Ausgabe 05/2008: Quo vadis Amerika?

Der Automarkt in den USA / Ein Bericht von den Erschütterungen im amerikanischen AutomarktQuo vadis Amerika?Von Armin KellNerAmerika ist das Land der großen Dimensionen. Ein weites und mächtiges Land, ein Land, von dem viele träumen. Für unsere Kollegen im Automarkt und auch für die Autofahrer wird es aber immer mehr zum Albtraum. Der Kraftstoffpreis lag im März 2000 für Normalbenzin ("regular") bei ca. 69 US-Cent pro Gallone (3,785 Liter). Im Dezember 2007 schwankte er von 2,79 bis 2,89 US-$ pro Gallone für Normalbenzin. In den vergangenen sieben Jahren beträgt die Preissteigerung ca. 320 Prozent. Die bisher am häufigsten verkauften Fahrzeuge sind Light-Trucks, SUVs und vor allem Pick-ups. Sie haben Motoren ab 2,5-Liter- bis zu 6-Liter-Hubraum. Die Motoren sind meist Benzinmotoren. Die Verbrauchswerte von Fahrzeugen werden in den USA nicht in Gallonen pro Meile angegeben. Die Werbung sagt dem Kaufinteressenten, wie viele Meilen er mit einer Gallone fahren kann. Wenn also eine Verbrauchsangabe besagt "36 MPG HWY", dann kann dieses Fahrzeug auf dem Highway bei einer maximalen Geschwindigkeit von 70 mpH (70 Meilen pro Stunde, entspricht: 112,65 km/h) mit einer Gallone eine Strecke von 36 Meilen (x 1,6093 km, entspricht: 57,93 km) fahren. Bei uns heißt das schlicht "6,52 l/100 km". Mit solchen günstigen Verbrauchsangaben wird mittlerweile in Zeitung und TV geworben. Ein Honda Pilot VP 4 WD wird noch mit 20 MPG HWY angegeben. Das bedeutet 11,75 Liter/100 km. Aber bei Fahrzeugen mit höheren Spritverbräuchen findet man diese Information nicht mehr – weder in der Zeitungs- noch in der TV-Werbung. Nur an den Ausstellungsfahrzeugen in den Showrooms muss der Verbrauch angegeben werden.Nachlässe in der WerbungAus der Werbung der Automobil-Branche lassen sich wichtige Hinweise auf den Markt selbst herauslesen. Hersteller-Marken, die am meisten werben, haben die größten Absatzsorgen. Die meiste Werbung kommt derzeit von GMC und Ford. Das sind die Hersteller, die die meisten Modelle bei Light-Trucks, SUVs und Pick-ups anbieten. Audi, BMW, Mercedes und Porsche werben am wenigsten, etwas mehr die Japaner (Honda, Subaru, Toyota und Nissan) mit ihren Edelmarken Lexus, Infiniti usw. Etwas mehr als die Japaner werben die Südkoreaner Hyundai und Kia. So ist zu erkennen, wessen Geschäfte laufen und wer mehr zu kämpfen hat.Und gekämpft wird auch gerade in der Zeitungswerbung mit Nachlässen. Es gibt Hersteller-, Händler-, High School-, Militär-, Familien-, Loyalitäts- und Spezial-Rabatte wie z.B. einen Dezember-Rabatt. Aber eines ist klar: Je schwieriger der Verkauf eines Modells ist, umso höher sind die angebotenen Rabatte. Da wird von "Christopher's Dodge World", einem 5-Sterne-Dodge-Händler und zugleich Händler des Jahres, ein '08er RAM 1500 QUAD CAB 4X4 V8 als Neuwagen für 19.588 $ angeboten. Das Fahrzeug hat einen MSRP (Listenpreis) von 32.665 $. Das Angebot war in der Ausgabe vom 9. Dezember 2007 in der "Denver-Post" zu finden. Der angebotene Nachlass beträgt 40,03 %. In einer Fußnote steht noch ein Vermerk: "Alle Preise beinhalten Händler-Rabatt, $500 Farmer-Bureau- und 250-$-on-the-job-Bonus". Es gab aber auch schon Angebote, in denen der Nachlass auf NW-Modelle 52 Prozent war. Allerdings sind dies wirklich Ausnahmen. Aber die Nachlasshöhen liegen im Neuwagenverkauf durchaus bei bis zu 42 Prozent.Die vorher genannten Modell-Linien stehen auf den Händlerplätzen wie Granitblöcke – sie stehen block- und reihenweise, soweit das Auge reicht. Die Hersteller haben schon über Jahre hinweg ganz sicher einen Rückgang der Fahrzeugverkäufe bei diesen Modellen festgestellt – aber nicht reagiert. Alle Hersteller haben die Fahrzeuge gefälliger gemacht, Pkw-ähnlicher. Sie haben die Ausstattungen umfangreicher gemacht und sie haben alles getan, um den Verkauf dieser Modelle weiter zu fördern. Und es ist ihnen gelungen, die großen Modelle zu lange zu erhalten. Es wurde so lange an diesen "großen Dingern" festgehalten, weil die Händler damit über Jahrzehnte gute Erträge gemacht haben. Alle "kleinen" Modelle wurden verramscht und schon seit Jahren mit hohen Nachlässen verkauft. Mit "denen" musste man kein Geschäft machen. Das Geld kam von den "großen Dingern". Und deshalb