HB ohne Filter vom 27. März 2009
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Heute mit den Themen: Dramatische Wirtschaftszeichen, Strahlender Wüstenstern, Kroymans-Pleite, Konjunkturklammer Verschrottungsprämie, Das billigste Auto der Welt und Lidls "Auto-Schnäppchen".
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22. März – Sonntag
Dramatische Wirtschaftszeichen. Bundespräsident Horst Köhler, als ehemaliger IFW-Präsident ausgewiesener Weltmarktexperte, meinte diese Woche in seiner vierten Berliner Rede: "Die kommenden Monate werden sehr hart. Wir werden Ohnmacht empfinden und Hilflosigkeit und Zorn." Das geht einher mit wachsenden Arbeitslosenzahlen, weiteren Firmenpleiten und Wohlstandsverlust. Allein das Kfz-Gewerbe hatte schon 2008 sage und schreibe 1.100 Insolvenzen zu verzeichnen. 2009 wird dieser Größenordnung vermutlich nicht nachstehen. Marschieren wir gar auf einen Pleiterekord in der Branche zu?
Köhler sprach auch den ewigen Wachstumsfetischisten ins Gewissen. Da vertritt Porsche-Chef Wiedeking immer noch die Auffassung: "Wachsen oder weichen!" Köhler: "Wir haben uns eingeredet, permanentes Wirtschaftswachstum sei die Antwort auf alle Fragen. Die Deutschen mögen nicht länger nur aufs Wirtschaftswachstum starren, ihr persönliches Glück und den Wert der Demokratie nicht nur am Wohlstandspuls messen. Dank Wachstum (und Schulden) überkleistert der großzügige Sozialstaat viele Risse zwischen Oben und Unten in der Gesellschaft." Sparsamkeit, so Köhler, soll Ausdruck von Anstand werden. Demokratie ist mehr als die Sicherstellung materieller Zuwächse.
Hoffentlich nehmen das auch namhafte Wirtschaftswissenschaftler mal zur Kenntnis. Klima und Umwelt verkraften nicht länger ein ungebremstes Wachstum. Den Bankern hätte der Präsident etwas näher treten dürfen. Da setzt sich Herr Ackermann aktuell wieder mit seinem Gehaltsverzicht in Szene. Hatte er 2007 noch ein Salär von 14 Millionen Euro, so ist dies 2008 abgeschmolzen auf soziale 1,4 Millionen. Das ist bei vier Milliarden Euro Verlust bei der Deutschen Bank in 2008 immer noch ein exzessives Gehalt, wird aber öffentlich als Sozialverhalten gepriesen. Warum werden an vielen Schaltstellen die "ehemaligen Vorstände" nicht verklagt? Folgenlose Misswirtschaft! Das schafft alles andere als Vertrauen.
Wer möchte nicht lieber mit ein wenig Optimismus Unrecht behalten als Recht mit Pessimismus zu haben? Machen wir uns nichts vor, zwischen der gefühlten Krise und der Realität herrscht eine starke Diskrepanz. Die Abwrackprämie erinnert einen symbolisch an ein letztes Aufbäumen?! Die günstigen Spritkosten und die erträglichen Lebensmittelpreise vertuschen noch das anstehende Gebräu. Der Schuldenberg des Staates wird wachsen. Die Sozialkassen werden aufgrund ansteigender Arbeitslosigkeit wieder über fehlende Milliardenbeträge stöhnen. Wer das anders sieht, betreibt "Wahlkampflüge". Ich habe mit genügend Opel-Händler gesprochen, die mir ihre Herzenslage anvertraut haben. Das reichte bis zum "Merkleeffekt"! Da wird die Sicht der Chancen in der Krise relativ. Zuggeleise sollten und dürfen aber bei Gott für niemanden der letzte Ausweg sein.
