-- Anzeige --

Kfz-Gewerbe Schleswig-Holstein: "Wenig Verständnis für komplette Schließung der Zulassungsstelle"

27.03.2020 11:30 Uhr
Kfz-Gewerbe Schleswig-Holstein: "Wenig Verständnis für komplette Schließung der Zulassungsstelle"
Jan-Nikolas Sontag, Geschäftsführer des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein.
© Foto: Verband des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein

Geschlossene Zulassungsstellen sind ein akutes Problem für die Branche. In der vergangenen Woche hatte das Kfz-Gewerbe Schleswig-Holstein berichtet, mit gesonderten Verfahren dauerhafte Schließungen verhindert zu haben. Über den aktuellen Stand spricht Geschäftsführer Jan-Nikolas Sontag.

-- Anzeige --

Von Online Redakteur Andreas Heise

In puncto Zulassungsstellen herrscht in der Corona-Krise deutschlandweit Chaos – manche haben geschlossen, manche nicht. Einige halten den Betrieb unter gewissen Einschränkungen aufrecht. Der Dachverband ZDK plädiert deshalb dafür, eine gebündelte Zulassung von Fahrzeugen flächendeckend zu ermöglichen. "Hohe Bestände mit Krediten vorfinanzierter Neuwagen füllen die Verkaufsräume und Lager des Vertragshandels", heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Brief des Verbandspräsidenten Jürgen Karpinski an Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU).

In der vergangenen Woche hatte AUTOHAUS bereits berichtet, dass der Kfz-Landesverband Schleswig-Holstein in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium Schleswig-Holstein, den Kreishandwerkerschaften und den Geschäftsleitungen einiger Autohäuser gesonderte Verfahren für die Zulassungen durch Kfz-Betriebe vereinbart hat. Seitdem hat sich die Lage sehr dynamisch entwickelt. Darüber spricht AUTOHAUS mit Jan-Nikolas Sontag, Geschäftsführer des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein.

AUTOHAUS: In der vergangenen Woche hatten wir berichtet, dass das Kfz-Gewerbe Schleswig-Holstein zusammen mit Mitgliedsbetrieben die Schließung von Zulassungsstellen verhindern konnte. Wie ist der Stand der Dinge?

Jan-Nikolas Sontag: Gleich zu Beginn der Corona-Krise gab es Zulassungsstellen, die strikt für den Privat- und Gewerbekunden geschlossen wurden. Wir haben frühzeitig reagiert, sind mit den Zulassungsstellen in Kontakt getreten und haben zusammen mit mehreren Mitgliedsunternehmen erreichen können, dass einige Zulassungsstellen, die bereit geschlossen hatten, sich bereit erklärt haben, wieder zu öffnen. Diese Situation hat sich im Laufe der vergangenen Woche aber schnell verändert und sich sehr uneinheitlich gestaltet. Sodass wieder Zulassungsstellen ihre Arbeit eingestellt haben. Die meisten haben nach aktuellem Stand zumindest im eingeschränkten Betrieb geöffnet. Eingeschränkter Betrieb bedeutet in diesem Fall nicht, dass man nur Ausnahmefälle bearbeitet, sondern auch gewerbliche Anträge mit gewisser Voranmeldung und beschränkter Anzahl. Wir informieren regelmäßig online über den aktuellen Stand.

In der vergangenen Woche war von gesonderten Verfahren die Rede, die Sie mit den Zulassungsstellen getroffen haben? Was steckt genau dahinter?

J.-N. Sontag: Da gibt es kein einheitliches Verfahren, das sind individuelle Absprachen. Es gibt Zulassungsstellen, wo die Unterlagen an einem bestimmten Ort abgelegt werden, damit sie ein Mitarbeiter einsammeln kann. Oder es werden Pakete abgegeben. Bei einer der Zulassungsstellen verfahren wir aktuell so, dass die örtliche Innung die Zulassungen nach Wichtigkeit vorsortiert. Die Zulassungsstelle erhält dann eine Liste nach Priorisierung, die nach und nach abgearbeitet wird. Ob das die Aufgabe der örtlichen Innung ist, sei dahingestellt. Aber ansonsten würde womöglich gar nichts passieren.

