Wellergruppe: "King of Currywurst"

AH: Seit dem vergangenen Jahr gehört auch MG Motor zum Portfolio der Wellergruppe. Warum haben Sie sich dafür entschieden? B. Weller: Das hatte mehrere Gründe: Zum einen ist MG wachstumsstark und bereits mit wahrnehmbaren Stückzahlen am Markt, zum anderen setzt man auf den Agenturvertrieb. Ich bin ein starker Befürworter der Agentur. Ich finde auch den Markennamen sympathisch, weil er in Europa bekannt ist. Jeder, der älter als 40 ist, kann sich an die kleinen, schicken Roadster aus England erinnern. Mit diesen Flitzern war man früher der "King of Currywurst". AH: Wie zufrieden sind Sie mit der Marke? B. Weller: Wir sind seit Mai 2023 Agenturpartner von MG an drei Standorten. Pro Betrieb verkaufen wir 25 Autos im Monat. Im Jahr sind das 300 Fahrzeuge, und das ganz en passant und mit einer sehr auskömmlichen Marge. Für das Geschäft brauchen wir nur rund 200 Quadratmeter im Showroom, auch die Abwicklung läuft gut. Wir sind so zufrieden, dass wir bis Juli zehn neue MG-Standorte hinzunehmen. Die Wellergruppe wird der größte MG-Händler in Deutschland. AH: Wie beurteilen Sie das Modellangebot? B. Weller: Die "Value for Money"-Palette war ein weiterer Grund, warum wir zu MG gegriffen haben. In unserer Gruppe brauchten wir auch am unteren Ende des Spektrums attraktive Angebote - gerade mit Blick auf Elektroautos. In dieser Hinsicht sind unsere Stammmarken BMW und Toyota preislich entrückt, hier geht es erst ab 50.000 Euro los. Für MG spricht auch, dass sie einen elektrischen Kleinwagen im Preissegment um die 25.000 Euro in der Pipeline haben. AH: Sie verkaufen MG-Modelle in Ihren BMW-Autohäusern. Wie nimmt die angestammte Kundschaft den Newcomer auf? B. Weller: Das ist kein Problem - weder für unsere Kunden noch für den Hersteller BMW. Die Marke MG Motor spricht mit ihren Fahrzeugen eine komplett andere Zielgruppe an. AH: Wie schätzen Sie generell die China-Offensive in Deutschland ein? Was machen die Marken anders bzw. besser als die japanischen und koreanischen Hersteller bei ihrem Markteintritt vor Jahrzehnten? B. Weller: Die Wellergruppe ist bekanntlich 1979 mit Toyota gestartet, wir haben in den ersten 15 Jahren nur Barockengel verkauft. Die Japaner und später die Koreaner versuchten zunächst, uns ihre Autos zu verkaufen. Das funktioniert aber nicht, man muss sich mit den Marktgegebenheiten vor Ort vertraut machen. Die Japaner haben 25 Jahre gebraucht, um Autos nach europäischen Standards zu bauen. Die Koreaner haben dafür 15 Jahre benötigt, und die Chinesen haben das in fünf geschafft. AH: Warum geht das bei ihnen so schnell? B. Weller: Sie sind wissbegierig, sie hören zu, sie gehen auf Verbesserungsvorschläge ein. Erst vor einigen Monaten besuchte ich mit Händlerkollegen die MG-Mutter SAIC in China und sprach mit dem obersten Management. Die Konzernmanager stellten uns viele Fragen: Wie ist der deutsche Markt? Warum wollen wir ihre Autos verkaufen? Was gefällt uns an den Fahrzeugen, was nicht? AH: Welchen Marktanteil trauen Sie den chinesischen Anbietern in Deutschland langfristig zu? B. Weller: Ich halte 15 Prozent für durchaus realistisch. Den deutschen Premiumherstellern sollte die Entwicklung keine Sorgen machen. Aber Volumenhersteller wie Opel, Ford, Peugeot und Renault werden Probleme bekommen und Anteile verlieren. AH: Liebäugelt die Wellergruppe mit weiteren China-Marken? B. Weller: Ja, wir haben schließlich noch 22 Autohäuser in unserer Gruppe übrig. Wir wollen ein oder zwei namhafte chinesische Fabrikate ins Portfolio holen - am liebsten aus dem Elektro-Segment und mit Agenturvertrieb. Ich gehe davon aus, dass wir im ersten Halbjahr mehr dazu sagen können. Elektromobilität AH: Nach dem plötzlichen Förder-Aus fallen Elektroautos jetzt als Wachstumsmotor aus. Wo steht der deutsche E-Markt aktuell? B. Weller: Nach der Vollbremsung bei der E-Auto-Förderung hat der Markt viel Luft nach oben. Das darf man aber auch nicht überbewerten, schließlich war uns schon seit Längerem klar, dass wir Elektroautos in diesem Jahr ohne Prämie verkaufen müssen. Hilfreich war, dass die Hersteller und Importeure so schnell auf den abrupten Prämienstopp reagiert haben, um die Kunden schadfrei zu stellen. Auch wenn der Handel von der Förderung profitiert hat - ich halte eine staatliche Unterstützung des Individualverkehrs in Deutschland in einem so hohen Maß für überflüssig. AH: Experten zufolge drohen langfristig deutliche Umsatzrückgänge im Service durch die E-Mobilität. Macht Ihnen das Sorgen? B. Weller: Nein, die Kosten verlagern sich in andere Bereiche. Das Auto besteht ja nicht nur aus dem Motor. Elektroautos verschleißen beispielsweise deutlich mehr Reifen als Benziner und Diesel, wegen des Gewichts, der Rekuperation und der