23. März – Montag
Strahlender Wüstenstern. Der Stern zu Untertürkheim scheint für die Scheichs in Abu Dhabi und Dubai heller und goldener zu leuchten wie aus der schwäbischen Urzelle. Über das Drucken neuer Aktien und einer notwendig gewordenen Kapitalerhöhung des Grundkapitals um zehn Prozent flossen rund zwei Milliarden Euro Barmittel aufs Stuttgarter Konto. Nach einem Aktienkursverfall bei Daimler von 80 Euro im Vorjahr war nun ein Schnäppchenpreis von 20,27 Euro fällig. Für Wirtschaftsminister Guttenberg hat die neue strategische Partnerschaft zumindest den Vorzug, dass er nicht in Kürze einen zweiten Opel-Fall auf den Tisch bekommt. Es werden derzeit international Finanzinvestoren gesucht, aber selbst die "Heuschrecken" zucken u.a. aufgrund der Negativerfahrung im Verbund von Chrysler und Cerberus zurück. Die Scheichs (Aabar – Staatsfonds) sind bereits am österreichischen Mineralölkonzern OMV beteiligt und investieren bereits für die Zukunft ohne Öl.
24. März – Dienstag
Kroymans-Pleite. Die niederländische Autohandelsgruppe, positioniert unter den zehn größten europäischen Handelsgruppen, ist operativ zumindest für Deutschland pleite. Dazu gehören auch diverse Importeursaktivitäten. In Deutschland war man mit 15 Autohäusern in pointierten Städten wie München und Berlin unterwegs. Frits Kroymans, der die Immobilien meist in Privathand hält, wurde aufgefordert, bei 700 Millionen Euro Schulden, einen stärkeren finanziellen Eigenbeitrag zu leisten. Das vermied er.
Ich beschränke mich darauf, was ich in HB ohne Filter am 15. Februar 2008, also vor gut einem Jahr, an dieser Stelle schrieb: "Das atemberaubende Engagement der Kroymans Gruppe lässt sich nach außen strategisch mit wirtschaftlicher Vernunft nicht nachvollziehen. Unabhängig, dass der bisherige Macher Johannes Cürten – so ist zu hören – bald ausscheidet, kann man nur vermuten, dass der Firmeninhaber selbst von 'ganz hohen automobilen Mächten' von hinten liquiden Mittelzufluss erhält."
Wir hatten bei Kroymans nach der Kündigung des SsangYoung-Importeurvertrags angefragt, wie es denn für die betroffenen Händler nun weitergehe? Die Antwort aus dem ganz großen Handelshaus: "Leider gibt es keinerlei Informationen – auch nicht darüber, wann es Informationen geben wird." Welch eine Geringschätzung für angeschlossene Partner! Ich schrieb damals: "In der bayerischen Aschermittwochsansprache würde man die Verantwortlichen als Gauner vor´s hohe Haus zitieren." Herr Cürten rief damals an und wies meine Darstellung als "unhaltbar und unwahr" zurück und bedauerte die unglückliche Importeursaussage, die allerdings nicht mehr in seinen Aufgabenbereich fiel.
Vermutlich wird die Geschäftsführerposition bei Kroymans für den Abfindungsmillionär Johannes Cürten die letzte leitende Stelle in der Branche gewesen sein. Komisch, dass manche auf jedem Platz nur verbrannte Erde hinterlassen. Natürlich staunt man, wie sich die Marken Opel, Ford, Fiat, Nissan, Volvo und Saab auch materiell auf den deutschen Kroymans-Verbund eingelassen haben. Diesem Deal fiel manch anderer Händler zum Opfer! Wer wird dafür zur Rechenschaft gezogen? Wir halten außerdem fest, es trifft nicht nur kleine Betriebe in Sachen Insolvenz, da sind große gleichermaßen betroffen. Da funktionieren nur die Mittelzuflüsse anders.
25. März – Mittwoch
Konjunkturklammer Verschrottungsprämie. Man will aufgrund der widersprüchlichen Meldungen der vergangenen Tage noch gar nicht glauben, dass in Berlin die Würfel für eine vernünftige Prämienlösung gefallen sein sollen. Verlängerung bis zum Jahresende! Ansonsten würde der 30. März in den Autohäusern wie in Eschborn zum Chaostag. Wir haben heute über AUTOHAUS Online in einer Briefaktion an Wirtschatsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg zur politischen Frontinitiative aufgerufen. Es packt einen der Zorn, dass ausgerechnet der Wirtschaftsflügel der CDU sich gegen eine Fortsetzung der Abwrackprämie ausspricht. Und das als Partei des Mittelstandes? Welche politischen Bremsertypen sind da in welchem Auftrag am Werk? Dem Herrn Dr. Michael Fuchs, CDU-MdB aus Koblenz, habe ich als Contra-Wortführer klare Zeilen geschrieben. Da nimmt sich tröstlich aus, dass es die CSU war, die als erste Partei die Fortsetzung einforderte. Warum?
