Sachmängelhaftung: Rechte und Pflichten

Die rechtlich korrekte Behandlung von Kundenreklamationen ist ein wichtiges Thema, sowohl für den Neu- als auch für den Gebrauchtwagenverkauf. Immer mehr Fahrzeuge werden zwischenzeitlich über größere Distanzen verkauft, so dass Kunden sich oft nur telefonisch oder per E-Mail melden, um die Beseitigung von Mängeln zu fordern. Besteht für das verkaufte Fahrzeug überlagernd eine Garantie, bedarf es der strikten Unterscheidung.Völlig unabhängig davon, wie mit einer Mängelrüge am Ende tatsächlich und wirtschaftlich sinnvoll verfahren wird, ist die Kenntnis der Grundzüge des Sachmängelhaftungsrechts neben den eigenen Erfahrungswerten zu den technischen Sachverhalten eine wichtige Entscheidungsgrundlage. Empfohlen wird schematisch folgendes Vorgehen bei der Prüfung:Betrifft die Reklamation überhaupt einen Sachmangel?Bei der Sachmängelhaftung handelt es sich um die gesetzlich geregelte Verpflichtung des Verkäufers, für solche Mängel einzustehen, die bei der Übergabe des Fahrzeugs bereits vorhanden, zumindest aber bereits veranlagt waren. Der Verkäufer hat primär zwingend dafür einzustehen, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe die "vereinbarte Beschaffenheit" besessen hat, d. h. alle Merkmale aufweist, die vertraglich konkret vereinbart sind. Wurde beispielsweise das Fahrzeug über die bloße Wissenserklärung "lt. Vorbesitzer" hinaus als unfallfrei verkauft, stimmt die Anzahl der eingetragenen Vorbesitzer nicht mit den Angaben in den Fahrzeugpapieren überein oder wurde die Laufleistung des Fahrzeuges falsch ausgewiesen, unterfallen reklamierte Abweichungen des Ist-Zustandes von den vertraglichen Zusagen immer dem Mangelbegriff.Zur vereinbarten Beschaffenheit gehören in der Regel auch offizielle Werbeangaben des Herstellers und Angaben des Verkäufers im Internet zur Ausstattung des Fahrzeuges, sofern solche Angaben nicht im Kaufvertrag revidiert wurden. Gegenstand der Beschaffenheitsvereinbarung können auch negative Eigenschaften sein wie beispielsweise "Ölverlust" oder Unfallschäden bei Gebrauchtfahrzeugen. Wird das Fahrzeug im Kaufvertrag mit solchen negativen Eigenschaften beschrieben, entsprechen diese der vertraglichen Beschaffenheit und können nicht als Mangel gerügt werden.Der Mangelbegriff ist aber auch dann betroffen, wenn der Kunde behauptet, das Fahrzeug würde sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen. So beispielsweise, wenn das Fahrzeug als Zugfahrzeug für bestimmte Anhängelasten verkauft wurde, für die es aber tatsächlich gar nicht zugelassen ist.Darüber hinaus haftet der Händler für die "übliche Beschaffenheit", d. h. für einen Zustand bei Übergabe, wie er vom Käufer für ein vergleichbares Fahrzeug erwartet werden kann. Abzustellen ist hier beispielsweise auf Art und Alter des Fahrzeuges. Bei einem 3 Jahre alten Gebrauchtfahrzeug aus 1. Hand mit einer Laufleistung von 45.000 km kann der Käufer begreiflicherweise einen besseren Fahrzeugzustand erwarten als beim Erwerb eines 10 Jahre alten Lieferfahrzeuges ursprünglich aus dem Bestand der Deutschen Post. Eine oft zitierte Entscheidung des BGH betreffend gerechtfertigte Erwartungen des Gebrauchtwagenkunden wird hier in vielen Fällen dahingehend missverstanden, dass generell Unfallfreiheit erwartet werden können soll.Gewöhnlicher Verschleiß beispielsweise an Bremsen, Reifen und anderen der Abnutzung unterliegenden Teilen entspricht der Normalität und kann außerhalb besonderer Zusagen keinen Mangel begründen.Besteht für den Kunden auch ein Garantieanspruch?Oft bestehen neben der Sachmängelhaftung auch Garantien des