Praxisrelevant: Standgeld: Parkgebühr im Autohaus?

Ein Autohaus ist keine Fahrzeugaufbewahrungsanstalt; ein Autohaus verdient sein Geld damit, dass Fahrzeuge verkauft, repariert und gewartet werden. Die Betriebsflächen werden benötigt, um dem eigentlichen Betriebszweck nachzukommen. Deshalb ist es immer wieder ein Ärgernis, wenn Fahrzeuge nicht termingerecht abgeholt werden oder ungefragt auf dem Betriebsgelände abgestellt werden. Jeder Parkplatzvermieter kann für die Inanspruchnahme seines Betriebsgeländes eine Bezahlung verlangen. Weshalb sollte dies nicht auch in bestimmten Fallkonstellationen für ein Autohaus gelten? Es stellt sich hier die praxisrelevante Frage nach dem sogenannten "Standgeld". Nach wie vor ist das Standgeld in seiner rechtlichen Konstruktion umstritten. Es gibt Fallgestaltungen, bei denen Gerichte durchaus unterschiedlicher Meinung sind. Nachfolgend einige Urteile, die zu Gunsten von Standgeld entschieden haben: OLG Nürnberg, Urteil vom 19.03.2013 Das OLG Nürnberg hatte im Prozessverfahren 14 U 613/12 folgenden Fall zu entscheiden: Ein Bergungs- und Abschleppunternehmer wurde mittels polizeilichem Notruf beauftragt, einen Sattelauflieger von der Autobahn auf sein Betriebsgelände zu verbringen und dort sicher abzustellen. Der Sattelauflieger war Gegenstand eines Leasingvertrages. Der Leasingnehmer meldete Insolvenz an und kümmerte sich nicht mehr um den Leasinggegenstand. Nachdem der Sattelauflieger mehrere Monate beim Unternehmer abgestellt war, verlangte der Leasinggeber als der tatsächliche Eigentümer des Sattelaufliegers dessen Herausgabe. Der Unternehmer machte im Gegenzug Standkosten für 494 Tage in einer Höhe von Euro 8.413,78 geltend. Dies entspricht einem täglichen Standgeld von Euro 22,64 brutto. Das OLG Nürnberg urteilte, dass dem Unternehmer gegenüber dem Leasinggeber ein Verwendungsersatz gemäß § 994 Abs. 1 BGB zusteht. Hiernach kann der Besitzer "für die auf die Sache gemachten notwendigen Verwendungen von dem Eigentümer Ersatz verlangen." Es geht um den Begriff der "notwendigen Verwendung". Notwendig ist eine Verwendung, wenn sie zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung einer Sache erforderlich ist. Es gilt ein objektiver Maßstab. Das Verbringen des Sattelaufliegers von der Autobahn zu einem sicheren Standplatz erfüllte diese Voraussetzungen. Ein Abstellen auf öffentlicher Verkehrsfläche - so das OLG Nürnberg - stellt jedenfalls bei einem derart großen Transportfahrzeug keine akzeptable Alternative zur Verwahrung auf dem Gelände des Unternehmers dar. Bei der Verwahrung handelt es sich auch um ein "Vermögensopfer" des Unternehmers. Dieser nutzt sein Betriebsgelände im Rahmen seines Gewerbes auch durch Vermietung von Stellplätzen. Der vom Sattelauflieger belegte Bereich stand dem Beklagten nicht anderweitig zur Verfügung. Die Verwahrung war somit auch mit einem Vermögensnachteil für den Unternehmer verbunden. Dieser Vermögensnachteil hat auch einen entsprechenden "Marktwert". Angesichts der Größe des Sattelaufliegers sah das OLG die Standkosten in Höhe von Euro 22,64 brutto als angemessen an. LG Berlin, Urteil vom 27.11.2012 In dem Verfahren zum Az. 3 O 56/12 ging es um Folgendes: Der Eigentümer eines Quad suchte eine Werkstatt auf und ließ dort einen Ölwechsel und weitere Inspektionsleistungen vornehmen. Nach Abholung seines Quads machte der Eigentümer mit diesem eine Spritztour. Nach ca. 25 km