Dass es keine einheitliche Linie gibt, ist ärgerlich, oder?

J.-N. Sontag: Sicher, ein einheitliches Verfahren würde unseren Betrieben das Arbeiten erleichtern, aber die Ausgangssituationen sind sehr unterschiedlich. Einige Zulassungsstellen sind personell sehr ausgedünnt, weil sie zum Teil eine hohe Quote an betreuenden Eltern beschäftigt haben. Manche Zulassungsstellen wiederum gehen auf Nummer sicher, sie haben die Hälfte der Belegschaft als Notreserve nach Hause geschickt. Was natürlich die Arbeitsfähigkeit drastisch reduziert. Wir haben ein Grundverständnis für die schwierige Lage in den Zulassungsstellen. Wenig Verständnis haben wir aber für eine komplette Schließung oder ein komplettes Abblocken. Gleichzeitig sind wir aber zufrieden, da wir, Stand jetzt, erreicht haben, dass überall in Schleswig-Holstein nach Absprache und im begrenzten Umfang zugelassen wird beziehungsweise in den nächsten Tagen wieder zugelassen werden soll - teilweise beziehen sich die Zusagen auf die Zukunft. Die Autohäuser und Kfz-Betriebe werden gebeten, ihre Anliegen zu priorisieren. Also jetzt nicht alle möglichen Tageszulassungen zu beantragen. Sondern die Fahrzeuge zuzulassen, die wirklich verkauft sind. Teilweise wird versucht, nach Wichtigkeit, beispielsweise nach Datum des Kaufvertrages, zu sortieren.

Wir haben Leserkommentare erhalten, dass es in Deutschland Zulassungsstellen gibt, die argumentieren, dass aufgrund geschlossener Verkaufsräume im Autohandel auch entsprechend keine Zulassung für die Händler möglich sei. Wie bewerten Sie das? Kennen auch Sie solche Fälle? 

J.-N. Sontag: Das haben wir auch schon zu hören bekommen, aber nicht von der Zulassungsstelle selbst, sondern von übergeordneten kommunalpolitischen Stellen. Von wegen: Ihr habt doch geschlossen, was wollt Ihr noch zulassen? Dem kann ich nur widersprechen. Wir in Schleswig-Holstein haben die Vorgabe, dass die Verkaufsstellen geschlossen sein müssen. Aber wir haben kein Verkaufsverbot. So wird weiter verkauft, wenn auch in kleinerem Umfang. Zum anderen gibt es noch Bestellungen aus dem letzten Jahr, die jetzt ausgeliefert werden. Wir hatten eine Zulassungsstelle hier im Land, die bis gestern noch aus meiner Sicht willkürlich nach einer Branchen-Prüfung Zulassungen erlaubt hat. Da durfte ein Apotheker oder ein Pflegedienst Fahrzeuge zulassen, ein Handwerker nicht. Da fragt man sich schon, wie die Zulassungsstelle dazu kommt. Aber auch hier sind wir im Gespräch. Es geht am Ende auch nicht um einen Normal-, sondern um einen Krisenbetrieb.

Wird der Krisenbetrieb anhalten oder gehen Sie davon aus, dass Zulassungsstellen nochmal schließen werden?

J.-N. Sontag: Von erneuten Schließungen gehen wir nicht aus. Aus einem einfachen Grund: Die Zulassungsstellen haben mittlerweile gemerkt, dass sich bei einer längeren Schließung viel anstauen würde. Das würde irgendwann über sie hereinbrechen. Die, die jetzt schon ein paar Tage zu hatten, die hatten genau diese Befürchtung: Wie gehen wir mit den ganzen liegengebliebenen Anträgen um? Deshalb macht es Sinn, ein Stück weit diese Berge bereits jetzt abzuarbeiten. Und, das sagen hier alle Stellen im Norden, soll ja die Wirtschaft nicht komplett gelähmt werden. In einer gewissen Art und Weise muss es weiterlaufen.

