Jaguar- und Land Rover-Vertragspartner: Ein Jahr im Ausnahmezustand

Schon zu Jahresbeginn war klar, dass 2025 für die Jaguar-Land-Rover-Händler herausfordernd werden würde. Jaguar hatte sich mit einer vollständigen Modellpause aus dem Markt verabschiedet und auch bei Land Rover blieben Neuheiten aus. Der sprichwörtliche Super-GAU sollte schließlich im Sommer folgen, als ein Hackerangriff auf die globalen IT-Systeme des Herstellers große Teile des operativen Geschäfts zum Stillstand brachte. Wochen im Notbetrieb "Die sechs bis acht Wochen haben uns schwer getroffen", resümiert Andreas Everschneider, Vorsitzender des Jaguar-Land-Rover-Händlerverbands. Bestellungen liefen nicht, Werkstattprozesse blockierten, Auslieferungen verzögerten sich. Händler mussten kurzfristig auf improvisierte Übergangslösungen ausweichen, um überhaupt arbeitsfähig zu bleiben. Dank des zu diesem Zeitpunkt noch gut gefüllten Neuwagen-Lagerbestands konnte ein Teil des Neuwagengeschäfts zwar aufgefangen werden - auch weil viele Betriebe mit erheblichem Einfallsreichtum arbeiteten. "Manchmal mussten wir Fahrzeuge über Umwege identifizieren, weil interne Bestandsdaten nicht abrufbar waren", berichtet ein Händler. Teilweise suchten Betriebe sogar auf externen Portalen wie Mobile.de nach ihren eigenen Fahrzeugen, um sie zuzuordnen. "Wir mussten auf Notmechanismen umstellen", sagt Everschneider. Garantieanträge, Teilebestellungen und Werkstattaufträge konnten wochenlang nicht regulär verarbeitet werden. Schnelle Hilfe Parallel dazu arbeiteten die Mitarbeiter von Jaguar Land Rover Deutschland (JLR) auf Hochtouren, um die Partner schnellstmöglich wieder arbeitsfähig zu machen - sowohl technisch als auch finanziell. Der Verband wurde eng in die laufenden Informationen eingebunden und unterstützte teilweise die Kommunikation, um dem Handel, die größte Unsicherheit zu nehmen. Rückblickend sprechen die Verbandsvertreter dennoch von einer Phase, die im operativen Alltag bis heute nachwirkt, insbesondere bei kleineren Häusern, welche die Ausfälle weniger gut abfedern konnten als große Gruppen. "Wir wären bei zwei Prozent rausgekommen - durch die Attacke ist dieses Ziel allerdings fraglich geworden", ordnet Matthias Spieß, Geschäftsführer des Verbandes, die unmittelbaren Nachwirkungen ein. Wie groß die tatsächliche Belastung am Ende ausfallen wird, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beziffern - auch weil Auswertungen für das dritte Quartal aufgrund der Systemausfälle nur eingeschränkt möglich waren. Auch in den Karosserieabteilungen spürt der Handel die Spätfolgen des Hackerangriffs. Was ohnehin schon eines der heiklen Themen war, die Versorgung mit komplexen Struktur- und Karosserieteilen, wurde durch den Produktionsausfall noch empfindlicher. Plötzlich fehlte nicht nur der Nachschub, sondern auch jede Planungssicherheit. Besonders Teile wie Heckwände oder Tragstrukturen für den Defender bleiben ein Nadelöhr, ihre Lieferbarkeit ist bis heute unzuverlässig. "Es gibt Kunden, die warten wochenlang auf diese Teile", sagt Everschneider und meint damit keine Einzelfälle, sondern ein Muster, das den normalen Betriebsablauf weiterhin aus dem Takt bringt. House-of-Brands-CI Die wiederholte Verschiebung der neuen House-of-Brands-CI ist allerdings nicht auf die Cyber-Attacke zurückzuführen. Bereits zuvor hatten die intensiven Gespräche mit den Händlerbetrieben und ihren Verbänden - sowohl national als auch auf europäischer Ebene - dazu geführt, dass das Konzept noch einmal überarbeitet wurde. Dadurch rückte die Einführung im Zeitplan weiter