Ausgabe 10/2012: Wie im richtigen Leben

Wie im richtigen LebenEuropapolitik – Ein Bericht zu „Unfairen kaufmännischen Praktiken zwischen Unternehmen“ hat die Diskussion über Händlerrechte neu entfacht. Von Doris PlateDer Bericht liest sich wie eine Aufstellung aller Probleme zwischen Händlern und Herstellern in der Automobilbranche. Von „Ausnutzung der Verhandlungsmacht“ bis „Auferlegung inakzeptabler Anforderungen im Bereich Garantie“ ist alles drin, was das Autohändlerleben bisweilen so sauer macht. Man könnte meinen, die EU-Kommission hat jetzt endlich verstanden. Ganz so ist es aber nicht: Es handelt sich bisher lediglich um eine Auswertung des Europäischen Unternehmens-Testpanels (EBTP), das mehr über „Unfaire kaufmännische Praktiken zwischen Unternehmen“ erfahren wollte. Vom 14. Juli bis 14. Oktober 2011 hatten Betriebe die Gelegenheit, anonym der EU-Kommission ihr Leid zu klagen. Insgesamt 700 Unternehmen, davon 250 Autohändler, nahmen diese Gelegenheit wahr. Grund genug für das EBTP, eine eigene Auswertung für die Automobilbranche zu machen.Handlungsbedarf87 Prozent der antwortenden Autohändler gaben an, sich nicht ausreichend gegen unfaire Praktiken der Hersteller geschützt zu fühlen (siehe Grafik), heißt es in dem jetzt im Internet veröffentlichten Ergebnisbericht. Dabei geht es um unfaire Praktiken auf sämtlichen Ebenen der Geschäftsbeziehung: Schon bei den vorvertraglichen Verhandlungen geht in vielen Fällen nicht alles mit rechten Dingen zu. Der Vertragsabschluss ist ebenso betroffen wie die nachvertraglichen Praktiken. Für die EU-Kommission ein klarer Fall: Das Testpanel bestätigt die Existenz unfairer Handelspraktiken und verdeutlicht die Notwendigkeit einer europaweit einheitlichen Vorgehensweise in diesem Bereich. Einige der antwortenden Unternehmen nutzten sogar ausdrücklich die Gelegenheit, um die EU-Gesetzgeber dazu aufzufordern, das Problem der unfairen Handelspraktiken auf EU-Ebene zu lösen. „Die Rückmeldungen weisen deutliche Tendenzen auf, die in der künftigen Initiative der Kommission zu unfairen Handelspraktiken Berücksichtigung finden werden“, heißt es im Bericht. Die Liste der Verhaltensweisen, die die Unternehmer aller Branchen kritisierten, ist lang (siehe Kasten „Unfaire Praktiken“). Missstände betreffen also nicht nur die Autobranche, diese aber offenbar besonders. Denn bei den Kfz-Händlern liegt der prozentuale Anteil der Unternehmen, die nach eigenen Angaben kürzlich als Vertragspartner an einem unfairen Vertrag beteiligt waren, mit 77 Prozent deutlich über dem Durchschnitt anderer Wirtschaftszweige.Und die EU-Kommission fragte nach: Warum nutzen die Händler nicht die (rechtlichen) Instrumente, die es derzeit schon gibt, um sich zu wehren? 23 Prozent der antwortenden Unternehmen aus der Automobilbranche gaben an, aus „Angst vor Vertragskündigung“ nicht gegen die unfairen Praktiken der Hersteller vorzugehen. 26 Prozent hatten Angst vor anderen Konsequenzen. Konsequenzen unklarWas die EU-Kommission aus den Ergebnissen nun aber machen wird, ist bislang unklar. Für ZDK-Geschäftsführerin Antje Woltermann ist es auf jeden Fall schon einmal bemerkenswert, dass sich die Kommission entschlossen hat, eine eigene Auswertung für die Automobilbranche zu machen. „Das zeigt, dass es vielleicht keine gute Entscheidung war, die spezielle Kfz-GVO abzuschaffen und die Schirm-GVO auch für unsere Branche gelten zu lassen. Offenbar herrschen in der Autobranche doch eigene Regeln.