Wie geht es dem Kfz-Gewerbe generell in Zeiten von Corona?

J.-N. Sontag: Die Probleme werden sehr unterschiedlich wahrgenommen. Es gibt Betriebe, die sich in einer Situation sehen, die stark gefährdend bis existenziell ist. Es gibt auch andere, die sagen, sie können das schon noch ein wenig aushalten. Manche haben Verständnis für die Maßnahmen wie Ausgangseinschränkungen, andere halten die Notverordnung für rechtswidrig und behalten sich rechtliche Schritte vor. Erfreulich ist, dass bislang der Servicebetrieb gut weitergelaufen ist. Wobei es Befürchtungen gibt, dass nächste Woche dieses Geschäft stark zurückgehen könnte. Weil es sich jetzt noch um viele bereits vor der Krise vereinbarte Termine gehandelt hat und nun keine mehr nachkommen. Insgesamt ist es eine sehr angespannte Situation, die sehr unterschiedlich wahrgenommen wird.

-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --

KOMMENTARE


Vocks

27.03.2020 - 13:09 Uhr

Mir vollkommen unverständlich, dass auch nur eines der Verkehrsämter schließt. Solange es Zulassungsdienste gibt, die die Unterlagen gesammelt bei den Händlern abholen und zurückbringen, kann es eingerichtet werden, dass die Übergabe und anschließende Abholung der Zulassungsunterlagen für viele Vorgänge bei den Ämtern nahezu "kontaktlos" erfolgen kann.


Casimir

27.03.2020 - 13:27 Uhr

Leider haben wir auf diesen Behörden zu viele Beamte sitzen, die ihr Geld am Monatsende bezahlt bekommen und leider sehr sorglos mit dem Übel der aktuellen gesllschaftlichen Situation umgehen. Das ist sehr schade!


Michael Feine

27.03.2020 - 13:49 Uhr

Zugelassen werden darf, aber das Fahrzeug kann/darf dem Kunden ja nicht überreicht werden. Wo sind da die 2-Meter-Abstand? Eine Fahrzeugeinweisung geht nicht ohne "Kontakt". Eine Videoeinweisung ist nur bedingt möglich und für "ältere" Kundschaft nicht realisierbar.


Baltasar

27.03.2020 - 14:24 Uhr

Es ist mir völlig unverständlich, was da gelebt wird. Früher nannte man das mal „Staatsdiener“ - heute die ersten, die den Betrieb einstellen, obwohl es völlig kontaktlos ginge! Die Angestellten im öffentlichen Dienst müssen sich ja keine Gedanken um sichere Jobs machen, die haben welche. Aber sie gefährden unsere Jobs mit ihrem Verhalten; bitte arbeitet mit Hochdruck an der Digitalisierung des Verwaltungsaktes - dann brauchen wir keine Drückeberger mehr.


RHS

27.03.2020 - 18:10 Uhr

Ich möchte gerne einmal wissen, wo unsere Staatsdiener ohne Steuereinnahmen bleiben wollen? Die Schließungen und Einschränkungen bei den Zulassungsstellen sind ein absolutes UNDING. Hier geht es um Arbeitsplätze und Existenzen im Handel und den Werkstätten. Da helfen auch die lächerlichen Soforthilfen nicht. Sie decken doch lediglich die Lohnkosten von nicht einmal einer Woche.


