Fachkräftemangel: Den Kuchen größer machen

KURZFASSUNG: Der Fachkräftemangel nimmt immer weiter zu. GG&C rekrutieren Kfz-Mechatroniker aus China, Indien und bald auch Brasilien, um dem Mangel hierzulande entgegenzuwirken. Derzeit noch ein langwieriger Prozess, der in naher Zukunft aber deutlich schneller abgewickelt werden könnte. Der Fachkräftemangel ist seit Jahren bekannt und gewinnt dennoch zusehends an Dynamik. Kaum zu besetzende Ausbildungsplätze auf der einen und die zunehmende Verrentung geburtenstarker Jahrgänge auf der anderen Seite hinterlassen klaffende Lücken auf dem Arbeitsmarkt, die nur schwer geschlossen werden können. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, braucht es laut Detlef Scheele von der Bundesagentur für Arbeit 400.000 Zuwanderer. Jährlich. Mit der kürzlich verabschiedeten Gesetzesnovelle versucht man hier auf Seiten der Politik einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Fachkräfte aus dem Ausland sollen so "schneller und unbürokratischer" in den heimischen Arbeitsmarkt integriert werden können, heißt es dazu in einem Schreiben der Bundesregierung vom 7. Juli 2023. Den Kuchen größer machen Musik in den Ohren von Yanan Shangguan. Die Geschäftsführerin von GG&C vermittelt Fachkräfte aus Indien, China und bald auch Brasilien in den deutschen Arbeitsmarkt. In den Herkunftsländern der Facharbeiter ist die wirtschaftliche Situation oftmals angespannt. Gerade China kämpft derzeit mit einer drohenden Rezession, die Arbeitslosenquote, insbesondere bei jungen Leuten, ist hoch. Viele liebäugeln damit, sich im Ausland etwas aufzubauen. Hierzulande gewinnt der Mangel an ebendiesen Fachkräften zusehends an Dynamik und ist längst im deutschen Arbeitsalltag spürbar. Aufträge müssen aufgrund von Personalmangel ausgeschlagen und Öffnungszeiten verkürzt werden - und auch der Bewerbungsprozess hat sich gewandelt: Qualifizierte Fachkräfte können sich ihren Arbeitgeber aussuchen, während unter Letzteren ein Kampf um eine immer kleiner werdende Menge an Fachkräften entbrannt ist. "Vielleicht ist es besser, den Kuchen für alle etwas größer zu gestalten, damit am Schluss alle mehr bekommen", meint Shangguan. Rund 30 Fachkräfte konnte sie mit GG&C bereits vermitteln. Anfangs konzentrierte sich das Unternehmen primär auf die Vermittlung von Pflegekräften, inzwischen trägt man aber auch dem hohen Bedarf an Kfz-Mechatronikern Rechnung. Duales Ausbildungssystem als Flaschenhals Vermittelt werden vorrangig Absolventen aus Automotive-Studiengängen - Bachelor oder Master. Abhängig davon, wie lange diese in ihrer Heimat bereits praktische Erfahrung sammeln konnten, wird der Abschluss in Deutschland ganz oder teilweise anerkannt. Im Falle der Mechatroniker sei es zudem von Vorteil, erklärt Shangguan, dass die Fachkräfte in der Regel mit der Elektromobilität bereits bestens vertraut sind - schließlich gehört China zum Vorreiter dieser Technologie. Ein duales Ausbildungssystem wie in Deutschland gibt es weder in China noch in Indien. Abschlüsse und etwaige Berufserfahrung müssen also erst anerkannt und in die Form des dualen Ausbildungssystems gegossen werden. Bis alle Abschlüsse anerkannt sind, können schnell mehrere Monate ins Land ziehen. Shangguan berichtet zudem von großen regionalen Unterschieden bei Behörden und Bundesländern, was die Bearbeitung der Anträge und die dafür benötigte Zeit anbelangt. Brücken für internationale Talente Umgekehrt gibt es aber das ein oder andere Pfund, mit dem Deutschland wuchern kann: Ungleich bessere soziale