TÜV Nord: Digitale Diagnose für Gebrauchte

Der Handel mit Gebrauchtwagen lebt von Tempo, Transparenz und belastbaren Fakten. Genau hier setzt die neue "OnBoard Car Diagnosis" (OBCD) von TÜV Nord an: Ein kompakter Adapter, eine App - und binnen Minuten liegt ein strukturiertes Prüfprotokoll vor. Im AUTOHAUS-Webinar erläuterte Matthias Gleichmann, Teamleiter Vertrieb national bei TÜV Nord Mobilität, die Funktionsweise, die Anwendungsfälle und den Nutzen für Autohäuser, Werkstätten und Gutachter. "Das Ganze ist wie ein Schweizer Taschenmesser für die Fahrzeugbewertung", sagt Gleichmann. Der Anspruch: objektive Befunde für Ankauf, Rücknahme und Vermarktung - inklusive dokumentierter Datenlöschung und Batteriebewertung bei Elektrofahrzeugen. Der Kern: Adapter und App Die Anwendung startet mit FIN-Scan und Kilometereingabe, anschließend verbindet sich die App mit der OBD-Schnittstelle. "Wir können Fehlerspeicher analysieren, die Fahrgestellnummer prüfen, Laufleistungen plausibilisieren, Batteriedaten auslesen und am Ende die digitale Bereinigung dokumentieren", fasst Gleichmann zusammen. Alle Ergebnisse landen als PDF im Nutzerkonto und in einem Dashboard mit Historie und Statistik. Manipulationsschutz im Fokus Besonders heikel sind Laufleistungen. Gleichmann berichtet von einem Feldtest: "Wir haben 5.000 Autos geprüft und acht Prozent Manipulationen gefunden - alles junge Leasingfahrzeuge." Die OBCD vergleicht Kilometer-Spuren in verschiedenen Steuergeräten und erkennt Abweichungen zwischen Tacho, Bremssystem oder Airbag-Modul. "Wer auf dem Dashboard schnell eine Zahl umstellt, fällt auf. Die anderen Systeme schreiben den Kilometerstand mit - das ist unser Vorteil." Auch Unstimmigkeiten bei der FIN werden sichtbar, etwa wenn Steuergeräte nicht zum Fahrzeug passen. Speicher als Gesprächsgrundlage Der Ausleseprozess dauert meist nur wenige Minuten. Das Protokoll listet aktive und historische Fehler mit Zeitstempel und betroffenen Systemen. Für die Praxis bedeutet das: Der Ankäufer kann parallel den Gesamtzustand prüfen und danach mit belastbaren Informationen in die Preisverhandlung gehen. "Wir dokumentieren zuerst alle Funde. Fehler lassen sich in der App auch löschen, aber die ursprüngliche Diagnose bleibt im Bericht - das schafft Nachvollziehbarkeit", so Gleichmann. Werkstätten sehen, was vor und nach einer Löschung bestehen bleibt. Batteriezustand als Preistreiber Bei E-Fahrzeugen ist der Akku der zentrale Wertfaktor. Die OBCD liest Kapazität (SOH), Ladezustand, Zelltemperaturen und Zellspannungen aus und weist Abweichungen aus. "Bis 80 Prozent gilt ein Akku nach Herstellervorgabe als in Ordnung", erklärt Gleichmann und nimmt Skeptikern die Sorge: "Die Batterien halten deutlich länger, als wir erwartet haben." Im Zertifikat erscheinen Kerndaten wie Datum, Kilometerstand, Gesamtspannung sowie maximale Zellspannungs- und Temperaturabweichungen - eine belastbare Basis für Preisfindung und Risikoabschätzung. Datenschutz ist serienmäßig dabei Bei Rückgabe oder Verkauf verbleiben oft personenbezogene Daten im Fahrzeug: Navigationsziele, Bluetooth-Kopplungen, Kontakte oder Zahlungsdaten. Die OBCD führt Schritt für Schritt durch markenspezifische Menüs und dokumentiert die Löschung. Gleichmann warnt: "Wenn Sie das nicht ordentlich machen, drohen im Einzelfall Strafen - bis zu 50.000 Euro." Der Report belegt gegenüber Kunden, Datenschutzbeauftragten und Partnern die rechtssichere Bereinigung. Die OBCD deckt den Trade-in-Prozess ab: Hereinnahme, Rückgabe, Vertragsabschluss. "Stellen Sie sich vor, es ist Samstag, die Werkstatt ist zu: Mit unserem Dongle lässt sich das Fahrzeug trotzdem sofort einschätzen", sagt Gleichmann. Prüforganisationen nutzen die Daten zudem bei Wiedereintragungen (Import/Export, Unfallfahrzeuge), Sachverständige binden sie in Schaden- und Wertgutachten ein. Preismodell und Beschaffung Abgerechnet wird pro Anwendung, bei Volumen sind Staffeln möglich. "Das ist kein Abo-Modell. Wir rechnen per Use ab", so Gleichmann. Für eine einmalige Fehlerspeicheranalyse nennt er "so um die 30 Euro" als Richtwert. "Sie bekommen den Adapter von uns, führen den Test selbst durch und erhalten das Zertifikat." Die App laufe unter Android und iOS. Jeder Vertriebler habe mindestens zehn bis zwanzig Dongles im Auto liegen, die unmittelbar übergeben werden könnten. Wirkung im Vertrieb Transparenz sichert nicht nur ab, sie verkauft auch. Ein neutraler Prüfbericht mindert Rückfragen, stützt Argumente und schafft Spielraum bei der Marge. Gleichmann: "Wenn Sie ein Fahrzeug mit Zertifikat verkaufen, sind die Kosten sehr schnell wieder drin." Im Streitfall liefert die Historie den Anker: Was wurde wann ausgelesen, welche Werte lagen vor, welche Fehler blieben bestehen? Standardisierung in Sicht TÜV Nord treibt verbindliche Vorgaben voran: "Wir sind in Gesprächen mit OEMs und Leasingbanken, das Prüfsystem verpflichtend zu verankern - Fehlerspeicheranalyse, FIN-Prüfung und Batteriestatus als fester Bestandteil der Zustandsbewertung." Zudem: "Wir sind Mitte September zertifiziert worden und damit offiziell für Fahrzeugrücknahmen anerkannt." Abgrenzung zum Volltester Die OBCD ersetzt keinen Werkstatttester. "Wir nutzen ähnliche Technologie, aber im abgesicherten Modus - wir können keine Funktionen freischalten", betont Gleichmann. Der Zweck ist die schnelle, rechtssichere Erstbewertung: auffällige Steuergeräte, unplausible Kilometer, dokumentierte Fehler, Batteriezustand und gelöschte Kundendaten. Für die tiefe Fehlersuche bleibt die Werkstatt. Fazit Die OBCD bringt Struktur in die Bewertung: schnelle Befunde, dokumentierte Datenlöschung und prüffähige Berichte. "Wir schaffen Transparenz im Fahrzeugankauf", sagt Gleichmann. Für den Handel bedeutet das: weniger Risiko, mehr Vertrauen - und bessere Argumente im entscheidenden Moment.