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"Keine seriöse Grundlagen": BVfK kritisiert "Hysterie um Tachomanipulation"

29.01.2018 16:05 Uhr
"Keine seriöse Grundlagen": BVfK kritisiert "Hysterie um Tachomanipulation"
BVfK-Vorstand Ansgar Klein setzt sich aktiv mit dem Thema Tachomanipulation auseinander und weist die aus seiner Sicht in den letzten Jahren lediglich pauschal geschätzten Zahlen mit Nachdruck zurück. Zusammen mit Rechtsanwalt Dr. Kurt Reinking (r.) machte er sich auch in Goslar für Autorechtsthemen stark.
© Foto: Walter K. Pfauntsch

Der Umfang manipulierter Tachos "ist wesentlich geringer als vielfach propagiert und rechtfertigt keine Installation neuer Bürokratiemonster", sagt der Bundesverband freier Kfz-Händler e.V. (BVfK). Das Problem erledige sich in wenigen Jahren von selbst und schon heute könne Manipulationsschutz mit geringem Aufwand erhöht werden.

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Der Verband stellt fest, dass "sämtliche Angaben zum Umfang der Tachomanipulation unrichtig sind und jeder seriösen Grundlage entbehren". Eine "Übertreibung ums 10-fache" sei ebenso unseriös, wie falsche Angaben zur Laufleistung. Dem BVfK sind nach eigener Aussage keine Untersuchungen bekannt, die Behauptungen rechtfertigen würden, nach denen "jeder zweite Kilometerstand" oder auch "30 Prozent aller Autos manipuliert" seien bzw. "jeder dritte Händler am Tacho dreht".

"Völlig veraltete Hochrechnungen und Schätzungen"

Diese Zahlen entstammen laut BVfK-Vorstand Ansgar Klein "völlig veralteten Amortisations-Hochrechnungen und Schätzungen aus Zeiten, wo Manipulationsgeräte nicht wie heute 150 Euro, sondern über 10.000 Euro kosteten". Eine weitere Grundlage stamme "aus Polizeikreisen, als im Jahr 2011 in München und Umgebung ein Betrügerring aufflog, der in großem Stil hochwertige Gebrauchtwagen aus Italien mit manipulierten Tachos importierte".

Aus der bei dieser einmaligen Razzia festgestellten Anzahl manipulierter Tachos (250 Fahrzeuge wurden lt. Autobild vom 13.1.2013 damals sichergestellt) eine gesamtdeutsche Hochrechnung zu begründen, sei allein "schon deshalb falsch, da der Zulassungsanteil der aus Italien nach Deutschland importierten Gebrauchtwagen lediglich bei unter 0,2 Prozent liegt" (6 Millionen Besitzumschreibungen, 9.000 GW-Importe aus Italien). Selbst wenn diese im Übrigen leicht erkennbaren Fahrzeuge alle manipuliert wären, hätte das laut BVfK auf die Gesamtquote in Deutschland nur einen marginalen Einfluss.

Gedrehte Tachos im seriösen Kfz-Handel "nahezu ausgeschlossen"

Die Manipulationsquote sinke seit Jahren kontinuierlich und liege heute unterhalb von 5 Prozent. Regelmäßige Branchenuntersuchungen des BVfK hätten zudem ergeben, dass im seriösen Kfz-Handel manipulierte Fahrzeuge "nahezu ausgeschlossen" seien, da professionelle Kfz-Händler Manipulationen in der Regel schnell herausfinden können. "Die geringe Inanspruchnahme der BVfK-Tachogarantie im Promillebereich liefert den Beweis", so Vorstand Klein.

Wer hat (Mit)-Schuld an gefälschten Km-Ständen?

Hersteller, Gesetzgeber und Ermittlungsbehörden tragen nach Auffassung des BVfK die Mitverantwortung für Tachobetrug. Festgemacht wird dies durch den BVfK an folgenden Punkten:

1. Autohersteller weigerten sich Jahrzehnte, der Forderung von Handel und Verbrauchern nach manipulationsgeschützten Tachos nachzukommen.

2. Der Europäische Gesetzgeber hat diesem Druck endlich nachgegeben und einen solchen Wegstreckenzählern Ende 2017 als Voraussetzung für eine Typgenehmigung rechtlich verankert.

3. Das Gesetz, das Tachomanipulation unter Strafe stellt, ist nachbesserungsbedürftig. Es bietet den gewerblichen Tachodrehern immer noch Schlupflöcher.

4. Die Ermittlungsbehörden sind gegen die im Internet offen anbietenden „Justierer“ kaum aktiv. Diese gehen ungestört ihren Geschäften nach, mit denen sie im Übrigen gezielt die Kfz-Halter und nicht die Kfz-Händler ansprechen.

