Automobilhandel: Veränderungen entschlossen begegnen

Am 4. Februar 2021 finalisierte Daimler als erster Premiumhersteller auch den letzten Baustein im digitalen Kaufprozess - die Unterschrift. Bis 2025 möchten die Stuttgarter jeden vierten Pkw online verkaufen. Was sich für den Handel bedrohlich anfühlt, sollte als "Last Call" des Marktes verstanden werden. Um die Marge zwischen Produzent und Abnehmer selbst zu kassieren, bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder, der Hersteller verkauft die Produkte direkt online über seine eigenen Plattformen oder er betreibt die Autohäuser selbst. Parallel müssen die Händler hohe Standards erfüllen und zudem in die E-Mobilität investieren. Der Druck kommt also von zwei Seiten.Als wäre nichts gewesenSelbst die Corona-Krise hat viele Unternehmen nicht ins Handeln kommen lassen, zumal das Instrument der Kurzarbeit sein Ende finden wird und die Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen nach § 17 InsO spätestens nach der Krise wieder aufleben wird! Das Gesetz war dabei als "Moratorium" gedacht, in dem die Unternehmen ihre Restrukturierungs- bzw. Sanierungsbemühungen mit Nachdruck forcieren sollten. Aber diese Tatsache könnte den verbleibenden Händlern wiederum in die Hände spielen. So könnte sich die verbleibende Nachfrage zu einem Großteil auf die übrig gebliebenen Händler bzw. Handelsgruppen verteilen.Handlungsempfehlung 1: Stark durch FusionAutomobilhändler sind gut beraten, nach regionalen und relativ gleich starken Fusionspartnern Ausschau zu halten. Der Intrabrand belastet die Marge und auf der Kostenseite wird vieles doppelt vorgehalten. Es ist die Wahl zwischen Freiheit und Zukunftsfähigkeit. Wer es richtig anstellt, hebt die entsprechenden Zentralisierungs- und Verdichtungseffekte. Das Zauberwort heißt Konsequenz.Handlungsempfehlung 2: Aufbau einer kaufmännischen SteuerungszentraleEine besondere Bedeutung kommt der kaufmännischen Steuerungszentrale zu ("Shared Service Center"). Starke Unternehmen haben eine leistungsfähige Organisation. Umgekehrt ist es bei ausnahmslos allen Sanierungs-, Restrukturierungsoder Insolvenzfällen. Sämtliche Unternehmen in Schieflage - oder bereits abgewickelte - sind oder waren an hervorragenden Standorten mit attraktiven Marken vertreten. Nicht der Markt hat sie zu Fall oder auf die Intensivstation gebracht. Sie sind von innen erodiert!Zentral vs. dezentralBeim Aufbau eines Shared Service Centers werden Sie sich zwangsläufig mit diesem Spannungsfeld auseinandersetzen müssen. Nachstehend ein paar konkrete Empfehlungen:1. Zentralisieren Sie nur Aufgaben, die nicht in den operativen Prozess eingreifen.2. Alles, was die Operative von der Arbeit am Markt und am Kunden abhält, ist für eine Zentralisierung interessant.3. Bauen Sie Ihre Organisation nicht um die Mitarbeiter herum.4. Nicht alles muss an einem Standort zentralisiert werden.5. Es ist ratsam, für bestimmte Themen ein Bindeglied in der dezentralen Einheit zu belassen.Und wenn Sie sich die Mammutaufgaben mit Fusionen, Standortveränderungen, Planungsrechnungen, Betriebsübergängen, Vereinheitlichung von IT-Strukturen, Harmonisierung von Betriebsvereinbarungen und Entlohnungsmodellen, Reduzierung der Dienstleistervielfalt, Aufbau eines Zentraleinkaufs, Ausschreibung und Neuverhandlung von Kostenpositionen, Zusammenführung des Kundendatenmanagements, steigende