trat während der Fahrt aus dem Quad eine ölige Flüssigkeit aus. Es kam zu einem Motorschaden. Das Quad wurde vom ADAC in die Werkstatt abgeschleppt, die auch die Inspektion durchgeführt hatte. Es wurde das Fehlen der Ölablassschraube festgestellt. Der Eigentümer behauptete, die Werkstatt habe die Ölablassschraube nicht richtig angezogen, sie sei für den Motorschaden verantwortlich. Die Werkstatt erklärte, es müsse zwingendermaßen eine andere Ursache schuld am Motorschaden sein. Deshalb verlangte die Werkstatt die Abholung des Quads bis zum 12.07.2010. Dem kam der Eigentümer nicht nach. Der Eigentümer verklagte die Werkstatt auf Schadensersatz. Während der gesamten Prozessdauer stand das Quad in der Werkstatt. Diese erhob Widerklage und verlangte die Bezahlung von Standkosten bis zum 30.09.2012 in Höhe von insgesamt Euro 9.650,90 brutto. Dies entsprach einem täglichen Standgeld von Euro 11,90 brutto. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige kam zum Schluss, dass die Werkstatt keinen Fehler gemacht hatte und demgemäß die Ansprüche der Werkstatt gerechtfertigt waren. Der Anspruch der Werkstatt auf die Bezahlung von Standgeld - so das LG Berlin - folgt aus § 304 BGB. Nach dieser Bestimmung gilt: "Der Schuldner kann im Falle des Verzugs des Gläubigers Ersatz der Mehraufwendungen verlangen, die er für das erfolglose Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstandes machen musste." Nach Auffassung des LG Berlin befand sich der Eigentümer seit dem 13.07.2010 im Verzug - die Werkstatt hatte schließlich die Abholung des Quads bis längstens 12.07.2010 verlangt. Seit dem 13.07.2010 war der Eigentümer verpflichtet, das Quad abzunehmen. Dadurch, dass er das Angebot der Werkstatt, das Quad kostenpflichtig reparieren zu lassen, ablehnte und Schadensersatz verlangte, beendete er das bestehende Nacherfüllungsverhältnis, auf dessen Grundlage sich das Quad in der Werkstatt befand. Kommt ein Besteller der Verpflichtung zur Abnahme trotz Aufforderung nicht nach, gerät er in Annahmeverzug mit der Konsequenz, dass die Werkstatt für die Aufbewahrung einer Sache Lagergeld verlangen kann. Das LG Berlin stellt somit wie auch das OLG Nürnberg auf das Element der "Aufbewahrung" ab, ohne konkret den Abschluss eines Verwahrungsvertrages zu behaupten. Anders das Amtsgericht (AG) Pforzheim. AG Pforzheim, Urteil vom 30.01.2009 Zum Verfahren 8 C 161/08 lag dem AG Pforzheim folgender Fall zur Entscheidung vor: Im Rahmen eines Prozessverfahrens wurde ein Fahrzeug in einer nicht am Rechtsstreit beteiligten Werkstatt vom gerichtlich bestellten Sachverständigen untersucht. Nach Abschluss der Untersuchungen teilte der Sachverständige dem Fahrzeugeigentümer mit, dieser solle einen Termin für die Rückverbringung benennen, da ansonsten Standgeld anfiele. Den Fahrzeugeigentümer kümmerte diese Mitteilung nicht, ebenso wenig wie mehrfache Mahnungen der Werkstatt hinsichtlich der Fahrzeugabholung und der Ankündigung der Berechnung von Standgeld. Der Fahrzeugeigentümer ließ letzten Endes seinen Pkw für 270 Tage in der Werkstatt stehen. Das AG Pforzheim sprach der Werkstatt das verlangte Standgeld in Höhe von Euro 3.240,00 (Euro 12,00 pro Tag) in vollem Umfange zu. Das AG erkannte auf einen Anspruch aus einem abgeschlossenen Verwahrungsvertrag gemäß Paragraph § 688 BGB. Für diesen Verwahrungsvertrag bestimmt § 689 BGB, dass eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, "wenn