Beschleunigung. Reifen sind für uns das neue Öl. Hinzu kommen die Elektronik und die Sensoren. Ein Stromer hat mehr Assistenzsysteme an Bord, die anfällig sind und dann ausgetauscht werden müssen. Da wird jede Reparatur schnell sehr teuer. Ich sehe keinen wirklichen Unterschied zu den Rechnungen, die wir Kunden mit Elektroautos oder Verbrennern schreiben. Auch weil der Stundenlohn höher ist. Nicht vergessen dürfen wir den Bestand der 49 Millionen Verbrenner-Pkw in Deutschland. Der Wandel in den Werkstätten erfolgt langsam und in homöopathischen Dosen, auch vor dem Hintergrund der fortlaufenden Konzentration im Automobilhandel. Es bleibt genug Geschäft für die Betriebe übrig. Agenturvertrieb AH: Die Transformation der Autobranche ist auch eine Transformation des Vertriebs. Sie haben mit BMW/Mini und Seat/Cupra Marken im Angebot, die auf die Agentur setzen. Ist das Vertriebsmodell aus Ihrer Sicht eher eine Chance oder ein Risiko? B. Weller: Wenn es die Hersteller durchhalten, ist die Agentur eine Riesenchance. Die Preisverhandlung fällt komplett weg, stattdessen rückt das Kauf- und Auslieferungserlebnis in den Vordergrund. In der Agentur erreicht das Kundengespräch ein viel angenehmeres, charmanteres Niveau. Das hat auch Einfluss auf den Verkaufsberater. Wir brauchen nicht mehr den harten Preisverhandler, sondern den Typen sympathischer Schwiegersohn - so wie früher. Das ist auch der Grund, warum wir künftig mehr Verkäuferinnen im Showroom sehen werden. AH: Welche Rolle werden künftig neue Vertriebsformate wie Showrooms in Innenstädten und Pop-up-Stores in Kaufhäusern spielen? B. Weller: Pop-up-Stores in Einkaufszentren können eine sinnvolle Zusammenarbeit in guter Lage darstellen, sie kosten den Handel auch nicht viel. Es werden Freiflächen genutzt, die die Kaufhausbetreiber in einer Übergangsphase zu einem längerfristigen Pächter schnell und günstig vergeben. Eine andere Hausnummer sind eigenständige Showrooms in Innenstädten - so wie unsere im vergangenen April eröffnete Wellergarage in Osnabrück. AH: Kann der Autohandel damit Geld verdienen? B. Weller: Nein, diese Standorte tragen sich nicht von selbst. Das muss man als Invest für das Gesamtunternehmen sehen. Wir haben die Wellergarage in der Osnabrücker Innenstadt eröffnet, weil wir dort schon mit den Marken Toyota, Lexus, Seat, BMW und Mini präsent sind. Wir "teilen" die Kosten praktisch durch fünf. Der große Vorteil ist die Leadgewinnung, selbst an Montagen zählen wir 20 bis 25 Besucher, d. h., der Interessent kommt in den Store und spricht mit einem unserer Mitarbeitenden. Samstags sind es dann rund 100. Diesen Wert schaffen wir in unseren Autohäusern bei Weitem nicht. Mit der Wellergarage bringen wir unsere Produkte an eine Location, an der wir viel mehr potenzielle Käufer ansprechen können. AH: Sind weitere City-Stores geplant? B. Weller: Aktuell nicht, ich kann mir aber durchaus die Standorte Leipzig und Dortmund vorstellen. Die beiden Städte erfüllen die Voraussetzungen für einen Innenstadt-Showroom, wie etwa eine komprimierte City mit Fußgängerzone. Zudem ist die Wellergruppe dort bereits stark positioniert. AH: Welche Erwartungen haben Sie an 2024? B. Weller: Ich habe keine Angst vor 2024. Ich gehe für das Gesamtjahr von einer normalen Neuzulassungsentwicklung aus. Ich blicke auch zuversichtlich voraus. Auf lange Sicht wird sich der deutsche Automarkt bei 2,5 Millionen neuen Pkw im Jahr einpendeln. In guten Jahren werden es 2,7 Millionen werden, in schlechten werden wir an der Zwei-Millionen-Marke knapsen. Da es immer weniger Händler gibt und manche Marken verschwinden werden, bin ich davon überzeugt: Die verbleibenden Marktteilnehmer werden in Zukunft mehr verkaufen als heute. AH: Wird die Wellergruppe die Rekordfahrt der letzten Jahre fortsetzen? Was macht Ihnen diesbezüglich Hoffnung? B. Weller: Wir haben das Kalenderjahr 2023 mit 42.000 verkauften Fahrzeugen abgeschlossen. Besonders im letzten Quartal haben wir bei den Neuwagen aufgeholt und das Geschäft ins Plus gedreht. Wir haben damit insgesamt 1,5 Milliarden Euro erlöst. Unser Ziel für 2024 lautet: 20 Prozent mehr. Wir nehmen beim Absatz also die 50.000er-Marke ins Visier. Für das Wachstum soll nicht nur unsere Expansion mit MG und weiteren chinesischen Marken sorgen. Auch unser traditionell starkes Gebrauchtwagengeschäft spielt eine wichtige Rolle. In der zweiten Jahreshälfte werden wir erstmals einen reinen GW-Handelsplatz inklusive Aufarbeitungsfabrik starten. Da wollen wir viele Fahrzeuge drehen - sowohl an Händler als auch an Endkunden. Aktuell sind wir noch auf der Suche nach einem geeigneten Standort in Autobahn-Nähe und mit ICE-Anschluss. AH: Vielen Dank für das Gespräch!

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