Onlineauktionen: "Back to the Roots"

AH: Herr Stoffel, welche Bedeutung hat in Ihren Augen aktuell der Handel mit Gebrauchtwagen? J. Stoffel: Eine sehr große. Viele Händler kommen ursprünglich vom Gebrauchtwagenhandel. Wer den in den letzten Jahren vernachlässigt hat, für den sollte es ab sofort heißen: "Back to the Roots". Wer in den letzten Jahren in seinen Gebrauchtwagenhandel investiert hat, profitiert heute davon. Denn er kann uneingeschränkt gebrauchte Fahrzeuge ankaufen und unabhängig von den OEM die Inzahlungnahmen an die Kunden weitergeben. Wer sein Gebrauchtwagengeschäft allerdings schleifen hat lassen, für den könnte es im Agenturgeschäft später mal schwierig werden. AH: Also stellt das Agenturgeschäft eine Bedrohung für die Händler dar? J. Stoffel: Absolut nicht! Das Agenturmodell hat in meinen Augen wesentlich mehr Vor- als Nachteile. Den Händlern wird so auch einiges von den Schultern genommen, weil sie sich so besser auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können. Ich kenne keine Branche, in der so viele unterschiedliche Fachabteilungen auf wenigen hundert Quadratmetern verdichtet sind. AH: Allerdings fallen keine dieser Fach-bereiche durch das Agenturmodell weg. J. Stoffel: Stimmt! Auch im Agenturgeschäft muss der Händler die ganze Bandbreite vom Verkauf bis hin zum Aftersales abdecken. Aber als Agent eines OEM kann man den Handel mit gebrauchten Fahrzeugen als Wachstumsmotor für sein Unternehmen nutzen. Laut unserer Erfahrung sieht die Mehrheit der Händler das Agenturmodell positiv. Allerdings haben die OEMs im Vorfeld da auch nicht die bester PR gemacht (lacht). AH: Laut einer Google-Studie vertrauen die meisten Käufer trotz wachsendem Onlineangebot vor allem ihren lokalen Händlern. J. Stoffel: Ich sehe die Gefahr auch weniger im Agenturmodell als in den Onlineplattformen. Denn die sind durch Google und Social Media bereits nah am Endkunden dran. Der Händler kann dagegen seine regionalen Kompetenzen voll ausspielen und dadurch die eigene Marke stärken. Das ist ihr großer Vorteil gegenüber dem reinen Onlinegeschäft. Die Plattformen müssen sich das erst sehr teuer erkaufen. AH: Wie wichtig schätzen Sie den Aftersales ein? Es heißt ja so schön: "Der Service verkauft das zweite Auto." J. Stoffel: Mit der E-Mobilität wird meiner Meinung nach auch der Bereich Aftersales schrumpfen, denn es fallen viele Wartungsarbeiten weg und Schmierstoffe werden nicht mehr benötigt. Es lässt sich auch noch nicht sagen, was die Hersteller in diesem Bereich vorhaben. Das könnten eigene Standorte mit Servicebereich sein oder Kooperationen mit Branchenriesen wie ATU. Der Händler, der selber Gebrauchtwagen zukauft und dann entweder B2C oder B2B verkauft und dazu noch Serviceleistungen anbietet, der ist in jedem Fall auf der sicheren Seite. AH: Wird der starke Absatz bei den Gebrauchtwagen anhalten? J. Stoffel: Aktuell erlebt der Gebrauchtwagenmarkt ein Hoch. Ich glaube aber nicht, dass das lange anhalten wird, denn es kommt wieder mehr Ware auf den Markt. Das sind in erster Linie die 2021 bestellten und jetzt ausgelieferten Fahrzeuge. Dazu kommt, dass durch die Inflation die Kunden deutlich verhaltener reagieren und größere Ausgaben erst mal aufschieben. Diese Entwicklungen wird der Gebrauchtwagenmarkt spätestens 2023 zu spüren bekommen. AH: 2trde bietet den Händler die Möglichkeit, ihre Gebrauchtwagen in mehreren Börsen gleichzeitig zu platzieren. Wie läuft die Implementierung ab? J. Stoffel: Wir setzen uns natürlich als Erstes mit dem Händler zusammen und tragen die wichtigsten Daten und Fakten zusammen. Danach starten wir mit einem ca. acht- bis zehnwöchigen Pilotprojekt. Erst danach lässt sich zweifelsfrei auswerten, ob unser Tool dem Händler einen tatsächlichen Mehrwert bringt, und komplett ausgerollt werden kann. Kürzer sollte so ein Pilot nicht dauern. Man kann