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Zukunft des Autovertriebs: "Neuer Wille zur Zusammenarbeit erforderlich"

16.06.2021 16:30 Uhr | Lesezeit: 6 min
Zukunft des Autovertriebs: "Neuer Wille zur Zusammenarbeit erforderlich"
Autoexperten unter sich: Jürgen Stackmann (l.) und Prof. Stefan Reindl im Audimax der Hochschule in Geislingen.
© Foto: IfA

Branchenexperte Prof. Stefan Reindl im Gespräch mit dem früheren VW- und Ford-Manager Jürgen Stackmann über künftige Erlösquellen, Online-Margenmodelle und persönliche Erfahrungshorizonte.

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Ex-VW-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann nimmt seit 20. Mai 2021 an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) einen dauerhaften Lehrauftrag in den Fächern "Automobildistribution" und "Preispolitik" wahr. Im Rahmen der neuen Dozententätigkeit führte Studiendekan und IfA-Direktor Prof. Stefan Reindl ein Interview mit dem Automanager zur Handelsszenerie der Zukunft. Der erste Teil des Gesprächs drehte sich vor allem über künftige Erlösquellen, On Demand Car Functions, Online-Margenmodelle und persönliche Erfahrungshorizonte.

Erlösquellen

Stefan Reindl: "Revenues" sind im Hinblick auf neue, digitalisierte Geschäftsmodelle von großer Bedeutung. Welche Angebotsformen und -leistungen haben Sie dabei im Blick?

Jürgen Stackmann: Man kann diese zukünftigen Revenue-Quellen in zwei Themenfelder einteilen. Zum einen funktionsorientierte Fahrzeugsoftware, Updates und Upgrades, die über den Lebenszyklus eines Fahrzeuges zukünftig OTA ("Over the Air") vermietet oder verkauft werden. Diese machen den Betrieb des Fahrzeuges komfortabler oder sicherer. Die offene Herausforderung der Hersteller ist dabei der Verkauf von Software zum autonomen Fahren. Zum anderen das Angebot und der Betrieb von Mobilitätsdiensten und Flotten bzw. Plattformen, z.B. Sharing, im Rahmen multimodaler Angebote. Die große Wette ist hierbei die Herstellung und der Betrieb von autonom fahrenden Mehrpersonen-"Pods".

Jürgen Stackmann arbeitete zehn Jahre in Top-Positionen für den VW-Konzern, unter anderem als Seat-Chef und Skoda-Vertriebsvorstand. Von 2015 bis 2020 verantwortete er Vertrieb, Marketing und Aftersales der Kernmarke Volkswagen Pkw. 
© Foto: IfA

On Demand Car Functions

S. Reindl: Gerade im Hinblick auf zubuchbare Fahrzeugfunktionen wird häufig davon gesprochen, dass sich Ökosystem-basierte Geschäftsmodelle etablieren werden. Darüber hinaus könnte eine Reihe von Erlös- und Ertragspotenzialen daraus resultieren. Ist das realistisch?

J. Stackmann: Ich glaube schon. Kunden sind im wesentlichen "convenience"-getrieben und werden sinnvolle Ergänzungsangebote für ihr Fahrzeug und dessen Betrieb aus dem Hersteller-Ökosystem buchen. Das wird funktionieren wie beim Apple Store. Spannend ist hierbei, dass diese Ergänzungen ja über den ganzen Lebenszyklus vom Kunden/Fahrer gebucht werden können, also vom zweiten bis zum x-ten Halter. Essentiell ist hierbei, dass die OEM den Umgang und die aktive Vermarktung der Angebote erst noch lernen und quasi einen komplett neuen Vertriebsweg aufbauen müssen.

Online-Margenmodelle

S. Reindl: In der Automobilwirtschaft dominiert der indirekte Vertrieb über Vertragshändler und/oder Agenten. Umsätze und Erträge sind also nicht nur für die Herstellerebene bedeutend, sondern insbesondere auch für die Retail-Ebene. Sehen Sie konkrete Chancen, dass sich dahingehend "gerechte" oder "ausgewogene" Geschäftsmodelle realisieren lassen?

J. Stackmann: Natürlich, aber es erfordert viel Arbeit und einen neuen Willen zur Zusammenarbeit von beiden Seiten. Es handelt sich um eine Systempartnerschaft, an der von beiden Seiten jetzt intensiv gearbeitet werden muss. Die Kosten müssen geschrubbt werden. Investitionen und Ausbildung in Zukunftsfelder getätigt werden. Die OEM müssen für einen fairen Einnahmeanteil im Handel sorgen, wenn sie das Handelsnetz und die hervorragende Kundennähe erhalten wollen. Die Einsicht dafür wächst. Das beidseitige Commitment, sich als echtes System zu verstehen, muss noch entstehen.

Prof. Stefan Reindl ist Dekan der Studiengänge "Automotive and Mobility Business & Automotive and Mobility Management" an der HfWU.
© Foto: IfA

S. Reindl: Es wird wohl auch so sein, dass bestimmte Angebotsleistungen direkt über die Herstellerebene vermarktet werden, andere aber auch über die Zusammenarbeit mit der Retail-Ebene. Schon daraus resultiert eine gewisse Komplexität, aber auch Konflikte. Lassen sich solche Herausforderungen mit so genannten "Ökosystemen" an denen ja häufig mehrere Akteure beteiligt sind, lösen? Wer steuert solche Absatzsysteme im digitalen Zeitalter?

J. Stackmann: Die Steuerung solcher Systeme sind in der Tat komplex und können nur vom OEM gesteuert werden. Alle Prozessteilnehmer müssen auch mit Überraschungen und "Imperfections" leben. Konflikte werden sich nur dann produktiv lösen lassen, wenn sich beide Seiten vorher über Grundzüge und faire Erlös-Splits einig werden. Ich halte die Aufgabe aber für durchaus lösbar. Voraussetzung ist der feste Wille eine gemeinsame Lösung herbeizuführen.

Erfahrungshorizonte

S. Reindl: Als VW-Vertriebsvorstand waren Sie sozusagen der Orchesterleiter, bei dem all die zuvor angerissenen Themen zusammenflossen. Sie hatten dafür auch die Verantwortung zu tragen. Gab es ein Themenfeld, das Ihnen besonders viel Freude bereitet hat? Auf welche Errungenschaft sind Sie in Ihrer fünfjährigen Zeit als Vertriebsvorstand besonders stolz?

J. Stackmann: Auf zwei Dinge blicke ich besonders gerne zurück. Zum einen haben wir es geschafft, in der lebensbedrohlichen Dieselkrise das Band des Vertrauens und der intensiven Zusammenarbeit mit unseren Handelspartnern auszubauen und damit das Fundament für ein weiterhin starkes Volkswagen gelegt. "We act as one" ist für immer eine tiefe Überzeugung gewesen, die ich mit aller Kraft gelebt habe. Zum anderen haben wir in der Entwicklungsphase der elektrischen ID-Familie wirklich konsequent alle vertrieblichen Innovationen – wie z.B das Agenturmodell oder die konsequente Vereinfachung des Produktprogrammes erarbeitet und auch umgesetzt. Die ID-Familie ist in jeder Dimension des Vertriebes und des Marketings neu.

(Bearbeitet von Prof. Hannes Brachat)

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