5. Datenschutz behindert Aufklärung. Die Fahrzeughistorie wurde durch Änderungen der Fahrzeugpapiere intransparent. Während der bis 2005 gültige Fahrzeugbrief noch über bis zu sechs Vorbesitzer informierte und Nachforschungen zur Fahrzeughistorie leicht ermöglichte, bietet die seitdem vorgeschriebene Zulassungsbescheinigung Teil II aus Datenschutzgründen nur noch Platz für zwei Eintragungen.

Die Halbwahrheit von Datenbanken

Datenbanken bieten entsprechend der Überzeugung des Bundesverbandes freier Kfz-Händler ebenfalls "nur trügerische Sicherheit". So würden Systeme in Belgien und den Niederlanden keinen Betrug verhindern: "Wer manipulieren will, kann dies jederzeit und ohne viel Aufwand zwischen den Werkstattbesuchen erledigen. Dazu braucht es auch keine technischen Kenntnisse. In Folge können in diesen Ländern manipulierte Fahrzeuge sogar ein Sicherheit vorgaukelndes Zertifikat erhalten. Betrüger haben längst verstanden, das System zu missbrauchen."

Tachostände werden "gläsern"

Das Problem manipulierter Laufleistungen erledige sich darüberhinaus ohnehin von selbst – und ohne ein "neues Bürokratiemonster, das am Ende jeder Autofahrer mitfinanzieren muss". Denn bereits seit Jahren spiegeln laut BVfK-Vorstand Ansgar Klein namhafte Kfz-Hersteller alle wichtigen Fahrzeugdaten auf eigenen Servern. "Dies inzwischen sogar in Verbindung mit gesetzlichen Vorschriften, denn seit dem 1. Januar 2018 muss jedes neu zugelassene Fahrzeug über ein eCall genanntes automatisches Notrufsystem verfügen. BMW, Mercedes, Peugeot, Citroën, Opel und Volvo bauen die entsprechenden Techniken bereits Jahren ein."

Tachozertifikat als Ausweg

Der BVfK weist ferner darauf hin, dass die so beim Hersteller gespeicherten Daten, wozu auch die Laufleistung zählt, vom Autobesitzer abgefordert und zum Nachweis der Laufleistung verwendet werden können. "Dies wird in Verbindung mit den dank gesetzlicher Vorschrift gesicherten Wegstreckenzählern zu einem im Laufe der nächsten Jahre zunehmenden Rückgang der Tachomanipulation gerade bei jungen und hochpreisigen Gebrauchtwagen sorgen, die eher manipulationsgefährdet sind."

"Fragwürdige Interessen"

Vor dem Hintergrund dieser Fakten, die eindeutig gegen die Installation von Datenbanken sprächen, müsse man sich fragen, warum eine auf wirklichkeitsfremden und unbewiesenen Vermutungen aufbauende Initiative regelmäßig aufflamme? Fest stehe: "Eine solche Datenbank kann für die Betreiber ein großes Geschäft werden, denn sie würden nicht nur für jede Eintragung kassieren, sondern auch über äußerst wertvolle Daten verfügen."

Daher lehne der BVfK "neben anderen führenden Kfz- und auch Verbraucherverbänden" die Einführung eines Datenbanksystems zur vermeintlichen Bekämpfung des Tachobetrugs als unwirksam und in Kürze überflüssig ab.

Fakten zum BVfK

Der Bundesverband freier Kfz-Händler e.V. (BVfK) sieht sich selbst als "die maßgebliche Stimme des seriösen freien Kfz-Handels in Deutschland". Dem Verband gehören Unternehmen aus dem Neu- und Gebrauchtwagenhandel, als auch dem Kfz-Vermittlergeschäft an. Die Mitgliederzahl steigt seit seiner Gründung im Jahr 2000 stetig. Laut Verbandsprofil sind derzeit über 800 Händler organisiert. Der BVfK sieht seine Aufgaben "in der Imageverbesserung seiner – einem strengen Regelwerk verpflichteten – Mitglieder sowie der Stabilisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wozu ganz wesentlich die Bekämpfung unseriöser Geschäftspraktiken zählt". So trage der Verband "zur Förderung des lauteren Geschäftsverkehrs, wie auch des fairen wirtschaftlichen Wettbewerbs bei". Zur Tätigkeit des BVfK zählen Projekte wie der von Autorechtsanwalt Dr. Kurt Reinking und BVfK-Vorstand Ansgar Klein initiierte Deutsche Autorechtstag (www.deutscher-autorechtstag.de), der gemeinsam von BVfK, ADAC und ZDK veranstaltet wird, sowie die Einrichtung von Schiedsstellen zur gütlichen Einigung von Streitfällen. Die Schlichtungsquote liegt dem Vernehmen nach bei über 90 Prozent.   (wkp)

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