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Hickhack um neue StVO: Streit in Regierung entbrannt

10.07.2020 10:53 Uhr
Hickhack um neue StVO: Streit in Regierung entbrannt
Zu schnell unterwegs: In einigen Kommunen gibt es im Bereich von Fahrverbots-Regelungen "Steigerungen von 300 bis 400 Prozent".
© Foto: Christoph Hardt/Geisler Fotopress/Picture Alliance

Wie geht es weiter mit der neuen StVO – nachdem ein Rechtsfehler entdeckt wurde und neue Raser-Regeln außer Vollzug sind? Bund und Länder wollen beraten, es gibt aber Uneinigkeit.

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Von Andreas Hoenig, Teresa Dapp und Sascha Meyer, dpa

Streit in der Regierung, Unklarheit für Millionen von Autofahrern – und viel Arbeit für Kommunen: Das Hickhack um schärfere Sanktionen für Raser weitet sich immer mehr aus. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will eine schnelle Lösung mit den Ländern. Sein Plan: Zwei neue und verschärfte Regeln über Fahrverbote bei zu schnellem Fahren, die wegen eines Rechtsfehlers vorerst außer Vollzug gesetzt wurden, sollen wieder zurückgenommen werden. Dagegen aber gibt es Widerstand.

Scheuer sagte am Freitag bei einem Termin in Wachenroth in Bayern: "Ich habe einen Fahrplan, aber das reicht nicht, weil ich die Länder dazu brauche. Ich habe ein faires Angebot gemacht." Er wolle zum einen den Formfehler richtigstellen, zum anderen aber zugleich die "Verhältnismäßigkeit" herstellen. Am Montag wollen Vertreter von Bund und Ländern auf Abteilungsleiterebene die aktuelle Lage beraten, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.

In der Sache geht es darum, dass seit Ende April ein Monat Führerscheinentzug droht, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 km/h zu schnell – dies hatte der Bundesrat in die StVO-Novelle hineingebracht. Zuvor lagen die Grenzen bei Überschreitungen von 31 km/h im Ort und 41 km/h außerhalb. Wegen eines Formfehlers in der Verordnung wurden die neuen Regeln aber nun bundesweit von den Ländern vorerst außer Vollzug gesetzt.

Konkret wurde das sogenannte Zitiergebot des Grundgesetzes verletzt – dadurch sind die neuen Regeln für Fahrverbote aus Sicht von Juristen nichtig. In der neuen StVO geht es eigentlich vor allem um Verbesserungen für Radfahrer.

Niedersachsen will bei neuem Bußgeldkatalog bleiben

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sprach sich für die im neuen Bußgeldkatalog festgeschriebenen schärferen Raser-Regeln aus – genau das will Scheuer nicht. "Raserei ist Todesursache Nummer eins auf unseren Straßen. Wir sollten uns dem Wohle unserer Bevölkerung verpflichten und nicht dem einiger lauter Lobbyisten", sagte Pistorius am Freitag laut Mitteilung. Die entstandene Rechtsunsicherheit solle durch das Bundesverkehrsministerium schnellstmöglich beseitigt werden – indem die fehlerhaften Vorschriften zur Änderung der Bußgeldkatalogverordnung in unveränderter Form mit Behebung des Rechtsfehlers erneut erlassen würden.

Scheuer sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Jetzt gilt wieder der alte Bußgeldkatalog und wenn es kein Verhandlungsergebnis gibt, gilt der alte Bußgeldkatalog weiterhin, aber eben ohne die von mir gewünschten Verbesserungen zum Beispiel für die Radfahrer, das muss jeder Landesverkehrsminister wissen."

Auf Kritik waren Scheuers Pläne aber auch bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gestoßen. Sie hatte von einer "Verkehrtwende" des Ministers bei der Bestrafung von Temposündern gesprochen. Unverhältnismäßig hohe Geschwindigkeiten seien weiterhin das Unfallrisiko Nummer eins.

Wie es zu dem Fehler im Verordnungstext der neuen StVO kam, den die Bundesregierung verkündet hatte, ist unklar. Das federführende Verkehrsministerium und das beteiligte Justizministerium verweigerten am Freitag auf Nachfrage Angaben dazu, welche Zeit die Erstellung und Prüfung der Verordnung beansprucht hat. Auf Fristen werde er nicht weiter eingehen, weil es nichts bringe, hier eine Schuldfrage zu klären oder zu suchen, sagte ein Sprecher des Verkehrsressorts.

"Ultra verkürzte Fristen" wegen Corona

Das Justizressort erklärte zunächst, es habe dazu keine Ergänzung, und fügte später hinzu, die Endprüfung habe wegen der Fristsetzung nur "sehr kursorisch und nicht in der gewohnten Tiefe" erfolgen können. Scheuer sagte dazu: "In Corona-Zeiten gab es oft ultra verkürzte Fristen. Jetzt geht es um Lösungen und nicht um Rückblick."

Zur Zahl der Bußgeldbescheide, die bereits nach den neuen Regeln ergangen sind, gibt es laut Verkehrsministerium noch kein Gesamtbild. Zahlen aus einigen Kommunen zeigten aber die "Unverhältnismäßigkeit" auf, im Bereich von Fahrverbots-Regelungen gebe es "Steigerungen von 300 bis 400 Prozent".

Wer in Bayern nach dem neuen Bußgeldkatalog seinen Führerschein verloren hat, bekommt ihn nun zurück. "Sofern das Fahrverbot schon angetreten wurde, werden das Polizeiverwaltungsamt, das Polizeipräsidium Mittelfranken und das Polizeipräsidium München die dort verwahrten Führerscheine umgehend zurückschicken", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er appellierte an die anderen Bundesländer, die Neuregelungen nicht zu blockieren.

Das Hickhack um den neuen Bußgeldkatalog macht Kommunen viel Arbeit. So müssen in Schleswig-Holstein allein in den vier kreisfreien Städten rund 80.000 Bußgeld-Verfahren neu bearbeitet werden, wie Vertreter der Städte sagten.

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KOMMENTARE


Johann

13.07.2020 - 17:24 Uhr

Das ist schon alles verwunderlich, was so vom Verkehrsministerium rauskommt. Da wird nicht einmal bemerkt, dass bei den Geschwindigkeitsüberschreitungen dem Guten etwas zu viel getan wurde. Außerdem wird auch noch behauptet, den Radfahrern etwas Gutes tun zu wollen. Hier ist es aber wohl auch des Guten zu viel. Heißt es doch nun, dass Radfahrer außerhalb geschlossener Ortschaften im Abstand von 2 Metern überholt werden dürfen. Diese Regelung kann in vielen Teilen Deutschlands ja noch vernünftig sein (dort, wo es Radwege gibt). Doch bei uns im bayerischen Hinterland, wo die Ortsverbindungsstraßen oft nur eine gesamt Breite von 3,5 bis 4 Meter haben, ist jetzt das Überholen nach Vorschrift nicht mehr möglich (Fahrradfahrer mit Rad ca 1 Meter - Abstand zum Fahrradfahrer min. 2 Meter. Gesamt 3 Meter) Da bleiben meist nur noch ein halber bis eineinhalb Meter Fahrbahnbreite für ein Auto oder Schlepper zum Überholen übrig. Wie soll das bitte gehen? Diese Verordnung geht vollkommen an der Realität vorbei.


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