Es sind 16 Millionen Fahrzeuge, die älter als zehn Jahre alt sind. Wenn nunmehr 600.000 Fahrzeuge ausgetauscht würden, sind das bislang ganze 3,5 Prozent. Nochmals: ganze 3,5 Prozent! Weitere 3,5 Prozent sind nun allein mit den "Angsthasen" vor drohendem Prämienverlust zu machen. Die Prämienerweiterung würde der gesamten Automobilwirtschaft in Deutschland nur dienlich sein. Wir halten in Sachen Formular- und Verfahrensumstellung in Sachen Abwrackprämie zum 30. März fest, dass die Bürokratie es leider immer noch versäumt, statt mit Juristen primär mit Praktikern vor Ort zu sprechen.
Zu den Kritikern der Abwrackprämie gehört neben den "Grünen", die es hinnehmen, dass unter den Fahrzeugen älter als zehn Jahre alt fünf Millionen jenseits jeglicher Abgasregelung, also als untragbare Stinker, unterwegs sind, selbstredend "Deutschlands Auto-(B)a(b)st" Ferdinand Dudenhöffer: "Die Wirtschaftskrise hat erst begonnen. Wenn in sechs Monaten der Topf leer ist, fallen wir in ein noch tieferes Loch. Außerdem begünstigt die Prämie zu stark ausländische Hersteller." Erstaunlich, wie ein Beamter redet. Die Wahrheit ist, dass jedes zweite Auto aus dem Prämientopf von einem deutschen Hersteller stammt. Nach Dudenhöffers deutschnationaler Normvorgabe mit Minimalexportanteil müssten das 66,66 Prozent sein! Dudenhöffer ist gut dabei, zum Negativsymbol freier Meinungsäußerung zu werden.
26. März – Donnerstag
Das billigste Auto der Welt. Diese Woche wurde erneut das unterste Ende in der automobilen Angebotsskala vorgestellt. In Indien. Mit erheblicher Verspätung und eingeschränkter Produktionskapazität geht der indische Autobauer Tata Motors mit dem Nano an den Start. 1.440 Euro soll der Tata Nano kosten. Tata hat 2008 Land Rover und Jaguar übernommen. Ganz so glücklich soll das alles nicht laufen. Mit dem Nano will man in Indien die Massenmotorisierung nach vorne treiben. Nachdem man allerdings in Indien in den Zentren selbst mit dem Fahrrad vier Stunden im Stau steht, kommt der Nano möglicherweise schneller als angekündigt nach Europa. 2011 soll er dann für 5.000 Euro in Deutschland zu haben sein. Welcher deutsche Autobauer kann in diesem Segment unter wirtschaftlichen Aspekten mithalten?
27. März – Freitag
Lidl-Autos - keine wahren Schnäppchen. Stiftung Warentest hat die Lidl-Offerte geprüft und kommt zum Ergebnis, dass vergleichbare Nachlässe bei allen EU-Importwagen drin sind. Bemängelt wird am Lidl-Angebot außerdem die lange Lieferzeit von drei bis fünf Monaten. Außerdem müsse der Kunde das Fahrzeug innerhalb von acht Tagen in Heinsberg abholen. Vor einer Vorauszahlung wird gewarnt. Geht nämlich der besagte Importeur pleite, ist das Geld verschwunden. Erst bezahlen, wenn die Ware entgegen genommen wurde. Herstellergarantie ist erst dann gegeben, wenn eine Übergabeinspektion ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Dazu gehört auch ein komplett ausgefülltes Kundendienstscheckheft. Ansonsten hat das möglicherweise noch Nachteile bei Kulanzansprüchen. Man staune: Bemängelt wird auch die schlechte Erreichbarkeit des Vertragspartners, der eigentlich die Fahrzeuge verkaufen möchte. Für professionelles, glaubwürdiges und flexibles Verkaufsgebaren spricht das alles nicht.
Spruch der Woche:
"Die Erzeuger der Krise haben nichts mit der Krise zu tun." (Spezialgruß an die Banker)
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Woli
LEO
efficentix
Tomsclub
E. Thoma
Bodenständiger
MiMo
Karsten Wünsche
J.F.(K.)
Automobilist
GM in A.
Controller
Striker
autoluchs