Autobanken: Leitzins runter - Kauflaune rauf?

Kurzfassung: Die Leitzinssenkung der EZB auf 2,0 Prozent beeinflusst natürlich auch den Autohandel. AUTOHAUS hat mit Captives und Non-Captives sowie Hochschulexperten über die Auswirkungen auf Zinsen, Liquidität und Risiken gesprochen. Das Ergebnis wie so oft: Es gibt Licht und Schatten. Die Zinswende ist da: Nach monatelanger Hochzinsphase senkt die Europäische Zentralbank (EZB) erstmals seit 2016 den Leitzins - aktuell auf 2,0 Prozent. Viele Autohäuser hoffen nun auf Entlastung bei der Finanzierung, niedrigere Kreditkosten und neue Investitionsspielräume. Doch wie schnell greifen die Maßnahmen? Und welche Effekte sind für Handelsbetriebe zu erwarten? AUTOHAUS hat nachgefragt - bei zwei Branchenfinanzierern und zwei Hochschulexperten. Roman Heinrich und Anthony Bandmann ordnen die Entwicklung aus Sicht der Banken ein: Wo werden Zinsen gesenkt, wo bleibt es bei Zurückhaltung? Ergänzend bewerten Thomas Weber, Lehrbeauftragter für Financial Services an der HfWU Nürtingen-Geislingen, und sein Kollege Prof. Dr. Frank Stenner die Situation aus wissenschaftlicher Perspektive. Ihre Einschätzung: Die Zinswende kommt - aber der Weg zur realen Entlastung ist komplexer. Auswirkungen Einkaufsfinanzierung Die wichtigste Frage an alle Experten war natürlich die nach den unmittelbaren Auswirkungen für die Autohändler beim größten Posten, der Einkaufs-finanzierung. Die Leitzinssenkung der EZB wird grundsätzlich positiv bewertet. Roman Heinrich, Head of Sales Automotive bei Creditplus, erwartet eine automatische Reduzierung der Zinsbelastung in der Einkaufsfinanzierung, da viele Banken ihre Konditionen an die EZB-Basisverzinsung koppeln. Auch bei Volkswagen Financial Services sollen sich direkte Effekte zeigen, so Anthony Bandmann, Vorstand für Vertrieb und Marketing: "Die Leitzinssenkung hat eine Zinssenkung im Handel zur Folge. Durch unsere Koppelung an den Drei-Monats-Euribor geben wir Veränderungen an den Handel weiter. Die Konditionen sind außerdem von Bonität und damit auch von der Risikoeinschätzung abhängig." Perspektive der Hochschulexperten Für die Wissenschaft ist die Leitzinssenkung vor allem ein geldpolitisches Signal. Doch der Handel sollte nicht erwarten, dass sich mit diesem Schritt kurzfristig fundamentale Verbesserungen einstellen. So weist Thomas Weber darauf hin, dass die EZB-Entscheidung zwar geldpolitisch konsequent sei, da die Inflation unter dem Zielwert liegt. Allerdings hängen die Kreditzinsen für Autohäuser nicht ausschließlich am Leitzins, sondern auch an marktgetriebenen Faktoren wie dem Euribor und der Kreditnachfrage. Prof. Dr. Frank Stenner betont, dass Banken bei sinkendem Leitzins ihre Kreditkonditionen anpassen - vorausgesetzt, die Bonität des Händlers stimmt. "Nur der Handelsbetrieb wird profitieren, der über eine gute Kreditqualität verfügt. Das wiederum zeigt sich etwa an der Eigenkapitalquote und der Umsatzrendite." Unternehmen mit schwacher Kapitalausstattung könnten also weiterhin leer ausgehen. Helfen neue Angebote? Roman Heinrich glaubt nicht, durch neue Finanzierungsansätze kurzfristig neue Liquidität in den Handel zu bringen. "Vielmehr sehe ich ein verbessertes Kostenmanagement, ein strukturiertes Bestandsmanagement und digitale Prozesse als Basis für die Verbesserung der Liquidität im Handel." Bei der Herstellerbank glaubt man sich gut aufgestellt. Bandmann verweist auf die vorhandenen Angebote im VW-Konzern: "Die Händlerpartner des VW-Konzerns haben durch die Einkaufsfinanzierungsprodukte und Factoring-Lösungen der Volkswagen Bank keine Liquiditätsengpässe zu erwarten. Unsere Programme sind sehr umfangreich und werden vom Volkswagen-Konzernhandel nahezu zu 100 Prozent genutzt." Die Zurückhaltung bei Investitionen ist laut Heinrich weiterhin spürbar: "Aktuell ist im Neuwagen-Bereich eine Stagnation eingetreten, hier sehe