Der Arbeitskreis der ö. b. u. v. SV mit dem Schwerpunkt Fahrzeuglackierung ist dem Bundesverband Farbe angeschlossen, in dessen Händen auch die Organisation und Durchführung der Fortbildungsreihe liegt. Dr. Albert Bill, der das Tagungsprogramm moderierte, begrüßte die Teilnehmer und stellte die Kollegen Dr. Oliver Nicolai und Torsten Schmidt vor, die zukünftig die Betreuung der Sachverständigen im Bundesverband übernehmen werden.
Einblick in Serien- und Reparaturlackierung
Den Einstieg in das Tagungsprogramm bildete eine Werksbesichtigung bei Porsche in Leipzig. Hier konnten die Teilnehmer einen Blick in die Montagelinien des Porsche Macan werfen und in einer exklusiv für die Gruppe organisierten Führung auch die Lackieranlage besichtigen. Die Beurteilung von Fahrzeuglackierungen war der weitere Themenschwerpunkt des ersten Seminartages. Marc Steinmetzer, Leiter Qualitätslenkung Lackiererei der Porsche Leipzig GmbH, erläuterte in seinem Vortrag detailliert den Lackaufbau in der Serienfertigung bei den am Standort Leipzig gefertigten Porsche-Fahrzeugen und die Konzernkriterien, die eine Lackierung als i.O. oder nicht i.O. charakterisieren.
Von der Werkslackierung ging es dann in den Bereich der Reparaturlackierung und speziell zu den Themen Mehrschichtlackaufbauten im 3- und 4-Schichtbereich, Effektlacke, eingefärbte Klarlacksysteme und Mattlackierungen und deren Erkennbarkeit. Dirk Sauer von der Axalta Coating Systems Germany referierte und demonstrierte den Teilnehmern Aufwand und Reparaturweg, um einen Farbton sach- und fachgerecht nachzustellen. Dabei wurde den Teilnehmern aufgezeigt, welcher Aufwand erforderlich ist, um eine derartige Lackierung sach- und fachgerecht nachzustellen. Anhand von Musterblechen empfahl Sauer, die Lackierung in mehreren Spritzgängen vorerst visuell anzupassen, bevor die Reparaturlackierung mit dem richtigen Lackaufbau ausgeführt werden kann.
Intensive Diskussion zur Beilackierung
Von den Teilnehmern wurde intensiv diskutiert, dass ein Beilackieren des Farbtons in angrenzende Karosserieteile, insofern der Schaden nicht auf eine minimale Fläche innerhalb des Bauteils begrenzt ist, unumgänglich ist. Kritik gab es in diesem Zusammenhang für die Deklaration bestimmter Reparaturlacksysteme als 2-Schichtverfahren, da die unumgängliche "Nass in Nass-Lackierung" als 3. Schicht ausgeblendet wird. Letztendlich bedeute das Abrechnungsprobleme für den Mehraufwand der erforderlichen 2. Klarlackschicht für den ausführenden Reparaturfachbetrieb, der dieses Lacksystem anwendet. Aus diesem besagten Grund decke sich die Deklaration der Lackmarke nicht zu 100 Prozent mit der Beschreibung der Lackierverfahren nach der AZT-Systembeschreibung. In diesem Punkt waren sich alle Teilnehmer einig.
Christian Petzoldt von der Petzoldt’s OHG Hagen referierte dann über die unterschiedlichen Lacksysteme z.B. bei Oldtimern, Youngtimern und aktuellen Fahrzeuglackierungen. An unzähligen Beispielen wurden mögliche Schadensbilder aufgezeigt und die Empfehlungen für den fachgerechten Reparaturweg ausgesprochen. Informationen, die für die Sachverständigentätigkeit von großer Bedeutung sind.
Schadenpraxis pur bei Frank Hoffmann
Der zweite Tag des Fortbildungsseminars begann am Vormittag mit dem Besuch der Firma Icam Systems und ClaimsControlling GmbH in Leipzig. Geschäftsführer Frank Hoffmann, unterstützt von seinen Leitenden Mitarbeitern Michael Herrmann, Uwe Schmortte und Carsten Laux, stellte die Philosophie der unterschiedlichen Geschäftsbereiche der Unternehmensgruppe vor. Detailliert wurde das System, welches hinter der Rechnungsprüfung steht, erläutert. Beispielhaft wurden Rechnungskorrekturen – auch zur fiktiven Abrechnung - demonstriert und mit den Sachverständigen diskutiert. Dabei wurde hervorgehoben, dass die Rechnungsprüfung nach einem eigenen, von ClaimsControlling entwickelten Prozess im Rahmen der sogenannten Dunkelverarbeitung, aber auch durch geschultes Personal händisch vorgenommen wird. Eine pauschale Kürzung, wie dies von anderen im Markt tätigen Dienstleistern vorgenommen wird, gibt es nach Aussage von Frank Hoffmann in seinem Hause nicht.
Digitale Dokumentation von Schäden
Am Ende der zweitägigen Fortbildungsmaßnahme in Leipzig stand das Thema Schadensfotografie im Fokus. Referent Tiedemann (Foto-Zentrum Leipzig) demonstrierte an einem lackierten Karosserieteil die Ablichtung von beschädigten Oberflächen mit Zuhilfenahme von Stativen, Beleuchtung, Dellenreflektoren und Makroobjektiven. Ausführlich wurden die digitalen Prozesse und Einstellungen verschiedener Kamerasysteme erläutert. Die exakte und aussagefähige Bilddokumentation von Schäden gehöre zu den Kernkompetenzen bei der täglichen Arbeit der Sachverständigen. Aus diesem besagten Grund sei eine ständige Weiterbildung auch in diesem Segment unumgänglich, da sich die ö.b.u.v. SV stets am technologischen Fortschritt orientieren müssen, um visuell Schäden aussagekräftig darzustellen zu können.
Für die öffentlich bestellten und vereidigten Fahrzeuglackierer-Sachverständigen im Maler- und Lackierer-Handwerk bildet die Seminarreihe laut Dr. Albert Bill "eine hervorragende Möglichkeit der Weiterbildung". Regelmäßig begleiten und gestalten hochkarätige Referenten sowie Partner aus Industrie und Handwerk die Fortbildungen. Der nächste Termin für 2021 werde bereits geplant. (oh)