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125 Jahre Fiat: Grandezza mit piccola macchina

17.05.2024 10:36 Uhr | Lesezeit: 2 min
Auf Märkten wie der Türkei und Algerien fährt Fiat heute mit kompakten Modellen wie dem dem Fiat Tipo an die Spitze.
© Foto: Fiat

Bezahlbare Mobilität in schönen Formen und auf Wunsch mit Faltdach fürs Dolce-Vita-Gefühl unter der Sonne des Südens: Mit diesem Anspruch motorisiert Fiat seit 125 Jahren die Massen. Kein Wunder, dass Kult-Minis wie Topolino oder Cinquecento zu Nationalsymbolen avancierten. Und fürs kleine Drama taugten große Fiat.

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Es war einer jener historischen Momente, wie ihn nur Italiener in aller Grandezza inszenieren können: Die Gründungsurkunde der "Società Anonima Fabbrica Italiana di Automobili Torino" (Fiat) wurde am 11. Juli 1899 unterzeichnet, ein festlicher Akt, den der piemontesische Künstler Lorenzo Delleani in einem großen Gemälde festhielt. Anders als beim unaufgeregten Start der deutschen Patent-Auto-Pioniere Benz und Daimler sollte die glanzvolle Geburtsstunde der italienischen Automobilindustrie feierlich dokumentiert werden. Schließlich ging es schon Fiats erstem Generalsekretär Giovanni Agnelli nicht nur um Luxuskarossen für einige Reiche, sondern um eine bezahlbare piccola macchina für breite Bevölkerungskreise.

Im Micro-Format von 2,30 Meter Länge zeigte sich deshalb bereits das erste Fiat-Modell vom Typ 3 1/2 HP, leisten konnten sich diesen ab 1899 gebauten Cityflitzer anfangs dennoch nur Besserverdienende. Auch die folgenden Fiat-Typen – stets initiiert durch die Agnelli-Familie – gerieten derart prestigieus, dass 1906 sogar der deutsche Kaiser Wilhelm II. einen Fiat 60/70 HP kaufte. Zehn Jahre später dann die Sensation: Mit Eröffnung des Fiat-Werks Lingotto entwickelte sich Turin zum frühen europäischen Autokapitale, inspiriert durch Henry Fords Fabrik in Dearborn. Noch größer als Lingotto geriet das 1939 eröffnete Werk Mirafiori mit einer Produktion von über einer Million Fahrzeugen jährlich. Ob bezahlbare Ballila, niedliche Topolino und Cinquecento, schöne Spider oder schnelle Racer: Fiat kreierte Herzensstürmer.


125 Jahre Fiat

Tradition: 125 Jahre Fiat Bildergalerie

Keine italienische Oper ohne Drama und Emotionen, und so forderten die um 1970 eingeführten kleinen Frontantriebs-Vorreiter Fiat 127 und 128, aber auch der 1980 lancierte Fiat Panda eine gewisse Leidensfähigkeit, wenn es um Korrosionsschäden oder andere Qualitätsdefizite ging. Die Anziehungskraft der nicht nur in Europa millionenfach verkauften Kleinwagen wurde durch diese kleinen Schwächen jedoch nicht einmal in Deutschland beeinträchtigt – hierzulande war Fiat fast ein halbes Jahrhundert Importeur Nummer eins – schließlich fehlte es Massenmarken wie VW oder Ford an der Magie emotionaler und italienischer Momente.

Beispielhaft zu erleben, als Anfang der 1980er in einer witzigen Werbung ein winziger Panda an der Grenze vorfuhr und die staunenden Zollbeamten im Kofferraum fast eine Lastwagenwagenladung italienischer Spezialitäten entdeckten: "24 Fl. Barolo, 12 Fl. Verdicchio, 1 Espresso-Maschine, 300 Meter Spaghetti, 2 Artemide-Lampen, 1 Saporiti-Sessel, 1 Abendkleid von Valentino, 1 Morgenmantel von Fiorucci, 1 Tasche von Gucci, 2 Krawatten von Pucci, 4 Paar Schuhe von Santini & Domenici, … Kaum zu glauben, was die Kiste über die Grenze brachte."

Fiats Kleinste kamen groß heraus

Anfangs unverstanden wie zuvor die französischen Minimalisten Citroen 2CV und Renault 4 avancierte der von Giorgio Giugiaro als "Tolle Kiste" (Werbeslogan) designte Panda schon 1982, in seinem zweiten Jahr, zum populärsten europäischen Minicar der 3,50-Meter-Klasse – und folgte so den Spuren seiner noch zwergenhafteren Vorfahren Fiat Topolino (1936), Fiat 600 (1955), Nuova 500 (1957) und 126 Bambino (1972).