ich eine Entschärfung. Die Probleme im BEV-Bereich und die Anfragen im Gebrauchtfahrzeug-Segment halte ich jedoch für ungebrochen." Dem widerspricht Bandmann: "Wir sehen keine Zurückhaltung bei Investitionsprogrammen. Insbesondere die energetische Sanierung wird weiterhin vorangetrieben. Die Finanzierung von Um- und Neubauten ist nach wie vor ein wichtiges Thema, sicher jedoch aktuell nicht auf dem Niveau wie vor der Pandemie." Auch bei der Risikosituation gehen die Einschätzungen ein wenig auseinander. Heinrich mahnt zur Vorsicht: "Die Lage bleibt angespannt: Die Autohändler stehen voll, die Standzeiten sind weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Allerdings gibt es genügend gute Beispiele im Handel, die aufzeigen, wie gut organisierte Unternehmen die Fahrzeuge deutlich schneller drehen als andere. Hintergrund ist hier oftmals ein gut eingespieltes CRM und optimierte Ankaufsprozesse. Wir als Bank können die Händler in diesem Bereich auch gezielt schulen." Hier sieht Bandmann klare Vorteile in der Größe und Leistung: "Durch die starke Performance der VW-Handelsorganisation - insbesondere in den Bereichen Service und Gebrauchtwagen - sehen wir ein stabiles Fundament. Leichte Risikoanspannungen sind bei der aktuellen Marktlage nicht ungewöhnlich." Weitergabe der Zinsänderungen? Wie rasch die Zinsanpassungen der EZB nun tatsächlich bei den Autohändlern ankommen, ist der zentrale Punkt - insbesondere vor dem Hintergrund möglicher Verzögerungen in den Refinanzierungsketten. Zudem stellt sich die Frage, ob Autohändler bereits von einer spürbaren Entlastung profitieren, etwa bei der Finanzierung ihrer Lagerbestände, oder ob die Kosten aufgrund bestehender Kreditverträge vorerst weiterhin hoch bleiben. Die Wissenschaftler und Lehrbeauftragten an der HfWU, Thomas Weber und Frank Stenner, sehen deshalb auch keine zwingenden Gründe für Verzögerungen, verweisen aber auf die einzelnen Konditionen. "Die Geschwindigkeit, mit der Zinsänderungen an Autohändler weitergegeben werden, hängt stark von der Art des Kredits, den Sicherheiten sowie den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Bank und Autohaus ab", sagt Weber. Es gebe daher keine typischen Verzögerungen, da unterschiedliche Kreditarten unterschiedliche Risikoprofile und Laufzeiten hätten." Prof. Dr. Frank Stenner erwartet gar eine vergleichsweise schnelle Anpassung:"Aufgrund des Wettbewerbs zwischen Herstellerbanken und Non-Captive-Finanzierern bei kurzfristigen Einkaufsfinanzierungen ist eine rasche Weitergabe der Zinsänderungen an die Händler wahrscheinlich. Alle Anbieter streben eine günstige Ausgangsposition für dieses profitable Geschäft an." Entlastung ja, aber nicht sofort Trotz bestehender Kreditverträge ist mittelfristig mit einer Entlastung bei den Finanzierungskosten für Autohändler zu rechnen. Weber merkt an, dass sich Zinsaufwände bei Prolongationen, Umschuldungen oder kurzfristigen Laufzeiten anpassen lassen, während langfristige Festzinsverträge unberührt bleiben. Variable Zinssätze wirken hingegen unmittelbar. Allerdings könne eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation eines Autohauses den Zinsvorteil durch höhere Risikoaufschläge wieder neutralisieren. Stenner glaubt insgesamt an eine spürbare Entlastung - insbesondere in Zeiten von hohem Volumendruck der Hersteller und der Rückbesinnung auf unternehmerische Eigenverantwortung statt des einst bejubelten Agenturmodells. Fazit Die Zinswende ist eingeläutet - doch was bedeutet sie wirklich für den Autohandel? Während die Finanzierer bereits kleinere Effekte in ihren Geschäftsmodellen erkennen, halten sich die Erwartungen in der Wissenschaft in Grenzen. Für die Handelsbetriebe ergibt sich daraus eine vorsichtige Perspektive: Spielräume entstehen, doch Planungssicherheit ist weiter Mangelware.

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