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AK V: Fahrverbot statt Führerscheinentzug bei einmaliger E-Scooter-Alkofahrt

01.02.2023 16:51 Uhr | Lesezeit: 5 min
E-Scooter
Alkohol am Lenker eines fahrerlaubnisfreien Elektrokleinstfahrzeug – wie hier einem E-Scooter – war das Kardinalthema für den AK V in Goslar.
© Foto: Walter K. Pfauntsch

Die Promillegrenzen bleiben, aber das Damoklesschwert fiel nicht: Statt einem Entzug der Fahrerlaubnis soll es bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem fahrerlaubnisfreien Elektrokleinstfahrzeug wie z.B. einem E-Scooter "nur" zu einem Fahrverbot kommen. Dennoch bleibt die Möglichkeit weitergehender Überprüfungen der Fahreignung.

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AK V begab sich thematisch auf die "Suche nach geltenden und erforderlichen Grenzen für E-Scooter, Fahrräder & Co.". Dabei untersuchte er die Übertragbarkeit der 1,1-Promille-Grenze, die Anwendbarkeit der Regelvermutung gemäß § 69 II StGB, eine etwaige behördliche Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeug und vermittelte ein polizeiliches Lagebild.

Die Leitung des AK oblag DVR-Ehrenpräsident Prof. Dr. Walter Eichendorf (Berlin), als Referenten traten in Erscheinung: Prof. Dr. Brian Valerius, Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz im Strafrecht (Universität Passau), Dr. Klaus Borgmann, Vorsitzender Richter am bayerischen Verwaltungsgerichtshof (München), Prof. Dr. Thomas Daldrup, Institut für Rechtsmedizin (Universitätsklinikum Düsseldorf) und PHK Nils Weber, Verkehrsdezernent (Polizeidirektion Hannover).

Die Aufgabenstellung für die zweitägigen Beratungen lautete:

Wann bin ich als E-Scooter-Fahrer alkoholbedingt fahrunsicher? Droht bei einmaliger Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter der Fahrerlaubnisentzug? Und darf die Verwaltungsbehörde auch das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge untersagen?

Im Einzelnen wurden dabei folgende Themen abgehandelt – z.B. unter der Präambel:
"Großes Potenzial für eine umweltfreundliche Mobilität in deutschen Städten und eine echte zusätzliche Alternative zum Auto": Als die E-Scooter im Jahre 2019 für den öffentlichen Verkehr zugelassen wurden, war die Euphorie groß.

Der erhoffte Beitrag zur Verkehrswende hat sich mit ihnen jedoch nicht eingestellt. Stattdessen waren schon erste Unfallzahlen aus den Jahren 2020 / 2021 alarmierend. Entsprechend fanden sich schnell Forderungen nach verschärften Regeln wie die Einführung einer Helmpflicht sowie eines absoluten Alkoholverbotes.

Hinzu kommt, dass die Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter wichtige verkehrsrechtliche Fragestellungen aufwirft, die höchstrichterlich nicht geklärt sind. Im Vordergrund stehen dabei die Übertragbarkeit der 1,1-Promille-Grenze für den Nachweis einer alkoholbedingten Fahrunsicherheit und die Frage, inwieweit die Regelvermutung für die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 II StGB greift. Als Folge bestehen in der Praxis große Unsicherheiten in der Rechtsanwendung, insbesondere im Bereich polizeilicher Maßnahmen wie der Beschlagnahme von Führerscheinen.

In diesem Kontext drängte sich noch ein weiterer wichtiger Aspekt auf: E-Scooter sind wie Fahrräder fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge, deren Benutzung die Verwaltungsbehörde nach § 3 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) untersagen kann. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts regeln das Straßenverkehrsgesetz und die Fahrerlaubnis-Verordnung das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, jedoch nur punktuell. Zudem würden die vorhandenen Regelungen eine Reihe von Auslegungsfragen aufwerfen, beginnend mit der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm bis hin zu einer nicht vorhandenen, aber für erforderlich erachteten Differenzierung zwischen fahrerlaubnisfreien und –pflichtigen Fahrzeugen. Grund genug also, sich als Arbeitskreis den aufgeworfenen Fragestellungen intensiv zu widmen.

Am Ende der Beratungen aufdem 61. VGT wurde folgende Empfehlung verabschiedet:

Die Teilnahme am Straßenverkehr mit jeder Art von Fahrzeugen und der Konsum berauschender Mittel sollten strikt getrennt werden.

1. Der Arbeitskreis empfiehlt, die Alkohol-Grenzwerte für E-Scooter von 0,5-Promille (Ordnungswidrigkeit) und 1,1-Promille (Straftat) beizubehalten. Dafür spricht insbesondere das festgestellte Fahrverhalten und Unfallgeschehen beim Führen von E-Scootern unter Alkoholeinfluss.

2. Es wird begrüßt, dass Verleiher von E-Scootern auf eine korrekte und verkehrssichere Nutzung, insbesondere ohne Einfluss berauschender Mittel, nachdrücklich hinwirken. Darüber hinaus wird eine enge Zusammenarbeit zwischen Verleihunternehmen und Polizeibehörden sowie weiteren Partnern der Verkehrssicherheitsarbeit zur Unfallprävention empfohlen. In die Unfallpräventionsarbeit sind die privaten E-Scooter-Nutzer einzubeziehen.

3. Der Arbeitskreis empfiehlt dem Gesetzgeber, § 69 Abs. 2 StGB dahingehend zu ändern, dass die Regelvermutung für eine Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) mit einem fahrerlaubnisfreien Elektrokleinstfahrzeug (z. B. E-Scooter) nicht greift; er hält die Verhängung eines Fahrverbotes (§ 44 StGB) grundsätzlich für ausreichend. Es bleibt Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde, die Fahreignung nach Maßgabe des geltenden Rechts in diesen Fällen zu prüfen.

4. Die Anforderungen an die Fahreignung für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge und die möglichen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde bei Ungeeignetheit sind nicht hinreichend klar geregelt. Der Arbeitskreis schließt sich der Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 4. Dezember 2020 (3 C 5.20) an, der Gesetz- und Verordnungsgeber möge hier für Klarheit sorgen.

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