kein neues Tool innerhalb einer Woche vollständig austesten, wenn vorher ein ganz anderer Prozess 20 oder mehr Jahre in einem Autohandelsbetrieb angewendet worden ist. AH: Wie kommen Sie an die notwendigen Daten und wie wertet 2trde sie aus? J. Stoffel: Die Autohäuser besitzen bereits alle notwendigen Tools für den Import von Fahrzeugdaten. Unsere Aufgabe ist es, sozusagen Äpfel mit Äpfel vergleichbar zu machen. Das bedeutet, dass wir alle Auktionsplattformen mit dem gleichen Datensatz beliefern können. Ein Beispiel: Es kann sein, dass die KBA-Nummer angibt, dass ein Fahrzeug die Abgasnorm Euro 6dtemp besitzt. Laut DAT hat es aber nur Euro 5. Hier unterstützen wir den Händler, indem wir die Datensätze abgleichen und die korrekten Angaben ermitteln. Außerdem wissen wir, in welchen Märkten und zu welchen Preisen die Fahrzeuge vermarktet werden. Dadurch können wir genaue Preisindikationen angeben. Dazu muss der Händler nur mit unserer App die FIN scannen. Dadurch kann er direkt am Point of Sale einen ziemlich genauen Schätzpreis für die Inzahlungnahme ermitteln und dem Kunden ein Angebot machen, wenn dieser noch vor Ort im Autohaus ist. AH: Worin liegen die Vorteile einer digitalen Auktion? J. Stoffel: Digitale Auktionen bieten vor allem mehr Transparenz. Das Thema Compliance spielt gerade in den größeren Autohäusern eine wichtige Rolle. Absprachen mit lokalen Aufkäufern sind heute immer noch gang und gäbe. Die Geschäftsführer müssen und können mit digitalen Tools ihre Mitarbeiter vor so etwas schützen. Ein weiteres Plus ist, dass alle Auktionen einheitlich und plattformübergreifend orchestriert werden können. Dadurch erfolgt der gesamte Hereinnahmeprozess ohne Medienbruch. Das Fahrzeug wird angenommen, dann zum Beispiel mit unserer App oder dem Gutachterservice bewertet, und geht danach direkt in den Verkauf oder wird in den Börsen zur Auktion platziert. AH: Eine Chance für Händler, veraltete Prozesse in diesem Bereich zu optimieren? J. Stoffel: Wir sprechen viel mit unseren Kunden und geben natürlich gerne auch Empfehlungen ab, wenn wir sehen, dass es bei dem einen oder anderen Prozess noch Potenzial gibt. Das macht in meinen Augen eine gute Partnerschaft aus. Zudem sind wir in der Tech-Szene gut vernetzt und können auch den Kontakt zu anderen Anbietern herstellen. AH: Dafür benötigt man aber einiges an Know-how! J. Stoffel: Es gibt inzwischen viele gute Drittanbieter auf dem Markt, die den Händler mit ihren digitalen Lösungen einen Mehrwert bieten. Dafür benötigt es keinen inhäusigen Programmierer. Es lässt sich die gesamte Gebrauchtfahrzeug-Kette digitalisieren, so dass Fahrzeuge, die beispielsweise nach 60 Tagen noch auf dem Hof stehen, automatisch in den B2B-Auktionen verkauft werden. AH: Wie können die Auktionsbörsen durch 2trde profitieren? J. Stoffel: Wir sind eine neutrale und objektive Instanz. Jedes Auktionshaus erhält dieselben Daten und den gleichen Preis in Echtzeit. Die Auktionsplattformen erhalten durch uns nicht nur Zugang zu viel mehr Einlieferern, sondern auch zu solchen, die sie vielleicht vorher gar nicht auf dem Schirm hatten. Zum Beispiel, weil der Händler möglicherweise zu klein gewesen wäre. Natürlich hat man als Auktionsanbieter den Kunden bei uns nicht mehr exklusiv für sich. Die Plattformen erhalten aber insgesamt wesentlich mehr Volumen, an das sie vorher nie gekommen wären. Ich denke, da kann es nicht schaden, sich seinen Wettbewerbern direkt zu stellen. AH: Vielen Dank für das Gespräch!

Renault Deutschland-Chef Siebrecht: Agenturvertrieb ist "reine Berateridee"

Mercedes G 580 EQ: Offroad-Legende wird zum Stromer

Geplantes Verbrenner-Aus: Wagenknecht will Abstimmung im Bundestag

Xiaomi: Erstes Auto kommt in China gut an

Hyundai: Im ersten Quartal weniger Autos verkauft

Alle Schlagzeilen

Onlineauktionen: "Back to the Roots"

WEITERLESEN

NEWSLETTER