die Aufbewahrung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist." Nach Auffassung des AG Pforzheim kam im vorliegenden Fall ein Verwahrungsvertrag durch schlüssiges Verhalten zu Stande. Zwar wurde die Verwahrung des Pkw ursprünglich durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen veranlasst. Diese Art der Verwahrung galt jedoch nur für die Dauer der Begutachtung. Nach deren Abschluss und der Aufforderung zur Abholung war es eigene Obliegenheit des Fahrzeugeigentümers, den Pkw zu entfernen. Wenn er nun aber bewusst sein Fahrzeug stehen ließ, so durfte die Werkstatt dieses Verhalten als konkludente Zustimmung zum Abschluss eines Verwahrungsvertrages ansehen. Konsequenz: Für die Verwahrung war eine angemessene und übliche Vergütung (Standgeld) zu bezahlen, die vom Amtsgericht mit Euro 12,00 brutto pro Tag beurteilt wurde. Kurzfassung 1. Standgeld ist in seiner rechtlichen Konstruktion umstritten. Nicht alle Gerichte gewähren ohne klare vertragliche Regelung Standgeld.2. Das OLG Nürnberg hat in seinem Urteil vom 19.03.2013 entschieden, dass das Standgeld einen Ersatz für "notwendige Verwendungen" gemäß § 994 Abs. 1 BGB darstellt. Die Verwahrung eines Fahrzeuges ist eine solche Verwendung, wenn sie zur Erhaltung der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung einer Sache erforderlich ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn ein Fahrzeug auf einer öffentlichen Verkehrsfläche nicht sicher abgestellt werden kann.3. Nach dem Urteil des LG Berlin vom 27.11.2012 hat ein Werkstattkunde Standgeld zu bezahlen, wenn er sich im Annahmeverzug befindet. Die Werkstatt hat also den Kunden zur Abholung seines Fahrzeuges aufzufordern. Danach ist Standgeld als "Ersatz von Mehraufwendungen" im Sinne von § 304 BGB zu bezahlen.4. Gemäß Urteil des AG Pforzheim vom 30.01.2009 kommt in dem Augenblick konkludent ein Verwahrungsvertrag gemäß § 688 BGB zu Stande, wenn der Kunde sein Fahrzeug trotz Aufforderung der Werkstatt nicht abholt. Für diese Verwahrung ist eine angemessene und übliche Vergütung (Standgeld) zu bezahlen. Kommentar Nach wie vor gilt: Zur Vermeidung von Unklarheiten sollte Standgeld vereinbart werden - eine kurze Klausel in den AGB oder ein gut sichtbarer Aushang für die Kundschaft ist bereits ausreichend. Zu denken wäre etwa an folgenden Text: "Für die Benutzung unserer Stellflächen durch Fahrzeuge, die nicht oder nicht mehr Gegenstand eines Vertragsverhältnisses mit unserem Unternehmen sind, verlangen wir Standgeld pro Tag in Höhe von Euro 10,00 netto zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer." Es gibt allerdings Fallkonstellationen, bei denen eine Standgeldvereinbarung nicht direkt getroffen werden kann. Hier hilft nur der "Kunstgriff" des schlüssigen Verhaltens weiter, wobei für jeden Einzelfall sorgfältig zu überprüfen ist, ob ein Vertragsverhältnis mit der Folge einer Vergütungspflicht auf diese Art und Weise tatsächlich konstruiert werden kann. Im Schadensrecht hat der Bundesgerichtshof im Übrigen keine besonderen Vorbehalte: Dauert die Regulierung durch die Haftpflichtversicherung zu lange und bleibt deswegen das Fahrzeug in der Werkstatt stehen, so ist für den BGH ohne weiteres klar, dass Standgeld verlangt werden darf und dieses an den Versicherer weitergereicht werden kann.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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