nach hinten. Im Handel bleibt man trotzdem skeptisch: Die Umsetzung der neuen Vorgaben sollte ursprünglich Investitionen im mittleren sechsstelligen Bereich erfordern. Die Händler erwarten nun, dass die Verzögerung auch zu realistischeren Investitionssummen führt. Parallel führte JLR 2025 eine um 0,5 Prozent erhöhte Händlervergütung ein, die vom Importeur zweckgebunden für spätere CI-Maßnahmen angespart wird. Während die CI-Debatte damit etwas an Schärfe verloren hat, zeigte sich an anderer Stelle eine deutlich größere Belastung für das Netz: die vollständige Modellpause bei Jaguar. Jaguar-Modellpause belastet Handel Erst Ende des kommenden Jahres plant Jaguar wieder mit Neuwagen im Markt vertreten sein - zunächst mit einem Modell, das bundesweit an rund einem Dutzend Standorten angeboten wird. Wie deutlich der Einschnitt der aktuellen Modellpause ausfällt, zeigt ein Blick in die KBA-Statistik: Von Januar bis September 2025 wurden lediglich 193 Jaguar-Pkw neu zugelassen - ein Rückgang von 88,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. "Eine Kompensation im Neuwagengeschäft fand praktisch nicht statt", wie Everschneider einordnet. Gleichzeitig bleibt die Service-Infrastruktur gegenüber dem Kunden vollständig erhalten: Alle bisherigen Jaguar-Partner bleiben bis auf Weiteres dem Netz als Servicebetriebe erhalten. Werkstatt, Teileversorgung und Aftersales bleiben damit flächendeckend verfügbar - ein wichtiger Stabilitätsfaktor in der Übergangsphase, bis die neuen Modelle anlaufen. Die Folgen der Neuorientierung der Kunden zeigen sich inzwischen auch im Aftersales: Zehn bis 15 Prozent Rückgang im Werkstattgeschäft verzeichnet der Handel bereits. Zusätzlich sorgt die künftige Ausrichtung der Marke für Unsicherheit. Angesichts des Preises werde es einen deutlichen Umschwung in der Zielgruppe geben müssen. "Weit über 90 Prozent der bisherigen Jaguar-Kunden fallen für das neue Modell weg", meint Everschneider. Land Rover überzeugt Wenn Jaguar derzeit nur wenige Impulse setzen kann, richtet sich der Blick umso stärker auf Land Rover. Die Kernbaureihen Defender, Range Rover und Range Rover Sport überzeugen weiterhin mit hoher Nachfrage und stabilen Restwerten. Auch wenn die ursprünglich früher erwarteten Modellneuheiten ausgeblieben sind, zeigt ein Blick auf die Zahlen eine solide Entwicklung: Von Januar bis Oktober 2025 wurden 10.995 Land Rover neu zugelassen, ein Plus von 8,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Für zusätzlichen Schwung dürfte ab 2026 der Anlauf der neuen elektrischen Land-Rover-Generation sorgen, von dem sich der Handel weitere Entlastung und frische Impulse im Produktportfolio verspricht. Positionierung im Premiumumfeld Während also auf der Produktseite ab 2026 eine spürbare Belebung erwartet wird, rücken auf der kaufmännischen Ebene andere Fragen in den Vordergrund. Der Handel blickt nicht nur auf neue Modelle, sondern auch auf die Bedingungen, unter denen sie künftig vermarktet werden sollen. In den Gesprächen mit den Verbandsvertretern wird deutlich, dass es neben der Modellpolitik auch um grundsätzliche Weichenstellungen im Vertrieb geht. Everschneider betont, dass die aktuellen Konditionen gut seien. Die eigentliche Diskussion drehe sich um die strategische Ausrichtung, denn der anhaltende Mengendruck passe nicht zu einer Positionierung im Luxussegment. Gleichzeitig orientierten sich viele Kunden weiterhin an vergleichbaren Angeboten anderer Premiummarken. "Man muss sich entscheiden, wofür man stehen will", sagt er.

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