Herstellers oder eines Garantieversicherers. Maßgeblich kann der Kunde mit seiner Reklamation vom Händler ersatzweise nicht auf eine solche Garantie verwiesen werden. Der Kunde kann möglicherweise aber darauf hingewiesen werden, dass die Beanspruchung von Garantieleistungen für ihn ohne Nachteile und mit weniger Aufwand verbunden ist, beispielsweise weil er Garantieleistungen bei sich vor Ort beanspruchen kann. Bei der Geltendmachung von Sachmängelhaftungsansprüchen hat er dagegen sein Fahrzeug erst einmal zwingend dem Händler zur Prüfung zur Verfügung zu stellen.Wirksamer Ausschluss der Sachmängelhaftung und Verjährung?Sofern es sich nicht um ein Verbrauchergeschäft handelt, sollte ein wirksamer Ausschluss der Sachmängelhaftung geprüft werden. Wurde ein solcher in den AGBs oder anderweitig vereinbart, kann sich dieser Ausschluss allerdings nicht auf Absprachen zur vereinbarten Beschaffenheit des Fahrzeugs beziehen. Liegt kein wirksamer Ausschluss der Sachmängelhaftung vor, beträgt die vom Kunden zu beachtende Frist 2 Jahre, innerhalb der er seine Ansprüche anzumelden und notfalls auch gerichtlich geltend zu machen hat. Wurde die Frist im Gebrauchtwagengeschäft wirksam auf ein Jahr verkürzt, müssen Verbraucher Mängel bis zum Ablauf der Frist geltend machen. Die Frist zur Klageerhebung kann wirksam nicht auf ein Jahr verkürzt werden.Liegt ein ordnungsgemäßes Nacherfüllungsverlangen vor?Grundsätzlich gilt, dass Sachmängelhaftungsansprüche vom Kunden nur dort geltend gemacht werden können, wo er das Fahrzeug gekauft hat. Sofern dem Händler die Berechtigung der Beanstandung nicht definitiv bekannt sein muss, besitzt er - vorgeschaltet - das Recht zur Prüfung. Um diese Prüfung zu ermöglichen, hat der Kunde sein Fahrzeug beim Händler zur Verfügung zu stellen. Wenn nichts anderes vereinbart ist, muss er es selbst dorthin bringen oder dorthin transportieren lassen.Bietet er dies nicht an und verlangt er beispielsweise lediglich die Reparatur oder die Erklärung einer Eintrittsverpflichtung, kann der Händler auch mit Fristsetzung nicht wirksam in Verzug gesetzt werden. Ist der Kunde bereits durch einen Rechtsanwalt vertreten, können solche Aufforderungen theoretisch einfach ignoriert werden. Grundsätzlich empfiehlt es sich jedoch, eine Prüfung der Reklamation anzubieten, sofern das Fahrzeug hierfür zur Verfügung gestellt wird. Eine Verpflichtung zur Abholung des Fahrzeuges beim Kunden besteht nicht, es sei denn, es wurden besondere Vereinbarungen getroffen.Müssen Transportkosten übernommen werden?Im Fall berechtigter Nacherfüllungsansprüche hat der Verkäufer die erforderlichen Aufwendungen zu tragen, insbesondere die Transport-, Wege-, Arbeits -und Materialkosten. Ob diese Verpflichtung zum Tragen kommt, kann begreiflicherweise erst mit Abschluss der Prüfung des Mangels und der Eintrittsverpflichtung entschieden werden. Verbraucher können für ihre notwendigen Aufwendungen aber gleichwohl einen angemessenen Vorschuss verlangen.Hier bestehen in der Praxis oft Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der erforderlichen Kosten. Dies insbesondere bei Verkäufen über eine große Distanz und unterschiedlichen Auffassungen, ob das Fahrzeug aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht auf der eigenen Achse verbracht werden kann. Das Risiko, Vorschüsse auf Transportkosten im Fall nicht gerechtfertigter Sachmängelhaftungsansprüche auch wieder zu erhalten, trägt der Händler.Um den Streit und das Risiko hier nicht zu verlagern, kann es im Einzelfall vorteilhaft erscheinen, das Fahrzeug zum Zwecke der Prüfung selbst auf eigene Kosten abzuholen