gesetzliche Anforderungen bei Datenschutz, Geldwäscheprävention und Tax Compliance und vielem mehr anschauen, dann wird schnell klar, dass das Vorhandensein einer leistungsfähigen Steuerungszentrale auch über Ihre Transformationsgeschwindigkeit und Ihren Erfolg entscheiden wird. Jeder Euro, den Sie in die Leistungsfähigkeit Ihrer zentralen Dienste stecken, kommt wie ein Bumerang zu Ihnen zurück!Handlungsempfehlung 3: ExpansionDie Flucht nach vorne ist das Mittel für die Skalierung Ihrer Infrastruktur. Kaufen oder beteiligen Sie sich nur an Unternehmen, die sich bereits in oder an Ihrem Marktverantwortungsgebiet befinden. Nur so reduzieren Sie den Intrabrand und schlagen organisatorische Brücken zu Ihrem Unternehmen. Wenn sich Chancen in der Ferne ergeben, sind Sie gut beraten, entweder den ganzen Wirtschaftsraum zu kaufen (also eine Autohausgruppe) oder es sein zu lassen. Wenn Sie den Schritt wagen, müssen Sie danach allein sein.Gründe für eine gezielte Expansion:1. Fixkostendegression2. Verbesserte Einkaufsvorteile3. Mehr Gewicht gegenüber den Herstellern4. Marktstellung festigen5. Spätere Exit-Chance erhöhen Die Synergieeffekte aus den administrativen Bereichen müssen gehoben werden. Viele Unternehmen scheitern daran, dass sie diese Potenziale nicht realisieren und am Ende doppelte Kostenstrukturen vorhalten.Maßnahmen zur schnellen Ergebnisverbesserung beim Transaktionsobjekt:1. Leistungsverdichtung2. Nicht-Übernahme von (kaufmännischen) Auszubildenden3. Zentralisierungseffekte heben4. Ende des Verschiebbahnhofs5. Befristete Verträge auslaufen lassen Die eingesetzte Transformation wird keine Rücksicht auf Namen und Marken nehmen. Fehler, mangelnde Entschlossenheit und fehlende Umsetzungskonsequenz und -kompetenz werden ganz sicher bestraft. Wenn nicht sofort, dann später.Abseits der Potenziale auf der Personalseite sollten Sie die IT-Infrastruktur harmonisieren! Nehmen Sie nur im Ausnahmefall Rücksicht auf kurzfristige Doppelbelastungen. Komplexität und Heterogenität sind Kostentreiber Nummer 1!Fazit und AusblickDie vorgestellten Handlungsempfehlungen aus Fusion, Zentralisierung und Expansion entfalten ihre volle Wirkung insbesondere im Dreiklang. Es ist einfacher, die Kosten und die Organisationsstruktur nachhaltig zu optimieren, als die Umsätze zu steigern. Und nur aus einer Position der Stärke heraus, wird man sich konzentriert der leistungswirtschaftlichen Seite widmen und in neue Geschäftsfelder investieren. Schon gut aufgestellt ist der, der das eine tun kann, ohne das andere zu lassen. Nur wer sich ändert, wird bestehen!Zum AutorUlf Camehn ist Spezialist für mittelständische Familienunternehmen mit Schwerpunkt Automobilhandel sowie Experte für Shared Service Center und restriktiver bis expansiver Restrukturierung. Die Deutsche Wirtschaft (DDW) führt ihn seit 2020 als Exzellenzberater des Deutschen Mittelstands im Bereich Interim-Management. Im September 2021 prämierte ihn der Arthur Verlag in einer Beilage des "Manager Magazins" zu den TOP 15 Interim-Managern in der DACH-Region.Camehn ist einer der Autoren des Fachbuchs "Automotive - Interim Manager berichten aus der Praxis" (404 Seiten, ISBN 978-3-947818-29-7) von United Interim und der UNO-Denkfabrik Diplomatic Council.Kontakt: https://ulfcamehn.de, ulf.camehn@camehn.de

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