Fiats Kleinste kamen eben immer groß heraus, gleich ob als schmaler Cityflitzer in den engen Straßenschluchten von Neapel, als frugale Familienkutsche der Landbevölkerung, als fröhliches Strandauto des ultrareichen Jetsets an der Costa Smeralda – stets mit einem Frontdesign im Kindchenschema, wie es die Cinquecento-Generationen bis heute tragen. Tempo und Motorleistung spielte für die Charmebolzen keine Rolle – ein Sonderfall sind die giftigen Abarth-Versionen – und so will Fiat den zum 125. Firmenjubiläum eingeführten vollelektrischen, auf 45 km/h limitierten Leicht-Pkw Topolino in größeren Zahlen verkaufen, als es Opel und Citroen mit den baugleichen Typen Rocks bzw. Ami gelingt.

Modell Zero von 1912: Säule der (Fiat)-Erde

Kleinwagen und kompakte Preisbrecher bilden schon seit dem legendären Modell Zero von 1912 die Säulen der (Fiat)-Erde mit den Schwerpunkten Europa (der Fiat 124 von 1966 motorisierte als Lada ab 1970 die Sowjetunion und den Ostblock), asiatischer Pazifikraum (der Zero lieferte 1917 die Vorlage für den ersten Mitsubishi), Türkei und Nordafrika (dort ist heute der Fiat Tipo Marktführer) oder Südamerika (seit dem Fiat 600 aus den 1950ern ist der Mercosur eine Fiat-Domäne). Nicht zu vergessen Nordamerika, wo die sportliche Italianità von Typen wie Fiat 124 Spider und X1/9 Dolce-Vita-Feeling versprach.

Apropos Sport: Racing gehörte schon für Fiat-Gründervater Giovanni Agnelli zur Marken-DNA und Marketing-Strategie, und so sammelten die in Rosso Corsa livrierten Turiner Boliden seit Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur auf Rundstrecken Pokale, sie stellten auch Tempo-Weltrekorde auf. Etwa das berühmt-berüchtigte Biest Fiat Mefistofele mit 21,7-Liter-Sechszylinder, das 1924 234,98 km/h auf öffentlicher Straße erreichte und bis heute bei Neuwagenpräsentationen, etwa mit dem Fiat 500, ein Publikumsmagnet ist.

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In den 1920er Jahren rivalisierte Fiat erstmals ernsthaft mit Citroen und Opel (seit 2021 sind die drei Marken im Stellantis-Konzern vereint) und legte dazu die kostengünstigen Volumenmodelle Fiat 501 und 508 Balilla auf, die damals bereits über Raten finanziert werden konnten. In Deutschland brillierte der Balilla als NSU-Fiat aus Heilbronner Montage, ein Produktionsstandort, der bis 1969 auch für die Fiat Millecenti (1100-Typen) der Wirtschaftswunderzeit genutzt wurde.

125 Jahre Fiat: "Avanti Popolo"

Unter dem selbst gewählten Credo "Avanti Popolo" hatte Fiats genialer Chefkonstrukteur Dante Giacosa bis dahin volkstümliche Kleinwagen vom Topolino (1936) bis zum 850 (1964) auf die Räder gestellt, aber auch Mittelklassebestseller vom frühen Fiat 1400 im Pontondesign (1950) über die Meisterstücke der Trapezform Fiat 1300 bis 2300 sowie den Frontantriebs-Revolutionär Fiat 128 (1969) – zugleich Stammvater der späteren VW-Golf-Gegner Fiat Ritmo (1978) und Tipo (1978). Dem Polo vier Jahre voraus fuhr der Fiat 127 (1971), seine Erben Fiat Uno (1983) und Punto (1993) zeigten ebenfalls, welche Gene global erfolgreiche Kleine haben müssen.

Vergessene Helden bzw. Verlierer gab es aber auch bei Fiat: Speziell das Sechszylinder-Flaggschiff 130 (1969) und uninspirierte Limousinen wie Argenta, Marea oder Linea zählen dazu. Viel Geld kostete Fiat zudem die Übernahme von Marken wie Lancia (1969), Alfa Romeo (1986) oder Maserati (1993), gar nicht zu reden von den kostspieligen Arbeitskämpfen der streiklustigen Belegschaft in den 1970er und 1980er Jahren.

Allerdings hatte die Agnelli-Familie stets das richtige Gespür, wie existenzielle Krisen zu meistern sind. Etwa durch kostensparende automatisierte Produktionsabläufe und pfiffige Produkte im Retrodesign, sprich die ab 2007 aufgebaute Fiat-500-Modellfamilie. Nicht zu vergessen die geschickt gestrickte Konzern-Architektur: Heute, zum 125. Geburtstag, ist Fiat die volumengrößte Marke des Stellantis-Konzerns. Wie Fiat in die Zukunft fährt? Wohl mit Gespür für große Gefühle bei kleinen Autos, das verraten uns heute schon neue Stilstudien.

 

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