haben auch die Händler kaum aufgemuckt, weil keine neuen kleineren und spritsparenden Modelle entwickelt wurden. Motorenentwicklung hin zu weniger Verbrauch: Fehlanzeige! Fahrzeuge, die kleiner und leichter sind: Fehlanzeige. Alternativ-Antriebe durch Diesel- oder Hybrid-Technik: Fehlanzeige!Das Fiasko hat sich schon seit einigen Jahren am Markthimmel abgezeichnet. Aber die Zukunft voraussehen scheint nicht die große Stärke der US-Automobil-Hersteller zu sein. Schwere Autos zu bauen hingegen schon. – Warum konnte sich dieses Phänomen so lange halten? Es sind nicht nur die Autobauer, die jahrelang diese Entwicklung verschlafen haben, sie wurden bestätigt durch das Kaufverhalten der amerikanischen Autokäufer.Amerikaner sind die geborenen Pioniere. Sie sind Nachkommen von Pionieren, also sind sie auch in der heutigen Generation noch weitestgehend Pioniere. Pioniere brauchen bei Kleidung und Werkzeugen immer große Dimensionen, denn ein Pionier muss jederzeit alles dabeihaben, was er braucht, um die Natur zu besiegen. Er muss stärker und besser sein als der andere. Das gilt auch für den Automobilkauf: alles mit dem Auto machen und jedes Hindernis überwinden können. Das waren und sind in USA die unterbewussten Haupt-Kaufmotive von früher und auch noch heute – aber mit einem immer geringer werdenden Anteil. Es sind die Kosten für "das Futter" für ihre "Horsepower", die ihn zum Umdenken zwingen.US-Geldbeutel in NotLaufende Ausgaben wie die Raten für das Haus oder die Krankenversicherung, das haben die Nachfahren der einstigen Pioniere "im Griff". Aber aktuelle Ausgaben wie Einkäufe im Supermarkt, Reparaturkosten am Auto und die Benzinkosten bringen das Budget eines Durchschnittamerikaners immer mehr in Bedrängnis. Natürlich sind die Löhne und Gehälter in den letzten Jahren angestiegen, allerdings nicht so wie die Benzinpreise. Ein weites Land bringt auch höhere Fahrleistung für einen US-Bürger. Bei Benzinpreisen um 0,69 $ /Gallone waren das vernachlässigbare Kostengrößen. Wenn man in der "guten alten Zeit" für einmal "Volltanken" ca. 20 $ bezahlte, dann war "die Suppe gegessen". Bei einem 30-Gallonen-Tank und einem Preis von ca. 3,69 $ /Gallone bedeutet das stattliche 110 $. Der Durchschnittsverbrauch aller US-Fahrzeuge liegt deutlich näher an der 20-Liter- als an der 15-Liter-Größe. Das steigert die Kostenbelastung für den Durchschnittsverdiener ins Unleistbare. Die Reaktionen sind erkennbar. Immer mehr US-Bürger steigen auf normale Limousinen um. Sie stellen fest, dass man damit gut vorwärtskommt, vor allem ohne Imageeinbuße. Die "Marlboro-Cowboys" bleiben nach wie vor die Käufer der Big Cars, aber sie werden weniger. Die finanzielle Mittel- bis Oberschicht aber leistet sich jetzt erst recht dieses Statussymbol, um zu zeigen, "was man hat".Schwemme von AngebotenFür Kaufwillige gibt es in der Zeitungswerbung derzeit viele Angebote: "Wir suchen gute kreditunwürdige Leute". Oder auch: "Kredit-Probleme? Scheidung, Insolvenz, Hausverlust, kein Problem! Genehmigung in 15 Minuten oder weniger!" – Kauflustigen Nachtschwärmern wird angeboten: "Gigantischer 96-Stunden-Verkauf, geöffnet 24 Stunden pro Tag". Oder "0 %-Finanzierung für 72 Monate oder 10.000 $ Nachlass auf alle verbliebenen neuen '07 Modelle". Ein 2007er Chevrolet Trailblazer wird "preowned" (Tageszulassung) für 16.595 $ angeboten. Der Neupreis ist bei 31.950 $. Nahezu 50 % Nachlass! – Oder man verheißt: "5.500 $ Geld zurück, wenn man diesen Coupon beim Fahrzeugkauf präsentiert. Geld für die Feiertage". Eine weitere Schlagzeile: "Bringen Sie uns irgendeinen Wettbewerber-Preis und wir sind besser oder wir geben Ihnen für 100 $ Benzin!" – All das wird gemacht, um schwer verkäufliche Modelle auf die Straße zu bringen. Je verbrauchsfreundlicher die Modelle sind, umso höher die Nachfrage und umso niedriger sind auch die Nachlässe.Vieles ist aus den USA zu uns gekommen. In diesem Fall aber werden wir in Deutschland hoffentlich verschont bleiben. Die deutschen und europäischen Hersteller haben die Zeichen der Zeit erkannt und ihre Hausaufgaben gemacht: die Entwicklung von zukunftsfähigen Automodellen. Allerdings werden zu viele davon gebaut – und das ist unsere größte Herausforderung.

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