Kfz-Innung Freiburg: 200.000 Euro an die Mitglieder ausgeschüttet

AH: Herr Bender, bei Ihrem Eintritt als Geschäftsführer im Jahr 2006 war die Kfz-Innung Freiburg finanziell sehr angeschlagen, lag geradezu am Boden. Welchen Sanierungsweg haben Sie beschritten?E. Bender: Meine Ausbildung, meine Erfahrung, mein berufliches Wirken als Unternehmensberater im KMU-Bereich waren von enormem Vorteil. Als Erstes stand eine Analyse der gesamten Institution (im konkreten Fall die Innung und der Verein zur Förderung des Kfz-Gewerbes) auf dem Programm. Die Messlatte wurde analog zu einem Wirtschaftsunternehmen angelegt. Dabei kamen Prozesse, Strukturen und Verhaltensweisen zutage, die zu sehr hohen Kosten und zu einem erheblichen Liquiditätsabfluss führten. Das Ergebnis der Analyse war die Basis für die neue Strukturierung der Innung und des Wirtschaftsunternehmens.AH: Würden Sie ein paar Beispiele nennen?E. Bender: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Strukturen und Prozesse in der Verwaltung wie in öffentlichen Institutionen so angelegt sein sollen, dass sie einem freien Wettbewerb standhalten können. Das heißt, dass man Kostensteigerungen nicht durch Beitragserhöhungen oder Erhöhung der Umlagen begegnet, sondern durch Prozessverbesserungen. Da ergaben sich durch das Abschaffen der Denkweise "Das haben wir immer schon so gemacht ..." enorme Einsparmöglichkeiten. Kleine Fehler ergeben in Summe und mit der Zeit auf Dauer doch markante Ausschläge. So haben wir jeden Stein umgedreht, optimiert und die Fortschritte führten dazu, dass wir im Ergebnis u. a. die festangestellte Mitarbeiterschaft halbieren konnten. Die Innungsarbeit und die der Wirtschaftsgesellschaft werden heute für die 287 Mitglieder und die Kunden von drei festangestellten Mitarbeitern bewältigt.Bis heute 500.000 Euro ausgeschüttetAH: Das alles führte zu dem Ergebnis, dass Sie 2014 bereits 100.000 Euro, 2016 weitere 100.000 Euro, 2019 abermals 100.000 Euro und jetzt für das Jahr 2021 nochmals 200.000 Euro ausschütten konnten. Das sind in Summe bis heute 500.000 Euro. Da scheint der Wohlstand ausgebrochen zu sein. Wie kam es zu den ersten 100.000 Euro an Ausschüttung?E. Bender: Das Thema ist sicher komplexer, als es auf den ersten Blick vermuten lässt. Zum einen hat ja jede Innung das gleiche Problem. Sie betreut Mitgliedsbetriebe, die einen einzigen Mitarbeiter beschäftigen, bis hin zu Kfz-Betrieben, die 400 und mehr Mitarbeiter beschäftigen. Das bedeutet doch, wenn ich erfolgreich sein möchte, dann muss ich den Mitgliedern, auch den Nichtmitgliedern aus der Sicht der Wirtschaftsgesellschaft ein entsprechendes Angebot an Dienstleistungen offerieren. Dazu muss ich meine Mitglieder wie meine Kundenstruktur analysieren und die passenden Dienstleistungsprodukte entwickeln. Das haben wir gemacht und sind damit sehr erfolgreich. Außerdem sind wir nach der Formel vorgegangen: "Nice to have or need to have". Somit kann ich guten Gewissens sagen, dass nicht der Wohlstand ausgebrochen ist, sondern unsere Situation das Ergebnis einer konsequenten Umsetzung der vorhergehenden analytischen Arbeit ist.Die AusschüttungsideeAH: Und wie kam es zur Idee der Ausschüttung? Das ist bei 235 Kfz-Innungen in Deutschland ja einmalig?E. Bender: Auf Grund unseres erfolgreichen Wirkens hatten wir mit unserer Rechtsaufsicht, der HWK, Kontakt aufgenommen, denn die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ja nicht dafür da, hohe Liquiditätsbeträge anzuhäufen, sondern es galt, das Vermögen abzuschmelzen, wie es in Freiburg oftmals genannt wurde. Anstatt Feste zu feiern, investierten wir in eine zukunftsweisende EDV und entlasteten unsere Mitglieder mit einer Gutschrift in Höhe von 100.000 Euro. Alles wurde mit der Rechtsaufsicht besprochen und konsequent und rechtssicher umgesetzt.AH: Wie erfolgt die Ausschüttung?E. Bender: Die Ausschüttung erfolgt in Form von Gutschriften. Das ist buchhalterisch einfach zu regeln. Die Mitglieder erhalten