Absicherung, ein deutlich höheres Gehalt sowie die Aussicht auf Rente sind für viele der ausländischen Fachkräfte in ihrer Heimat längst nicht selbstverständlich - und entsprechend attraktiv. Bei GG&C bringt man also Angebot und Nachfrage in diesem Bereich zusammen. Je nach Anforderung arbeitet das Unternehmen hierfür mit Rekrutierungsfirmen aus China und Indien und zukünftig Brasilien zusammen. "Aus diesem Pool an Talenten liefern wir dem deutschen Arbeitgeber das gewünschte Arbeitnehmerprofil", erklärt Shangguan. Wird eine passende Fachkraft ausfindig gemacht, können sich die beiden Parteien in einem Online-Interview erstmals beschnuppern. Anschließend besteht die Möglichkeit, direkt den Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Danach nimmt die Bürokratie ihren Lauf. Gesetzesnovelle soll schnelleren Prozess ermöglichen So gibt es für die Anerkennung der Abschlüsse verschiedene Anlaufstellen. Dazu sei auch die Notarisierung sowie die Übersetzung von Dokumenten nötig. Ferner muss der Antrag ein Visum sowie die Zustimmung der Agentur für Arbeit beinhalten. "Am besten gelingt eine reibungslose Vermittlung, wenn der Arbeitgeber bei Dokumenten proaktiv reagiert", erklärt Yanan Shangguan, die aber auch von spürbaren Fortschritten in diesem Bereich berichtet. "Die Einreichung von Dokumenten wird zunehmend vereinfacht und der Prozess einheitlicher", so die Geschäftsführerin. Für weitere Beschleunigung soll die kürzlich verabschiedete Gesetzesnovelle sorgen, mit der, so die Hoffnung Shangguans, "sicherlich viel einfacher" werde. Ein Beispiel hierfür ist die Anerkennungsphase, die zwei Monate und mehr betragen könne, die bisher allerdings ausschließlich im Ausland stattfinden musste. Mit der Gesetzesnovelle wird es hingegen möglich, dass die ausländische Fachkraft diese Phase durchläuft, während sie bereits im Betrieb arbeitet. Die Integration der Fachkraft Dreh- und Angelpunkt der Integration ist und bleibt jedoch die Sprache. Um Verständigungsproblemen vorzubeugen, haben sämtliche Bewerber bei GG&C B1-Niveau. "Wer besser spricht, wird oft Fachkräften mit langjähriger Berufserfahrung vorgezogen", erklärt Shangguan. Dennoch können sprachliche Hürden, ähnlich wie kulturelle, nie gänzlich umschifft werden - und müssen es auch nicht. Unterschiedliche Sprachen und unterschiedliche Kulturen machen zwar ein besonderes Maß an gegenseitiger Rücksichtnahme notwendig, "führen unterm Strich aber zu einem Wettbewerbsvorteil", weiß Shangguan. Von einer gelungenen Integration hängt es dabei auch ab, ob sich die Fachkraft im neuen Unternehmen wohlfühlt. Oftmals wird den Neulingen auch ein Mentor zur Seite gestellt, der als erste Anlaufstelle bei Fragen und Problemen fungiert. Dabei ist es auch GG&C Fachkräfte ein Anliegen, dass die neue Fachkraft schnell Anschluss findet. Vor allem in der Anfangszeit halte man daher Kontakt zu den Fachkräften und fungiert damit als "Brücke zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber", erklärt Shangguan. Der Preis für diesen Service? Zwei bis drei Monatsgehälter der Fachkraft kostet es, bis diese letztlich ihren Platz beim neuen Arbeitgeber eingenommen hat. Entscheidet sie sich in der Anfangszeit gegen einen Verbleib, wird ein Teil der bezahlten Gebühr zurückerstattet. Die Quote derer, die wieder nach China oder Indien zurückkehren, sei allerdings vergleichsweise gering, erklärt Shangguan. "Einer Arbeit in Deutschland nachzugehen, ist für viele ein Lebensziel", so die Geschäftsführerin.

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