Ausgabe 12/2012: Kaufe, miete – oder teile

Kaufe, miete – oder teileCarsharing – Bislang werden Händler bei neuen Mobilitätskonzepten der Hersteller meist außen vor gelassen. Das soll sich ändern. von karolina OrdyniecPeugeot iOn oder Opel Corsa? Welches darf es sein? Im Autohaus Rüschkamp können Kunden diese Modelle kaufen, mieten – sich aber auch teilen. Seit zwei Jahren nutzt das Autohaus das Internetportal des Solinger Anbieters Drive-Carsharing, bei dem auch die deutsche Bahn im Boot sitzt. Autohaus und Carsharing – das schließt sich für Wolfgang Kampmann, Serviceleiter Gewerbe- und Flottenkunden bei Rüschkamp, nicht aus – im Gegenteil. „Der Markt verändert sich. Genauso verändert sich das Mobilitätsverhalten unserer Kunden. Warum also diese neue Kundengruppe nicht mit unserer Service- und Technikkompetenz begleiten? Wenn wir es nicht tun, tun es andere“, sagt er. Das Engagement in Sachen Carsharing hat im Autohaus Kampmann sowohl ökonomische als auch ökologische Gründe. „Wir glauben, dass sich unsere Kunden wegen der steigenden Benzinkosten künftig ein Zweitauto nicht mehr leisten können, deswegen müssen wir Alternativen bieten“, erklärt Kampmann. Zum anderen sei es auch eine Frage der Nachhaltigkeit, betont Kampmann. „Deswegen führen wir unsere Kunden Stück für Stück an eMobile heran oder andere ressourcensparende Antriebe.“ Kampmann beobachtet auch, dass Carsharing nicht nur ein Konzept für junge Städter sei, wie oft angenommen wird. „Zu unseren Kunden zählen zum Beispiel die Stadtverwaltung Lünen oder caritative Einrichtungen. „Wir haben sogar eine knapp 80-jährige Kundin, die unser Carsharing-Angebot nutzt, weil ihr der Unterhalt eines eigenen Autos schlichtweg zu teuer ist und sie es auch nur gelegentlich braucht, für Fahrten zum Arzt oder zum Einkaufen“, berichtet Kampmann. Das Konzept des Drive-Carsharings ist schnell erklärt und ähnelt auch den zahlreichen anderen Angeboten auf dem Markt: Mitglieder buchen per Telefon oder Internet ein Auto nach Wahl, das zu beliebiger Uhrzeit an reservierten Stellplätzen abgeholt werden kann. Gezahlt werden Kilometer- und Stundenpauschalen. Sollte es zu einem selbstverschuldeten Unfall kommen, wird eine Selbstbeteiligung fällig. Carsharing boomtFest steht: Carsharing erfährt einen Boom. Die Zahl der Nutzer verdoppelte sich laut Angaben des Bundesverbands Carsharing (bcs) in Deutschland seit 2008 auf aktuell 300.000. Die Konzepte haben meist klangvolle Namen wie Car2Go, Mü, Flinkster oder drivenow. Betreiber dieser großen Carsharing-Angebote sind oft Autohersteller oder aber die Deutsche Bahn. Aber einen Unterschied der eben genannten Anbieter zu Drive-Carsharing oder manch anderem regionalen Anbieter gibt es: Bei den meisten Carsharing-Konzepten lassen die Anbieter, insbesondere die Autohersteller, ihre Händler außen vor. Das aber soll sich ändern. Angebote gehen am Handel vorbeiDas bestätigen auch die Ergebnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts puls im Auftrag von AUTOHAUS. Hiernach favorisieren 67 Prozent der 300 befragten Händler das Carsharing. 67 Prozent aller Befragten sind davon überzeugt, dass dieses Mobilitätskonzept vor allem in Großstädten an Bedeutung gewinnen wird. Allerdings glaubt die Mehrheit der Händler, dass dieses Geschäft am Handel vorbeigehen wird. Nur 33 Prozent sind davon überzeugt, dass Autohäuser als Vermittler eingeschaltet werden. Eine große Mehrheit der Befragten ist gleichzeitig der Meinung, dass die Autoindustrie in Zukunft verstärkt Mobilitätskonzepte anbieten muss (siehe AUTOHAUS Ausgabe 11, S. 20 f.)Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Umfrage des Magazins „Wirtschaftswoche“, mit der ebenfalls das Nürnberger Institut puls beauftragt worden war. Hier gaben 40 Prozent der befragten 300 Händler an, dass sie bislang nicht in die Aktivitäten der Hersteller eingebunden seien. Allerdings würden fast ebenso viele, 39 Prozent, gerne in den Angeboten eine Rolle spielen, etwa bei der Bereitstellung der Fahrzeuge oder dem Service. Denn immerhin sehen 32 Prozent der Händler Carsharing als profitables Geschäft. Jeder zweite bewertet es als „wichtig“ oder „sehr wichtig“ für die eigene Profilierung und die Kundengewinnung. Und 15 Prozent der Händler haben schon eigene Initiativen in Richtung Carsharing gestartet, bei weiteren 20 Prozent gibt es entsprechende Pläne.DB steuert Handel anVon dem Ärger der Händler über die Hersteller will künftig die Deutsche Bahn profitieren und Händler für ihr Carsharing Flinkster gewinnen. Flinkster soll laut Bahn-Chef Rüdiger Grube weiter wachsen, und das u. a. mit Hilfe des Handels. Aktuell erreicht die Bahn mit ihrem Carsharing-Angebot eigenen Angaben zufolge bundesweit 190.000 Kunden mit insgesamt 2.500 Fahrzeugen. Bis 2014 soll die Flotte verdoppelt werden. Ein Konzept sieht vor, dass Autohändler ihr Angebot um eine Carsharing-Lizenz erweitern, indem sie über die Buchungstechnik von Flinkster aus dem eigenen Fuhrpark vermarkten, und zwar unter eigenem Namen. Aufgabe der Deutschen Bahn soll es dann sein, dem Händler die Technik zu verkaufen und in der bundesweiten Flinkster-Zentrale in Halle telefonische Reservierungen entgegenzunehmen sowie die Abrechnung durchzuführen. Erste Autohäuser konnte der Bahnkonzern bereits für sich gewinnen. Im Oktober vergangenen Jahres unterzeichnete die Bahn mit dem französischen Autobauer Peugeot schon einmal eine Absichtserklärung, die den Autohändlern der Marke Zugriff auf die Carsharing-Technik sichert. Die Bahn hat allerdings nicht nur Händler, sondern auch Hersteller als Partner im Visier. Wie aus dem Magazin „Wirtschaftswoche“ hervorgeht, erörtert die Bahn mit BMW und Daimler eine gegenseitige Öffnung der Carsharing-Systeme. So soll der Schienenkonzern eine App entwickelt haben, mit der die Nutzer von Smartphones auf die Systeme von BMW, Car2go von Daimler und Flinkster von der Bahn zugreifen können. Weitere Hersteller sollen sukzessive mit eingebunden werden. Wie genau die Hersteller ihre Händler in ihr Carsharing einbinden werden, wird sich noch zeigen. „Bei uns hat Opel schon angefragt“, berichtet Wolfgang Kampmann. „Aber wir halten vorerst an unser Kooperation mit Drive-Carsharing fest. Es scheint mir, als sei das Konzept bei den Herstellern noch nicht völlig ausgereift“, so der Flottenleiter weiter. „Vorerst planen wir sukzessive einen Ausbau unseres Angebotes sowohl hier in Lünen als auch in angrenzenden Städten. Noch ist Carsharing für den Handel sicherlich nicht sehr lukrativ, aber wir müssen das Angebot jetzt schon für die Zukunft stellen“, ist Wolfgang Kampmann überzeugt. ■Lesen SIe hier...... wie sich Carsharing in Deutschland entwickelt hat, warum wer die Top-Player unter den Carsharing-Anbietern sind und warum der Handel verärgert ist.

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