“ Dass sich an dieser Entscheidung aber noch etwas ändern wird, glaubt Woltermann eher nicht. „Die Auswertung des Test-Panels zeigt zwar Handlungsbedarf, jetzt muss aber erst einmal ein Bericht erstellt werden. Dieser ist für das Jahresende angekündigt. Für eine Änderung vor dem 1. Juni 2013, wenn die Schirm-GVO auch für den Autovertrieb gelten wird, ist es also wohl zu spät.“Woltermann geht aber davon aus, dass sich eventuell später an den rechtlichen Rahmenbedingungen noch etwas ändern kann. „Zum Beispiel könnte das die Chancen für die europäische Handelsvertreterrichtlinie erhöhen.“ Dass die geringe Zahl von 250 Antworten aus unserer Branche gegen Handlungsbedarf spricht, sieht Woltermann dabei nicht: „Die Erhebung war nicht auf Repräsentativität ausgelegt.“ Wann und was passiert, bleibt aber offen. ■ Kurzfassung87 Prozent der 250 Autohändler, die am Europäischen Unternehmens-Testpanel (EBTP) teilgenommen haben, fühlen sich nicht ausreichend gegen unfaire Praktiken der Hersteller geschützt. Die EU-Kommission sieht Handlungsbedarf. die sieben hauptsündenDiese unfairen Handelspraktiken wurden in der Automobilbranche am häufigsten genannt: 1. Dienstleistungen mussten von einem bestimmten Anbieter bezogen werden. Diese waren im Vergleich zu ihrem normalen Marktwert überteuert.2. Für Dienstleistungen und Güter, die für das antwortende Unternehmen wertlos waren, wurden Zahlungen eingefordert3. Sensible Daten, die nach Einschätzung des antwortenden Unternehmens dessen Position schwächten, mussten weitergegeben werden.4. Dienstleistungen waren von einem Anbieter zu beziehen, mit dem das antwortende Unternehmen nicht zusammenarbeiten wollte.5. Einseitige und/oder rückwirkende Änderungen von Vertragsklauseln.6. Zahlungsverzögerungen.7. Zahlungen für fiktive Dienstleistungen, die nicht aus dem Vertrag hervorgehen. Quelle: EBTPunfaire praktikenMit einer oder mehreren der folgenden unfairen Praktiken sahen sich die Unternehmer des EBTP konfrontiert:a Ausnutzung der Verhandlungsmacht oder keinerlei Verhandlungsbereitschaft oder Verhandlungsspielraum.a Einseitige Festlegung unrealistischer Vertriebsziele.a Einseitige (und wiederholte) Änderung von Vertragsklauseln.a Einseitige Auferlegung von Vertriebs-, IT- oder EDV-Standards.a Diskriminierende Klauseln im Verhältnis zu Wettbewerbern.a Einseitige Margenkürzungen.a Unfaire Preisgestaltung oder sehr lange Zahlungsziele.a Auferlegung inakzeptabler Anforderungen im Bereich Garantie.a Festlegung unverhältnismäßiger Vertragsstrafen. Quelle: EBTP Kommentar: steilvorlage!< Besser hätte es für die europäischen Autohändler in der jetzigen Situation nicht laufen können: Eine unabhängige Befragung des Europäischen Unternehmens-Testpanels hat klaren Handlungsbedarf in Sachen Händlerrechte in der Automobilbranche diagnostiziert. Was jetzt daraus wird, steht aber in den Sternen. Die European Car Dealers (ECD), die Fabrikatshändlervereinigung im europäischen Verband Cecra, hat die Auswertung des Berichts erst einmal in ihre Arbeitsgruppe Recht verwiesen. Für deren nächstes Treffen steht noch nicht einmal ein Termin fest. Und die Chance, dass die Ergebnisse zwischen den sehr unterschiedlich denkenden Ländervertretern zerredet werden, ist groß. Dabei hätten die Interessenvertreter der Autohändler in Brüssel jetzt die Gelegenheit, diese Steilvorlage in effektive Lobbyarbeit zugunsten von wieder mehr Händlerrechten zu verwandeln. >

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