Sebastian

27.03.2020 - 18:57 Uhr

Es ist völlig untragbar und auch absoluter Unsinn. Es sollte doch einheitlich möglich, sein Unterlagen sowie Kennzeichen ohne persönlichen Kontakt zu übergeben und weiterhin halbwegs normalen Betrieb aufrechterhalten. Jedes Amt handelt anders und ändert alle drei Tage die Vorgehensweise! Der ganze Gebrauchtwagenbestand und die nach und nach eintreffenden Neuwagen - keinen Beamten interessiert dies. Es sollte mal der Leiter einer Zulassungsstelle aufgrund eines technischen Defektes ein neues Auto brauchen ...


Daniel

27.03.2020 - 21:38 Uhr

Warum fragt sich niemand, wie man den Prozess digitalisieren kann und zwar bundesweit? Darüber habe ich noch nichts gelesen. Die Zulassung in z. B. Berlin ist seit Jahren befremdlich.


Karin oelve

28.03.2020 - 15:00 Uhr

Hallo, das Problem habe ich momentan, wohne im Landkreis ol und bekomme mein Auto, was ich brauche, angeblich vielleicht über den Postweg angemeldet. Bei meinem alten Auto läuft TÜV ab und ich muss zu viel reinstecken. Wenigstens einmal die Woche ein paar Stunden aufhaben, aber ganz dicht - das ist ne Frechheit. Mein neues Auto konnte ich in einem anderen Landkreis normal abmelden. Nur leider nicht anmelden. LG k.o


Andreas

28.03.2020 - 20:15 Uhr

Eine Riesen-Sauerei und vollkommen irrsinnig, alles auf Null zu fahren. Hier wird sehenden Auges und mit purer Absicht alles kaputt gemacht und vor den Baum gefahren. Man kann noch nicht einmal online sein Kfz zulassen ... das hat nichts mit Kontakt-Vermeidung zur Ansteckungsminimierung zu tun ... das ist bewusste Herbeiführung.


Thomas

29.03.2020 - 09:21 Uhr

Ich finde es in dieser schweren Situation unverantwortlich, wie mit den kleinen und mittelständischen Autohäusern und Inhabern umgegangen wird. Es besteht nur mit hohen Auflagen die Möglichkeit, die Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken. Auch wenn die Zulassungsstellen geöffnet haben, wer garantiert, das Kunden kommen und die laufenden Kosten gestemmt werden? Ich finde dieser Artikel ist eine Frechheit gegenüber den kleinen und mittelständischen Unternehmern. Wenn die Zulassungsstellen aus Sorge für ihre Mitarbeiter schließen, muss es ein entsprechende Unterstützung geben und nicht die Kritik daran. Wir reden hier immer noch um Menschen und die Sicherheit der Familien. Für alle.


Peter Pohlmann BMW

30.03.2020 - 08:48 Uhr

Also laut Verkehrsminister Scheuer sollte ja ab November 2019 eine Online KFZ Zulassung bundesweit möglich sein. In meinem Landkreis war es zwar nicht möglich, egal. Nun rächt es sich, dass man die Digitalisierung der Behörden verschlafen hat. Stundenlanges Warten und einen Tag Urlaub verplembern wegen einer Zulassung eines Fahrzeugs. Es soll Länder geben, da kann man ein Auto bei jedem Versicherungsbüro in 5 Minuten zulassen. Aber das wäre hier sicherlich zu einfach.


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Auto News für die Automobilbranche: AUTOHAUS ist eine unabhängige Abo-Fachzeitschrift für die Automobilbranche und ein tagesaktuelles B2B-Online-Portal. AUTOHAUS bietet Auto News, Wirtschaftsnachrichten, Kommentare, Bilder und Videos zu Automodellen, Automarken und Autoherstellern, Automobilhandel und Werkstätten sowie Branchendienstleistern für die gesamte Automobilbranche. Neben den Auto News gibt es auch Interviews, Hintergrundberichte, Marktdaten und Zulassungszahlen, Analysen, Management-Informationen sowie Beiträge aus den Themenbereichen Steuern, Finanzen und Recht. AUTOHAUS bietet Auto News für die Automobilbranche.