oder abholen zu lassen. Sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, wird keine Rückverbringung geschuldet, wenn sich die Reklamation als nicht gerechtfertigt erweist. Alternativ zur Abholung des Fahrzeuges kann - bei Einverständnis des Kunden - zu Diagnosezwecken eine Voruntersuchung in einer Werkstätte vor Ort vereinbart werden mit entsprechender Kostenübernahme und weiterer Entscheidung nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses.Was wird im Rahmen der Sachmängelhaftung geschuldet?Zweck der dem Händler zustehenden Untersuchung des Fahrzeuges ist die Feststellung, ob ein behaupteter Mangel aktuell vorliegt und darüber hinaus auch bereits bei Übergabe des Fahrzeuges vorhanden oder zumindest in Form übermäßigen Verschleißes veranlagt war. Diese Beurteilungen sind unter technischen Aspekten vorzunehmen, im Verbrauchergeschäft darüber hinaus aber auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vermutung, dass für innerhalb der ersten 6 Monate nach Übergabe des Fahrzeuges auftretende Mängel regelmäßig von einer Mangelhaftigkeit bereits zum Zeitpunkt der Übergabe auszugehen ist. Kann der Händler hier erfolgversprechend nichts anderes nachweisen, ist die Nacherfüllung sinnvollerweise zu akzeptieren.Die Pflichten im Rahmen der Sachmängelhaftung sind grundsätzlich von der Art des Mangels abhängig. Bei technischen Defekten ist - den weiteren Sachmängelhaftungsrechten vorgeschaltet - zunächst Nacherfüllung zu leisten. Der Kunde besitzt hier zwar zunächst ein Wahlrecht zwischen Reparatur und Ersatzlieferung. Im Neuwagengeschäft kann der Kunde wegen der normalerweise unverhältnismäßig hohen Kosten der Ersatzlieferung regelmäßig auf die Reparatur verwiesen werden.Im Gebrauchtwagengeschäft scheidet die Lieferung eines anderen Fahrzeuges mit identischer Ausstattung und identischer Laufleistung faktisch ohnehin von vornherein aus. Erst nach zumindest zwei erfolglosen Nacherfüllungsversuchen stehen dem Kunden wahlweise auch das Recht auf Rücktritt, Minderung und/oder Schadensersatz zu. Diese Rechte gelten unmittelbar, wenn keine Nacherfüllung möglich ist, wie beispielsweise bei einem Gebrauchtfahrzeug mit repariertem Unfallschaden, welches als unfallfrei verkauft wurde.Kurzfassung1. Die korrekte Behandlung von Mängelrügen im Fahrzeughandel ist ein Dauerthema in der praktischen Beratung.2. Um gegenüber dem reklamierenden Kunden die richtigen Entscheidungen zu treffen, empfiehlt sich die schematische Prüfung formeller und inhaltlicher Aspekte des Sachmängelhaftungsrechts anhand des dargestellten Kurzleitfadens.3. Im Einzelfall können Vereinbarungen mit dem Kunden abweichend von den rechtlichen Regelungen sinnvoll sein.KommentarDas Sachmängelhaftungsrecht ist filigran. Die Kundenreklamationen in der täglichen Praxis sind vielfältig und im Detail enthalten viele Fälle immer wieder neue Besonderheiten. Der kurze Leitfaden soll alltagstauglich eine schematisierte Prüfung und eine Einschätzung der eigenen Rechtsposition ermöglichen, um Fehler in der Bearbeitung von Kundenreklamationen beispielsweise durch vorschnelle Öffnung des Weges zum Rücktritt zu vermeiden. Zu berücksichtigen ist aber, dass es sich nur um eine kursive Darstellung der rechtlichen Seite handeln kann und bei den Entscheidungen zum konkreten Vorgehen die Beurteilung der technischen Aspekte der Reklamationen selbstverständlich mit einzubeziehen ist. Im Einzelfall bestehende Besonderheiten können durchaus auch zu abweichenden Beurteilungen und zu speziellem Beratungsbedarf führen.Rechtsanwalt Robert Glocker

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