeninitiative beobachtet auch Hans Medele. „Die haben die Lehrer richtig gefordert. Die haben gesagt: ,Freunde, das können wir schon, bitte nächstes Thema!‘“, sagt er. „Das wächst sozusagen mit Schülern und Lehrern.“Medele spricht von einem festen Zusammenhalt zwischen den „Abi und Auto“-Auszubildenden: „Die sind ein starkes Team.“ So verwundert es ihn auch kaum, dass sich die auswärtigen Schüler zum überbetrieblichen Unterricht in München einfinden, obwohl sie dafür auch heimatnähere Berufsbildungszentren besuchen könnten. Unterstützt werden die auswärtigen Schüler dabei durch eine kostenlose Übernachtungsmöglichkeit direkt an der Berufsschule.Derzeit 34 AuszubildendeBislang gibt es insgesamt 80 „Abi und Auto“-Teilnehmer. Derzeit sind es 34 Auszubildende aus 30 Ausbildungsbetrieben, aufgrund der großen Nachfrage erstmals aufgeteilt auf zwei Klassen à 17 Schüler. Für die Betriebe wächst hier die zweite Führungsebene der Zukunft heran. „Wir brauchen die Abiturienten“, so Johannes Lock. „Als Serviceberater, als Serviceleiter, als Betriebsleiter.“ Und Hans Medele ergänzt: „Sie müssen heute ja nicht mehr nur Autos verkaufen, sondern auch Serviceleistungen.“ Das müsse man dem Kunden auch methodisch vermitteln können, und da seien die „Abi und Auto“-Absolventen in mittleren Führungsfunktionen genau die Richtigen: „Die haben Abitur, können Sachen technisch schneller auffassen und dann auch besser rüberbringen. Genau die Leute brauchen wir dringend im Handwerk.“ Ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die Abiturienten für das Kfz-Gewerbe zu gewinnen, sind aus Johannes Locks Sicht gute Perspektiven: „Gerade Abiturienten haben den Wunsch, schon in kurzer Zeit eine gewisse Karriere zu machen.“ „Abi und Auto“ sei da ein entsprechendes Angebot: „Wir zeigen den Leuten Karrierewege auf und haben dann auch gute Chancen, sie im Kfz-Gewerbe zu halten.“ Zumal mit dem Ausbildungsabschluss das Ende der Fahnenstange nicht erreicht sei. „Ich stelle mir das in Zukunft wie eine Art Studium vor“, wagt Hans Medele den Blick nach vorn. „Die Auszubildenden schließen die technische Seite ab, und wer möchte, vertieft die kaufmännischen Themen zum Beispiel an der BFC in Northeim oder an der HfWU in Geislingen.“Empfehlenswerte AusbildungDas Autohaus Medele beschäftigt derzeit einen „Abi und Auto“-Absolventen als Teammeister, mit Franz Daisenberger zudem einen „Abi und Auto“-Auszubildenden. Daisenberger schlug diesen Weg nach der Schule auch wegen der verkürzten Ausbildungszeit ein: „Ich mache jetzt in zweieinhalb Jahren meinen Gesellen, und wenn ich dann gleich den Meistertitel anschließen kann, ist das natürlich schon eine große Zeitersparnis.“ Zudem überzeugten ihn die Entwicklungsperspektiven, für alle mit etwas Autobegeisterung kann er die „Abi und Auto“-Ausbildung „auf jeden Fall“ weiterempfehlen. „Wenn man nicht gerade zwei linke Hände hat“, fügt er lachend hinzu.Franz Daisenberger ist auf einer Jobmesse auf „Abi und Auto“ aufmerksam geworden. Dort präsentierte Johannes Lock das Projekt, beide kamen ins Gespräch, und nach dem Abitur versuchte Daisenberger sein Glück. Die Präsenz auf Jobmessen und der direkte Kontakt zu Schulen sind auch die wichtigsten Formen der Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt. „Mittlerweile gibt es aber auch viel Mundpropaganda“, freut sich Lock.Er und Hans Medele wünschen sich eine Ausweitung des Ausbildungsmodells. „Wir wollen das bundesweit“, so Medele. Derzeit interessiere sich Baden-Württemberg für „Abi und Auto“, und auch die anderen bayerischen Kfz-Innungen beschäftigten sich mit dem Thema. „Wie weit die sind, weiß ich aber nicht.“ ■Lesen SIe hier...... wie die Kfz-Innung München-Oberbayern mehr Abiturienten für eine Karriere im Kfz-Gewerbe gewinnen möchte.Kurzfassung1. Abiturienten sind im Kfz-Gewerbe bislang unterrepräsentiert.2. Mit „Abi und Auto“ hat die Kfz-Innung München-Oberbayern deshalb einen speziell auf diese Zielgruppe abgestimmten Ausbildungsweg entwickelt.3. Ziel von „Abi und Auto“ ist es, eigenen Führungsnachwuchs heranzuziehen.

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