"Chrysler ist kein kleines Unternehmen, wird aber wie ein kleines Unternehmen geführt", sagte Zetsche einmal und vergaß nicht hinzuzufügen, dass man in Deutschland zwar länger in Meetings zusammensitzt, aber weniger dabei herauskommt als in Detroit. "Das werden wir ändern." Die "New York Times" schlussfolgert: "Zetsche spricht Deutsch mit Detroiter Akzent". Dass sein erster großer Auftritt als DaimlerChrysler-Chef ausgerechnet auf der Autoshow in der US-Autometropole Anfang Januar 2006 stattfindet, hat fast schon Symbolcharakter.
Für die Konzernzentrale in Möhringen dürfte sehr bald ein Sparprogramm auf dem Plan stehen. Dabei sind schlankere Strukturen sowie Vermeidung von Doppelfunktionen auf Konzern- und Bereichsebene die Stichwörter. Relativ wahrscheinlich gilt auch ein Vorstandsumbau in Maßen. So könnte etwa nach Informationen von "auto motor und sport" der auf seinem Posten als Mercedes-Vertriebschef nicht so glückliche Klaus Maier wieder in sein angestammtes Revier als Nutzfahrzeugvorstand zurückkehren.
Weniger muss mehr sein
Was er anstrebt, hat der Sanierungsexperte Zetsche so ausgedrückt: "Insgesamt muss unser Grundsatz sein, mit weniger mehr zu erreichen." Damit sind nicht nur Personen gemeint: Jetzt gelte es, Prozesse und Strukturen zu verschlanken – "in Entwicklung, Produktion und Vertrieb", betont der Automanager mit dem buschigen Schnauzbart. So sieht Zetsche noch viele Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit mit Chrysler – gerade bei der Entwicklung neuer Modelle.
Autoexperten stimmen dem zu. "In der Ära Zetsche wird es darum gehen, die Verbindung Chrysler-Mercedes in dem Fertigungsverbund, im Austausch von Komponenten und Gleichteilen weiter zu entwickeln", sagt Automobilwissenschaftler Prof. Ferdinand Dudenhöffer. Dies ist indirekt auch eine Kritik am alten Management, dem dies offenbar nicht gelungen ist. Eines der wichtigsten Probleme, die Zetsche in den Griff kriegen müsse, sei das Qualitätsproblem, betont Prof. Wolfgang Meinig von der Universität Bamberg unter Berufung auf seine Untersuchung, wonach Mercedes-Händler selber die Qualität der Autos als sehr schlecht einschätzen.
Neues Leben für den Qualitätsmythos?
Die Experten mahnen aber auch die Lösung der großen Probleme bei Smart an. Smart, sagt der Münchner Automobilstratege Helmut Becker, sollte am besten nach China verkauft werden. Prof. Willi Diez von der FH Nürtingen hält dagegen eine noch engere "Integration in die Mercedes-Welt" für sinnvoll. Einig sind sich die Fachleute, dass der neue Vorstandschef den "Qualitätsmythos" (Becker) Mercedes wieder herstellen und die Marke Mercedes-Benz und den gesamten Konzern "wieder zum Strahlen" (Diez) bringen muss. "Kaum einer hat die Gabe, Menschen so stark zu motivieren und mitzureißen wie Zetsche, das lässt viel erwarten", glaubt Dudenhöffer. Ab 2006 dürfte also eine spannende neue Ära im ältesten Automobilkonzern der Welt beginnen. (Frank Heidmann)