eine Gutschrift, die sie mit Leistungen, die sie von der Innung oder auch aus der Wirtschaftsgesellschaft bezogen haben, verrechnen können. Das läuft in der Abwicklung mit überschaubarem Aufwand.AH: Und wie werden nun die 200.000 Euro unter den Mitgliedern aufgeteilt?E. Bender: Dazu gibt es einige Kriterien. Entscheidend ist, dass alle Mitglieder gleichbehandelt werden. Ein Kriterium ist, dass der Betrieb das ganze Jahr 2021 über Mitglied der Innung Freiburg gewesen sein muss. Sein Anteil an der Gesamtausschüttung errechnet sich prozentual aus der Summe der abgerufenen Dienstleistungen der Wirtschaftsgesellschaft. Dieser Anteil ist die Basis der Berechnung des Anteils vom Ausschüttungsbetrag.Die Zukunft einer InnungAH: Wie sieht für Sie die grundsätzliche Entwicklung einer Kfz-Innung für die Zukunft aus? Kann diese noch selbständig existieren oder bedarf sie einer weiteren Säule wie beispielsweise einer aktiven Wirtschaftsgesellschaft?E. Bender: Meine Meinung, vielleicht etwas provokant ausgedrückt, ist die, dass die Kfz-Innungen sicher auch in Zukunft ihre Daseinsberechtigung haben werden, aber in der Form, wie sie überwiegend aufgestellt sind, keine Überlebenschancen haben. Warum nicht? Die Anforderungen an die Innungen werden immer vielfältiger. Man denke aktuell an das QM-System, in dessen Struktur die Innung als wichtiger Teil der Inspektionsstelle auftritt. Mit allen Konsequenzen, auch über die reinen Mitgliedsbetriebe hinaus. Man denke an die vielen Betriebsaufgaben aus verschiedenen Gründen, und dem damit verbundenen Mitgliederschwund. Die Folge sind immer weniger Beitragseinnahmen bei laufend steigenden Anforderungen (Kosten). Über die Beiträge ist das alles meines Erachtens zukünftig nicht mehr zu finanzieren. Wollten wir beispielsweise die 200.000 Euro, die wir aktuell ausschütten, über die Beiträge finanzieren, müssten wir diese um ein Vielfaches erhöhen.Leistungen der WirtschaftsgesellschaftAH: Worin bestehen die Leistungen Ihrer Wirtschaftsgesellschaft, dass derartige Beträge ausgeschüttet werden können?E. Bender: Neben dem normalen Umsatz aus Siegelverkauf und Schulungserlösen bieten wir diverse Dienstleistungen je nach Unternehmensgröße, die wir bei der Analyse unseres Kunden- und Mitgliederstammes definiert haben: Personalberatung, Unternehmensberatung, Steuerberatung und Rechtsberatung sowie verschiedene Dienstleistungen im Bereich Arbeitssicherheit. Auch bieten wir verschiedene Kalibrierungen an, überhaupt sind wir stark in das Thema Qualitätssicherung eingestiegen. Bezüglich dieses Themas kooperieren wir sehr erfolgreich zur Zufriedenheit beider Innungen, mit unserer Nachbarinnung Lörrach. Arbeitsfelder, die wir mit unserem Personal selbst nicht voll umfänglich bedienen können, bearbeiten wir mit professionellen Kooperationspartnern.AH: Jetzt erweitern Sie Ihre Offerte um Personal-Recruiting?E. Bender: Auch hier schauen wir der Realität ins Auge. Wir, und da kann ich nur für die Innung Freiburg sprechen, haben noch kein Ausbildungsproblem. Seit ich Geschäftsführer bin, sprechen wir jährlich zwischen 120 und 150 Gesellen frei. Das bedeutet doch, dass der Beruf bei den Azubis interessant ist und ankommt. Was passiert aber dann? Dann verlassen teuer ausgebildete Fachkräfte die Werkstätten und Autohäuser. Warum? Weil Arbeitszeiten und Verdienst sich kaum vergleichen lassen mit einem Industrieunternehmen in unserer Region. Ergo war die Frage, wie können wir die Branche bei der Besetzung von Facharbeiterstellen unterstützen? Daraus entstand unser Recruiting-Projekt. Wir arbeiten mit einem Kooperationspartner zusammen, um indische Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Dazu haben wir mittlerweile das Pilot-Projekt gestartet.AH: Weshalb findet das Freiburger Ausschüttungsmodell so wenig Nachahmer?E. Bender: Mir ist nicht ein Nachahmer bekannt. Wir stehen für Anfragen gerne mit Auskünften zur Verfügung.

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