Ausgabe 23-24/2011: Licht ins Dunkel

Licht ins DunkelDekra E Die Klage zweier BMW-Händler gegen die Gutachterorganisation wird nun vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt. Von Doris PlateMuss die Dekra nun Schadenersatz wegen Falschbegutachtung von Leasingrückläufern bezahlen oder nicht? Dieser Frage widmete sich das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart am 22. November. Das Landgericht hatte zuvor zwei klagenden BMW-Händlern in einem so genannten Grundurteil Schadenersatz zugesprochen. Dagegen legte die Gutachterorganisation Berufung ein. Der Vorsitzende Richter am OLG, Hartmann, zeigte sich zu Beginn der Verhandlung wegen des umfangreichen Prozessstoffs noch vorsichtig: „Es kann nicht auf Anhieb gesagt werden, dass die Entscheidung richtig ist.“ Einige Punkte seien möglicherweise übergangen worden, die eventuell in einer ergänzenden Beweisaufnahme geklärt werden müssten.Die über vierstündige Verhandlung drehte sich um die Interpretation des Vertrages zwischen der BMW Leasing und der Dekra aus dem Jahr 1987 und eine interne Telefonnotiz der Dekra aus dem Jahr 1989. Die Gutachterorganisation intrepretierte diese Notiz bislang dahin, dass sie mit Beginn des Jahres 1990 keine „Ingenieurleistung“ mehr geschuldet habe, sondern nur noch die reine Durchleitung von Schwacke-Daten ohne eigene Verpflichtung, die Richtigkeit dieser Daten zu prüfen. „Dagegen spricht aber der Vertrag, den die BMW-Leasing mit den Händlern geschlossen hat und in dem ausdrücklich die sachverständige Preisermittlung durch die Dekra festgeschrieben ist“, führte der Anwalt der Kläger Uwe Brossette aus. Ob diese Telefonnotiz relevant ist, steht für den OLG-Senat noch nicht fest. Sollte es zu einer Beweisaufnahme kommen, müssten die Vertreter der Dekra und der BMW Leasing hierzu vor Gericht aussagen. Brossette sieht dem gelassen entgegen, „da die BMW Leasing der Interpretation der Dekra bereits wiederholt außergerichtlich widersprochen hat“. Dekra kannte Verwendungszweck nichtVerständnislos reagierten die Kläger Dirk Horn und Georg Hakvoort auf die Behauptung der Dekra-Vertreter, dass der Sachverständigenorganisation nicht bekannt gewesen sei, dass die Kurzbewertungen, die sie im Auftrag der BMW-Leasing erstellt haben, zur Abrechnung von Leasingrückläufern verwendet werden: „Es ist schon gewagt, wenn die Dekra das Gericht glauben machen will, in den letzten 21 Jahren nicht gewusst zu haben, wofür ihre kaufmännischen Bewertungen in der BMW-Organisation verwendet wurden.“ Der Anwalt der Dekra, Dr. Martin Schockenhoff, wies darüber hinaus immer wieder darauf hin, dass die Händler sich ihr Geld bei BMW holen sollten, denn der Hersteller habe das zu viel gezahlte Geld für die Leasingrückläufer schließlich auch bekommen und sich damit „bereichert“. Außerdem diskutiert wurde eine vom Gericht als „Geständnis“ gewertete Aussage des damaligen Geschäftsführers der Dekra Automobil GmbH Dieter Roth. Roth habe eingestanden, dass EurotaxSchwacke in den Jahren 2007 und 2008 mit den Bewertungen nicht mehr nachgekommen sei und deshalb die Rohdaten, auf die Dekra zurückgegriffen habe, veraltet gewesen seien. Die Sachverständigenorganisation bestreitet dies heute. Ob dies als Widerruf des Geständnisses zu werten sei, ließ das Gericht offen. „Wenn überhaupt, wäre ein Widerruf nur möglich, wenn die Dekra jetzt beweist, dass sie von der Unrichtigkeit der verwendeten Schwacke-Daten keine Kenntnis gehabt und sich der Geschäftsführer bei seiner Aussage darüber geirrt habe. Dies wird ihr nicht gelingen, da die Organisation bereits mehrfach zugestanden hat, zu jeder Zeit intern über die richtigen Marktpreise verfügt zu haben, es lediglich eine Frage des Preises war, an wen diese Daten weitergegeben wurden“, erklärt Brossette. „Bleibt es bei dem Geständnis, steht nicht nur Fahrlässigkeit, sondern Vorsatz im Raum und damit eine Haftung der Dekra wegen vorsätzlicher Schädigung.“ Die Richter sahen es aber als erwiesen an, dass die Händler jedenfalls kein Mitverschulden treffe. Die Entscheidung des OLG soll am 20. Dezember verkündet werden. Es bleibt abzuwarten, ob das Verfahren zur weiteren Beweisaufnahme an das Landgericht Stuttgart zurückverwiesen wird. Wie der Vorstand der Dekra SE und Leiter der Business Unit Dekra Automotive Clemens Klinke zu dem Verfahren steht, lesen Sie im nebenstehenden Interview. zKurzfassungIst die Dekra mit den Kurzbewertungen, auf deren Grundlage die Preise für den Ankauf von Leasingfahrzeugen zwischen den BMW-Händlern und der BMW Leasing vereinbart wurden, in der Expertenhaftung? Das ist die Frage, die die Gerichte nunmehr entscheiden müssen. Das Landgericht Stuttgart ist grundsätzlich der Meinung, dass die Gutachterorganisation Schadenersatz für Falschbegutachtung leisten müsse. Das Oberlandesgericht will noch einige Punkte klären.

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